
Jüdisches Leben ist gegen Ende des 13. Jahrhunderts erstmals nachweisbar: Eine Urkunde von Herzog Ludwig II. dem Strengen (reg. 1253-1294) erwähnt 1292 einen anonymen "Eichstätter Juden", dem eine Entschädigung ausgezahlt wurde. Für die Rintfleisch-Verfolgung 1298 sind jüdische Opfer aus Eichstätt im Nürnberger Memorbuch verzeichnet. Eine Schutzfunktion der langsam wachsenden jüdischen Gemeinde übernahmen Mitte des 14. Jahrhunderts die Eichstätter Bischöfe. Die Ansiedlung der spätmittelalterlichen Gemeinde wird im Bereich der heutigen Turmgasse vermutet, die nach späteren archivalischen Belegen auch als "Judengasse" bezeichnet wurde.
In einem Kopialbuch des Domkapitels ist belegt, dass Bischof Raban Truchsess von Wildburgstetten (reg. 1365-1383) vermutlich um 1368/69 die jüdische Witwe Simonin und alle ihre Kinder unter seinen Schutz stellte und ihnen die Bürgerschaft in Eichstätt verlieh. Für 1384 taucht eine "Synagoge der Juden" in einer Quellensammlung des Eichstätter Historikers P. Apoliner Niedermayer OP (1745-1820) auf, allerdings ohne genaue Ortsangabe oder Beschreibung. 1414 sind für Eichstätt 17 steuerpflichtige Juden nachgewiesen, je zwei weitere Hausväter lebten in Herrieden und Ornbau, die zum Territorium des Hochstifts gehörten. Ein jüdischer Friedhof gleich außerhalb des Westentores im Nordwesten der Altstadt muss zumindest schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts existiert haben, denn eine Urkunde vom 15. Juni 1423 beschreibt einen Garten "an der Juden Freithofe zu Westen gelegen". 1424 lebten in Eichstätt die steuerpflichtigen Schutzjuden Josef, lazarus, David und seine Mutter, Isaak, Myria, Jakob, Secklein sowie ein namenloser Schulklopfer. Letzterer lässt auf ein aktives Gemeindeleben mit gemeinsamen Gottesdiensten schließen. Ein Jahr später gab es aber nur noch fünf zinspflichtige Juden, die zum Teil das Doppelte der Vorjahressteuer entrichten mussten. Denn ab der Mitte des 15. Jahrhunderts verstärkte sich eine judenfeindliche Politik des Hochstifts: Auf Forderung des Domkapitels entzog Fürstbischof Johann III. von Eych (reg. 1445-1464) allen im Geldgeschäft tätigen Juden ihre Schutzbriefe und verwies sie des Landes, durchreisende Juden mussten ein gut sichtbares Abzeichen an der Kleidung tragen. De facto wurden die Juden so aus der Bischofsstadt vertrieben. Der Friedhof wurde aufgelöst und geräumt, die Synagoge ging in den Besitz des bischöflichen Hochkastens über (Finanzkammer), der sie als Zinslehen an Eichstätter Bürger verlieh. Als 1476 Herzog Albrecht IV. von Bayern-München (reg. 1467-1508) dem Regensburger Dominikanerkloster 43 hebräische Handschriften schenkte, identifizierte und katalogisierte der gelehrte P. Petrus Nigri OP (Petrus Schwarz, um 1435-1483) mit Hilfe des Rabbiners "David aus Eichstätt" die Texte. Die Nachfolger Johanns III. setzten den antijüdischen Kurs fort. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts konnten sich keine Juden in Eichstätt dauerhaft niederlassen.
Erst durch die freie Ortswahl nach der Abschaffung des Matrikelparagraphen im Jahr 1861 stieg die Zahl der in Eichstätt ansässigen Juden langsam an. Zunächst kamen jüdische Zuwanderer aus Pappenheim und Thalmässing in die Bischofsstadt. Unter ihnen war der Pappenheimer Goldwarenhändler Leopold Weimann, der 1863 das noch heute erhaltene Haus Westenstraße 2 kaufte. Hier wurde 1872 ein Betsaal eingerichtet. Ab 1880 war Kaufmann Hermann Schaalmann Besitzer dieser Hauses, er erteilte jüdischen Kindern an der Volksschule und an den Höheren Schulen kostenlosen Religionsunterricht, ebenso den Insassen des Arbeitshauses in Rebdorf. Schaalmann war außerdem ehrenamtlicher Chasan und Schächter der noch inoffiziellen Kehillah Eichstätt. Welchem Rabbinatsbezirk die Eichstätter Juden angehören sollten, war offenkundig umstritten: Um 1890 entstand das "provisorische Comitee für Bildung einer israelitischen Cultusgemeinde in Eichstätt", das sich jedoch 1895 wieder auflöste. Es verhandelte mit den Kultusgemeinden in Treuchtlingen, Pappenheim und Ingolstadt über eine Mitbenutzung von Friedhöfen und Mikwen. Die Zuordnung zu einem Rabbinatsbezirk blieb weiter in der Schwebe. Distriktsrabbiner Dr. Mayer Löwenmayer lehnte dies allerdings ab, denn "die wenigen Israeliten in Eichstätt [seien] nur als Appendix der Cultusgemeinde Thalmässing zu betrachten". 1896 wurde Eichstätt als Filiale der Kultusgemeinde Thalmässing angeschlossen und vom Distrikt Nürnberg aus betreut. Ihre Verstorbenen begruben sie in Pappenheim, bis auf drei aus Thalmässing zugezogene Familien, die weiterhin jene Begräbnisstätte vorzogen.
Ab 1903 wurden die Gottesdienste in einem Betsaal gefeiert, der im 1. Obergeschoss des Hauses Pfahlgasse (heute -straße) 45 eingerichtet wurde. Hier lebte Emil Goldschmidt, der ab 1903 als Schaalmanns Nachfolger die Gemeindeämter übernahm. Nach Goldschmidt lebte Maier Strauß in der Pfahlstraße und wirkte als Melamed, Chasan und Schochet. Als das Haus 1928 den Besitzer wechselte und Strauß in die Westenstraße 50 zog, suchte die jüdische gemeinde nach einer Alternative für ihren Betsaal. Angedacht war das "Buckl-Anwesen" in der Ingolstädter Straße 3, ein ehemaliger Getreidekasten mit entsprechend großen Ausmaßen. Dazu kam es jedoch nicht, weil mit der Weltwirtschaftskrise 1929 alle finanziellen Ressourcen dahinschmolzen.
Wohl schon 1933 wurde der Getreidekasten auch zu Mietwohnungen umgebaut. Damit hatten sich diese Pläne endgültig zerschlagen. Die zunehmenden Repressionen und Ausgrenzungen des NS-Regimes führten zu einem weiteren Rückgang der Zahl der Gemeindemitglieder. Im Mai 1933 lebten nur noch zehn jüdische Gemeindemitglieder in Eichstätt, bis 1938 hatte alle Juden Eichstätt verlassen. Von denen bis 1938 in größere Stadt verzogene Eichstätter Juden wurden die meisten in den Vernichtungslagern ein Opfer der Shoah.
Unmittelbar nach Kriegsende richtete die US-Armee in Zusammenarbeit mit der UNRRA in der ehemaligen Jägerkaserne (Kipfenberger Straße) ein Auffanglager für befreite DPs ein, die bis Winterbeginn 1946 größtenteils in ihre jeweiligen Heimatländer zurückkehrten. Ab Ende November wurde die Kaserne von jüdischen DPs bezogen, zunächst von 550 Personen aus dem überfüllten Lager in der Bamberger Ulanenkaserne. Bereits zu Jahresbeginn 1947 lebten über tausend DPs in Eichstätt, im April waren es 1.341. Auf dem Gelände gab es eine Synagoge (Ausstattung und Standort unbekannt), einen Kindergarten, eine Volksschule und zwei Sportclubs (Hapoel/Makabi Eichstätt, Elizur Eichstätt). Das Lager verwaltete sich unter einem gewählten dreiköpfigen Vorstand größtenteils selbst, eine eigene Lagerpolizei sorgte für die interne Sicherheit.
Eine Gruppe streng orthodoxer Juden, die das Zusammenleben mit der säkular eingestellten Mehrheit strikt ablehnte, bekam als Nebenlager eigene Räumlichkeiten in der früheren Landwirtschaftsschule an der Gemmingenstraße zugewiesen. Dort richtete sie eine Mikwe, eine Jeschiwa sowie vier (!) Religionsschulen ein. Die Jeschwia wurde von 20 Studenten besucht, in den Schulen wurden auch Kinder aus dem DP-Lager unterrichtet. Nach der Gründung des Staates Israel im Mai 1948 wanderten die allermeisten orthodoxen dorthin aus, und das Lager in der Gemmingenstraße konnte im Februar 1949 schließen.
Die ORT initiierte in Eichstätt eine Berufsschule, in der sich jüdische DPs auf das Pionierleben in Israel vorbereiten konnten. Ihre Verwaltung saß im Hotel Taube (Marktplatz 10). Auch diese praktische Ausbildungsstätte befand sich zunächst in der Gemmingenstraße und wurde dann vielleicht in die Jägerkaserne verlegt. Ab September 1947 sank die Zahl der DPs kontinuierlich, weil sie nach Amerika und später vor allem nach Israel auswanderten. Ab Mai 1948 lebten nur noch so wenige im DP-Lager, dass es bis Ende September 1948 geräumt wurde.
Das Anwesen Pfahlstraße 45 mit dem ehemaligen Betsaal ist weiterhin ein privates Wohnhaus benutzt. Die Jägerkaserne ist seit 1951 ein Sitz der Bayerischen Bereitschaftspolizei. Zwischen 1976 und 1979 wurde zwischen Eichstätt und Landershofen eine Mahnmal mit Skulpturen des Eichstätter Bildhauers Alois Wünsche-Mitterecker (1903-1975) angelegt, das an die Schrecken von Krieg und Gewalt erinnert. Im Jahr 2016 verlegte der Künstler Gunter Demnig (*1947) insgesamt 18 Stolpersteine für Eichstätter Opfer der Shoah.
(Patrick Charell)
Bilder
Bevölkerung 1910
Literatur
- Freilandmuseum Franken Bad Windsheim / Herbert May (Hg.): Lang gegrindet - Jüdisches Leben in Franken. Bad Windsheim 2022, S. 36.
- Angela Hager / Cornelia Berger-Dittscheid: Eichstätt. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 1: Oberfranken, Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern, Schwaben. Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager unter Mitarbeit von Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Frank Purrmann. Lindenberg im Allgäu 2007, S. 345-350.
- Jim G. Tobias: Vorübergehende Heimat im Land der Täter. Jüdische DP-Camps in Franken 1945-1949. Nürnberg 2002, S. 113-120.
- Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 307.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 172.