Jüdisches Leben
in Bayern

Dorfen Gemeinde

Gemäß dem Nürnberger Memorbuch gab es in Dorfen eine mittelalterliche Kultusgemeinde, die jedoch in den Pogromen 1338 ausgelöscht wurde. Im Jahr 1432 wird ein jüdischer Einwohner in Dorfen urkundlich erwähnt. Die Hauspolitik der Wittelsbacher verhinderte seit dem Niederlassungsverbot 1551 bis zu Wende des 19. Jahrhunderts die Ansiedelung von Juden in ganz Altbayern. Im 19. und 20. Jahrhundert gehörten die immer nur vereinzelt in Dorfen lebenden jüdischen Personen offiziell zur Kultusgemeinde in München, besaßen aber vielleicht auch einen (privaten?) Betraum vor Ort für einfache Zusammenkünfte und Wochentags-Gottesdienste.

Im Frühjahr 1946 richtete die US-Armee zusammen mit der UNRRA in Dorfen eine jüdische DP-Gemeinde ein. Dafür beschlagnahmte die Militärregierung im Stadtgebiet verteilt Wohnraum von (zumeist politisch belasteten) Privatpersonen, um dort befreite DPs aus den Außenlagern des Konzentrationslagers Dachau unterzubringen. Die Verwaltung des jüdischen Komitees, ein Betsaal, eine Bibliothek und ein Aufenthaltsraum befanden sich im großen Gasthaus "Zum Jakobmayer" untergebracht (Unterer Marktplatz 34). Die Gemeinde verfügte auch über eine eigene Ambulanz und eine Nachtwache. Die frei gewählten Gemeindevorsitzenden Josef Bajgelmacher und Schmul Cynamon initiierten zudem die Gründung eines Fußballvereins (Makabi Dorfen). Im März 1946 lebten bereits 126 DPs in Dorfen, bis Juli 1947 war die Zahl auf 159 angewachsen. Damit war jedoch auch ein Höhepunkt erreicht, und die Gemeinde schrumpfte in den kommenden drei Jahren.

Zum DP-Lager Dorfen gehörte auch die außerhalb gelegene "Blumengartenschule". Die Anlage bestand aus drei von den US-Behörden beschlagnahmten Grundstücken: Der Villa des Ziegelfabrikanten Albert Meindl, der Villa des Dorfener Schriftstellers und NSDAP-Mitglieds Josef Martin Bauer, sowie einem Gutshof der Brauereifamilie Bachmayer. Ab 1946 hieß die Einrichtung Kibbuz Jakob Brand (Hachschara). Rund zwei Jahre lang bekamen hier bis zu 69 jüdische Männer und Frauen die Grundlagen der Landwirtschaft beigebracht, um sie auf ein Pionierleben in Palästina oder Übersee vorzubereiten. Von Mai 1948 bis zur Schließung wurde die Einrichtung als religiöses Sommerlager für Kinder genutzt. Nachdem die meisten DPs im Ausland, vor allem in Israel eine neue Heimat gefunden hatten, wurde die DP-Gemeinde Dorfen 1950 endgültig aufgelöst.

Das Nürnberger Institut für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts (Nurinst) unter Jim Tobias hatte bereits eine wichtige Grundlagenforschung zum DP-Lager Dorfen publiziert, als im Jahr 2011 eine kleine Sensation den Anstoß weiterer Recherchen gab: Bei Renovierungsarbeiten im Jakobmayer (heute Kulturzentrum und Sitz der Geschichtswerkstatt) stieß Kirchenmaler Michael Hornsteiner auf einen gemalten Magen David (Davidstern) im Treppenhaus, an anderer Stelle auf eine Menora. Die jüdischen Symbole können, konservatorisch geschützt und mit einer nebenstehenden Erläuterung, als zeitgeschichtliche Dokumente besichtigt werden. Am 23. Mai 2012 stellte die Aktionsgemeinschaft "Dorfen ist bunt" ihre Ergebnisse gemeinsam mit Historikerin Thea Fleischhauer der Öffentlichkeit vor. Am ehemaligen Standort des Kibbuz Hachschara wurde von Nachfahren der DPs im Kibbuz 2013 eine Informationstafel zur Geschichte der Blumengartenschule und des DP-Lagers Dorfen enthüllt (Bericht der SZ am 27. Mai 2013). 2015 erschien die erweiterte Publikation "Wie der Davidstern nach Dorfen kam".


(Patrick Charell)

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Aktionsbündnis "Dorfen ist bunt" (Hg.) / Monika Schwarzenböck / Doris Minet / Elisabeth und Adalbert Wirtz: Wie kam der Davidstern nach Dorfen? „Dorfen ist bunt“ auf den Spuren jüdischer "Displaced Persons". Dorfen 2015.
  • Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 306.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 12.