Jüdisches Leben
in Bayern

Aidhausen Gemeinde

Juden sind in dem Ganerbendorf Aidhausen, in dem das Hochstift Würzburg, die Deutschordenskommende Münnerstadt, das Rittergeschlecht der Truchseß von Wetzhausen und die Freiherren von Dalberg Herrschaftsrechte besaßen, seit der Mitte des 16. Jahrhunderts nachweisbar. Um 1556 wird ein aus Aidhausen stammender Jude namens Simon als Gesandter der Landjudenschaft im Oberland und im Grabfeld erwähnt. 1595 lebten laut der "Aidhäuser Dorfordnung" dauerhaft jüdische Familien im Dorf. Pfarrer Kilian Klöpfel erwähnt in seiner Pfarrchronik (1809) vier jüdische Haushalte, die 1663 aktenkundig wurden. In den 1920er Jahren waren auch noch einige Aidhäuser Thorawimpel aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erhalten.

Im Jahr 1699 lebten laut einer Aufstellung für den Würzburger Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenclau acht Schutzjuden mit ihren Familien. Die insgesamt 50 Aidhausener Jüdinnen und Juden bildeten wohl schon zu diesem Zeitpunkt eine Gemeinde. In der zweiten Hälfte des 1780er Jahre kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der jüdischen und christlichen Bevölkerung, die teilweise pogromartigen Charakter hatten. Beispielsweise wurden im September 1785 der Aidhausener Schulmeister Kaufman Löw und seine Familie nachts von unbekannten Einbrechern heimgesucht und körperlich misshandelt. Auch Löws Nachfolger Marx Meyer wurde nachts von jungen Männern verprügelt und verletzt. Daraufhin beschwerte sich der Würzburger Schutzjude Samuel Löw am fürstbischöflichen Gebrechenamt in Würzburg und wies in seinem Gesuch darauf hin, dass auch die anderen Ganerben, die sich mit Würzburg die Dorfherrschaft teilten, für den Schutz der Aidhausener Juden sorgen sollten. Das Gebrechenamt reagierte auf Löws Beschwerde und veranlasste, dass in Aidhausen öffentlich verkündet wurde, dass Übergriffe auf Leib und Eigentum der örtlichen Juden fortan die Inhaftierung im Würzburger Arbeitshaus zur Folge hatten. Mitwissern drohte eine Geldstrafe von 10 Reichstalern, und im Falle weiterer Übergriffe hatte die christliche Gemeinde Aidhausen eine Geldstrafe von 50 Reichstalern zu entrichten.

Um 1800 lebten in Aidhausen 54 jüdische Männer, Frauen und Kinder. 1805 wurde im Erdgeschoss des Hauses von Benjamin Frankenberger eine von einer unterirdischen Quelle gespeiste Mikwe angelegt. Nach der Eingliederung des Großherzogtums Würzburg in das Königreich Bayern trugen sich 1817 auch die zehn jüdischen Aidhausener Haushaltsvorstände in die Matrikellisten ein, die sich hauptsächlich vom Kleinhandel und Maklerdiensten ("Schmusen") ernährten. 1841 kritisierte der Bezirks-Gerichtsarzt die Feuchtigkeit und die Verschlammung des Tauchbeckens. Daher beauftragte die Kultusgemeinde den Maurermeister Nikolaus Pöhner mit dem Neubau einer Mikwe. 1851 hatte sich die Zahl der jüdischen Haushalte und auch deren Erwerbsstruktur nicht wesentlich verändert. Aber nur zwölf Jahre später gingen die Aidhausener Juden auch anderen Handwerken nach: Im Dorf gab es 1863 drei jüdische Metzger, ein Seifensieder, ein Seiler und ein Schuhmacher. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich auch die Vermögensverhältnisse der Juden im Ort verbessert, da 1863 bereits zwölf Familien über ein Vermögen zwischen 2000 und 4000 Gulden, und nur zwei Familien über ein Vermögen von rund 200 Gulden verfügten. Die Kultusgemeinde verfügte über eine Synagoge (Nr. 101, heute Frankenstraße 30), eine Schule (ab 1847 neben der Synagoge) und eine Mikwe (im Garten von Nr. 67, heute Kirchgasse 3a). Die Toten wurden auf dem Verbundfriedhof in Kleinsteinach beigesetzt. Die Gemeinde gehörte dem Distriktsrabbinat Burgpreppach an.

Nach der Gründung der Aidhausener Religionsschule 1837 musste die jüdische Gemeinde bis circa 1850 ein Schulzimmer für den Unterricht anmieten. Diesen erteilte seit 1837 der Religionslehrer Samuel Gutmann, der in Aidhausen mehrere Jahrzehnte auch als Kantor und Schächter tätig war. Die Errichtung des Schulhauses ermöglichten der Arzt Dr. Joseph Samuel, der sein Anwesen 1847 der jüdischen Gemeinde vermacht hatte, und der Lehrer Samuel Gutmann, der die Finanzierung des Neubaus übernahm. Das neue, zweigeschossige Schulhaus mit Satteldach, dessen Bausubstanz noch fast unverändert erhalten ist, verfügte in jedem Stockwerk über drei Zimmer mit Küche und Toilette. Es grenzte im Süden an die Synagoge an, mit der es in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein bauliches Ensemble bildete. Gutmanns Wohltätigkeit ist insofern bemerkenswert, als der Lehrer nicht nur die Ausbildung jüdischer, sondern auch evangelischer und katholischer Aidhausener förderte. Drei Legate in Höhe von jeweils 500 Gulden sollten es je einem Jugendlichen ermöglichen, ein Handwerk zu erlernen. Da jüdische Jugendliche nur selten die Gutmannsche Stiftung in Anspruch nahmen, war das Stiftungskapital bis 1916 auf rund 4000 Mark angewachsen. Drei Jahre später erlaubte die Bezirksverwaltung der jüdischen Gemeinde, die Zinserträge für den Unterhalt der Religionsschule zu verwenden. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Gemeinde nur noch aus sechs Haushalten.  

Seit 1922 unterrichtete der gebürtige Aidhausener Schulamtsbewerber Felix Kuhn die jüdischen Kinder der Gemeinden Lendershausen-Hofheim, Kleinsteinach und Aidhausen. Am 10. Oktober 1938 schlugen unbekannte Täter die Fensterscheiben der Aidhausener Juden ein. Rund einen Monat später wurden die jüdischen Haushalte wohl unter Anleitung Schweinfurter SA-Leute während des Novemberpogroms erneut Opfer antisemitischer Gewalt. Am 10. November 1938 kam der Religionslehrer Kuhn in "Schutzhaft" genommen und wurde nach einem Aufenthalt im Gefängnis Hofheim in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Nach Interventionen der Kultusgemeinden, in denen er als Religionslehrer tätig war, kam Kuhn am 3. Januar 1939 aus Dachau frei und emigrierte im Frühsommer 1939 nach Palästina. Die zunehmende Diskriminierung und Bedrohung hatte dazu geführt, dass sich die Zahl der Aidhausener Juden zwischen 1933 und 1939 von 23 auf 19 Personen verringert hatte. Anfang 1942 lebten laut einer Mitteilung der Gemeindeverwaltung von 1947 noch 13 Juden in Aidhausen, von denen die Familien Ackermann und Stein und Nathan und Ottilie Kuhn am 25. April 1942 mit der dritten mainfränkischen Deportation nach Krasnyslaw verschleppt und dort vermutlich ermordet wurden. Fünf weitere Jüdinnen und Juden wurden am 10. September 1942 nach Theresienstadt deportiert. 1942 erwarb die Gemeinde Aidhausen das seit 1940 vermietete Schulgebäude.

Insgesamt 32 Menschen, die in Aidhausen geboren waren oder gelebt haben, verloren in der Shoah ihr Leben. Nur Frieda Stein überlebte die Deportation nach Theresienstadt und emigrierte nach ihrer Befreiung in die USA, wo sie kurz darauf verstarb.


(Steffan W. Römmelt)

Bilder

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Axel Töllner / Cornelia Berger-Dittscheid: Aidhausen. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 411-423.
  • Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 2. Fürth 1998, S. 3.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 221.