Jüdisches Leben
in Bayern

Kleinsteinach Friedhof

Der jüdische Friedhof liegt südöstlich von Kleinsteinach. Er hat eine Größe von über 12200 qm und wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts angelegt, als sich 1560/61 die aus dem Hochstift Würzburg vertriebenen Juden auch in Kleinsteinach niederließen. Es sind heute etwa 1100 Grabsteine erhalten.

Lage: Ca. 1,5 km südöstlich von Kleinsteinach unweit des Sportplatzes. 

Größe: 12240 qm; Einfriedung durch einen dekorativen Metallzaun auf einem Steinsockel. 

Alter: Mitte des 16. Jahrhunderts angelegt; der älteste erkennbare Grabstein stammt aus dem Jahr 1596.

Einzugsbereich: Aidhausen, Haßfurt, Hofheim, Knetzgau, Lendershausen, Schonungen, Schweinshaupten, Steinach, Westheim, Zeil u.a. 

Beerdigungen: Zwei große Grabfelder; auf dem neueren Teil des Friedhofs stehen etwa 700 Grabsteine sowie ein Kriegerdenkmal für die jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs, auf dem älteren Teil des Friedhofs ca. 1000 Grabsteine. Zahlreiche Rabbiner- und Gelehrtengrüber; erhalten ist u.a. das Grab des Rabbi Shmuel, Sohn des David Moshe HaLevi aus Miedzyrzecz. 1898 sammelte der damalige Lehrer N. Sichel Spenden für die Erneuerung des Grabsteines eines Gelehrten, wie die Zeitschrift „Der Israelit“ vom 8. Juni 1898 berichtete. Der letzte Verstorbene, der in Kleinsteinach einen Grabstein erhielt, ist Daniel Mahler aus Westheim. Die in die USA ausgewanderten Söhne ließen ihrem am 18. Januar 1942 in Westheim gestorbenen Vater einen Grabstein setzen, damit der Tote nach jüdischem Brauch seine Ruhe finden kann. Nach Cordula Kappner, die die jüdischen Friedhöfe im Landkreis Haüberge eingehend erforscht hat, war mit größter Wahrscheinlichkeit die am 29. März 1942 in Haßfurt in der Brückenstraße 3 (ab Juni 1941 mussten alle noch verbliebenen judischen Haßfurter Bürger dort wohnen) verstorbene Rosa Lonnerstädter die letzte (jüdische) Beerdigung. Laut Cordula Kappner liegen ohne Grabstein in Kleinsteinach auch begraben: Lina Goldmann aus Haßfurt (gestorben im Februar 1942), Max Goldmann aus Zeil (gestorben im Februar 1941), Seligmann Grünbaum aus Kleinsteinach (gestorben im April 1940), Josef Oppenheimer aus Hofheim (gestorben im Dezember 1933), Klara Rosenbach aus Hofheim (gestorben im November 1938), Emma Stein aus Haßfurt (gestorben im November 1930), Michael Vandewart aus Lendershausen (gestorben im Dezember 1909, dessen Grab in der Nazizeit zerstört wurde), Seligmann Lippstädter aus Westheim (gestorben im September 1940; eventuell ist er in Schweinshaupten begraben). In der NS-Zeit wurden in Kleinsteinach wie auch auf anderen jüdischen Friedhöfen Kriegsgefangene und andere gewaltsam zu Tode gebrachte unliebsame Personen begraben (in Kleinsteinach der Ende Februar 1945 in Haßfurt erschossene Italiener Guiseppe Fava, dessen Leichnam nach Kriegsende nach Italien überfährt wurde). 

Besonderheiten: Großes Tahara-Haus mit fast vollständigem Inventar. Im Ort existierte eine Chewra Kaddischa. Das Kriegerdenkmal für die Gefallen des Ersten Weltkriegs verzeichnet die Namen der jüdischen Soldaten und trägt die Inschrift: "Wie sind gefallen die Helden, verloren gegangen die Waffen des Krieges! 2.Sam. 1,27. Zur Erinnerung an die im Weltkriege 1914-18 auf dem Felde der Ehre Gefallenen der dem Friedhofsbereich Kleinsteinach angeschlossenen Kultusgemeinden Kleinsteinach, Hofheim, Haßfurt, Schonungen und Westheim". 

Schändungen: 1894 (mehrere Grabsteine wurden umgestürzt) und in den 1920er-Jahren; sodann am 10. November 1938 (in Anwesenheit verhafteter jüdischer Männer, die die Schändung mit ansehen mussten); 1944 durch eine Kleinsteinacher Schulklasse mit ihrem Lehrer; 1947 warfen ehemalige Nazis und SS-Männer Grabsteine um; Anfang der 1960er-Jahre verschwand ein Grabstein von 1933 spurlos.

Fotodokumentation "Steinerne Zeugnisse":

Israel Schwierz hat uns großzügig die Originalfotografien zu seiner 1988 erschienenen Dokumentation "Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern" zur Verfügung gestellt. Dafür gilt ihm unser großer Dank. Diese Fotografien stellen gerade im Hinblick auf die in vielen Fällen in den letzten 25 Jahren sehr rasch fortgeschrittene Verwitterung der Grabsteine eine wertvolle Quelle dar.

Adresse / Wegbeschreibung

97519 97519 Riedbach OT Kleinsteinach

Der jüdische Friedhof ist über zwei Zufahrten erreichbar.
Zufahrt 1:
Von Schweinfurt kommend bis zur Ortsmitte einfahren, bei der ersten Zufahrt gemäß der Beschilderung vor der Kirche rechts in Richtung Sportplatz abbiegen. Sportplatz rechts liegen lassen und bis Ende der Teerstraße (beidseitig Flur) fahren. Nach ca. 20 m links der obere Friedhofseingang.
Zufahrt 2:
Von Schweinfurt kommend in den Ort einfahren bis zur Seitenstraße „Am Hainbach“ mit Hinweisschild „Jüdischer Friedhof“ rechts abbiegen und gerade aus durch eine kleine Siedlung weiterfahren bis man nach ca. 1 km zu einem rechtsliegenden Parkplatz kommt. Weiterhin rechts halten bis man nach einem ca. 150 m langen Feldweg zum ursprünglichen Friedhofseingang kommt.

Literatur

  • Lothar Mayer: Jüdische Friedhöfe in Unterfranken. Petersberg 2010, S. 100-105.
  • Michael Trüger: Jüdische Friedhöfe in Bayern (8) [Schweinshaupten, Kleinsteinach, Bad Brückenau, Limbach]. In: Der Landesverband der Israelit. Kultusgemeinden in Bayern 9 (Dezember 1994), S. 23-24.
  • Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 87f.