Zeitzeugen berichten

Nuriye Mader 1970-1986 "Gastarbeiterin" bei Siemens in Regensburg; Altenpflegerin; Lyrikerin

Signatur
zz-2063.05
Copyright
Haus der Bayerischen Geschichte (Georg Schmidbauer M.A.)
Referenzjahr
1970

Im hier gezeigten Ausschnitt Berichtet Nuriye Mader über die Unterbringung der Gastarbeiterinnen in Arbeiterheimen, die dortigen Wohnverhältnisse in den 1970er-Jahren, das Heimweh, die wenigen Kontaktmöglichkeiten zu ihrer Familie sowie über die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern bis zu deren Tod.

Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:

Lebensgeschichtliches Zeitzeugeninterview mit Nuriye Mader, geführt am 12.10.2020 in München, über ihre Kindheit und Jugend in einem thrakischen Dorf, die Gründe für das Annehmen einer Stelle als Gastarbeiterin in Deutschland 1970, ihre Tätigkeit bei Siemens in Regensburg bis 1986, die Wohnverhältnisse als Gastarbeiterin, die Hürden bei der Integration, die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern in der Türkei, die alleinige Erziehung ihrer drei Kinder sowie über ihre Erfahrungen mit Gewalt und Diskriminierung.

Biogramm

Nuriye Mader wurde 1950 in Polos (Thrakien/Türkei) geboren. Trotz gesundheitlicher Probleme ihrer Eltern entschied sie sich 1970 schweren Herzens dazu, als Gastarbeiterin nach Deutschland zu gehen. Sie kam nach Regensburg und arbeitete bei Siemens. Zusammen mit anderen türkischen Frauen war sie dort zunächst als Wicklerin für Batterien und Elektrogeräte, später in der Metallverarbeitung für Automatenherstellung in Akkordarbeit beschäftigt. Ihre Eltern in der Türkei unterstützte sie bis zu deren Tod finanziell. 1978 lernte sie ihren späteren Mann kennen, den sie 1980 heiratete. Sie gründete eine Familie, musste aber nach ihrer Scheidung ihre drei Kinder alleine großziehen und 1986 deshalb ihre Arbeit bei Siemens aufgeben. Sie ließ sich zunächst als Kinderpflegerin ausbilden und arbeitete, nachdem sie aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse keine Anstellung finden konnte, kurzzeitig als Altenpflegerin. 1996 erhielt sie die doppelte Staatsbürgerschaft. Nuriye Mader ist Lyrikerin, Musikerin und Theaterspielerin.

Inhalte

Geboren 1950 in Thrakien – Kindheit und Jugend auf dem Land in ärmlichen Verhältnissen – Besuch eines Internats – Berufswunsch Lehrerin – Finanzierung des höheren Schulbesuchs durch den Vater (Verkauf von Land und Vieh) – Vorzeitiger Schulabgang und Rückkehr in das Heimatdorf im Alter von 17 Jahren – Trauer und Frustration – Arbeit in Istanbul als Fabrikarbeiterin und anschließend als Kassiererin – Entschluss zur Annahme einer Stelle als Gastarbeiterin in Deutschland auf Anregung eines Nachbars – Vorbereitungen im türkischen Arbeitsamt für die Reise nach Deutschland – Ankunft in München im September 1970 zusammen mit anderen jungen türkischen Frauen – Weiterfahrt nach Regensburg – Unterkunft in einem Arbeiterheim – Überforderung und Überanstrengung in der ersten Zeit – Probleme aufgrund der mangelnden Deutschkenntnisse – Tätigkeit als Wicklerin bei Siemens in Regensburg – Arbeitszeiten – Sprachbarriere am Arbeitsplatz – Kaum Kontakt zu Einheimischen außerhalb der Arbeit – Keine Möglichkeit zur Teilnahme an Deutschkursen aufgrund der Schichtarbeit – Zusammenarbeit mit älteren deutschen Frauen, die auf langsameres Arbeitstempo drangen – Akkordarbeit – Umzug in ein neues Arbeiterheim im Regensburger Westenviertel 1971 – Heimweh – Finanzielle Unterstützung der Eltern bis zu deren Tod 1974 (Vater) und 1981 (Mutter) – Gescheiterte Pläne der Rückkehr – Leidenschaft für das Lesen – Verfassen von Gedichten und Texten in der Freizeit – Kennenlernen des Ex-Mannes 1978 – Verlobung nach Absprache mit der Mutter – Nachteilige Scheidung aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse – Hochzeit 1980 in Deutschland im Beisein der Mutter – Hochzeitsreise nach Griechenland und in die Türkei – Alleinige Erziehung der drei Kinder – Urlaubsreisen mit den Kindern – Schwierigkeiten bei der Kindergartensuche – Sprachprobleme des ältesten Sohnes bei der Einschulung – Vermehrter Kontakt zu Einheimischen durch die Kinder – Aufnahme in die Kinderpflegeschule 1994 – Unterstützung durch die Kinder – Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche wegen Religion und Sprache – Taufe – Ausbildung zur Altenpflegerin 1999 – Kündigung im Altenheim nach acht Monaten – Betreuung einer Kindergruppe in Regensburg – Kündigung bei Siemens 1986 nach 16-jähriger Beschäftigung, um sich um die Kinder kümmern zu können – Keine Abfindung – Erhalt von staatlicher Sozialhilfe – Sparsame Lebensweise vieler Gastarbeiter in Deutschland – Finanzielle Lage heute – Verhältnis zum Schwiegervater – Kontaktabbruch des Vaters zu den Kindern – Erfahrung von Einsamkeit und Ungerechtigkeit bei der Scheidung – Anhaltender Unmut aufgrund der Scheidung –Unzufriedenheit des Ex-Mannes mit der Regelung des Sorgerechts – Häufige Kontrollen des Jugendamts – Langer Prozess der Integration – Erfahrungen mit Vorbehalten und Diskriminierung in der Theatergruppe – Freude am Theaterspielen – Momente der Verzweiflung – Armutserfahrungen in der Kindheit und Jugend – Motivation für den Berufswunsch Lehrerin – Erleiden von körperlicher Gewalt in der Ehe – Konfliktreiche Trennung – Auszug – Zurückbleiben der Kinder und Unterhaltszahlungen an den Ex-Mann für dreieinhalb Monate bis zum Erhalt des Sorgerechts – Fehlende Betreuung der Gastarbeiter durch deutsche und türkische Behörden in den 1970er- und 1980er-Jahren.

Daten

Art:
Lebensgeschichtliches Zeitzeugen-Interview
Dauer:
1:30 h
Aufnahmedatum:
12.10.2020
Sprache:
deutsch
Aufnahmeteam:

Interview: Georg Schmidbauer M.A.

Kamera: Georg Schmidbauer M.A.