Im hier gezeigten Ausschnitt schildert Doris Strelzyk die Gründe, die sie und ihren Mann dazu bewogen haben 1979 aus der DDR zu fliehen. Vor allem die Verurteilung ihres jüngeren Bruders zu 20 Monaten Haft ließen sie den Entschluss zur Flucht fassen.
Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:
Lebensgeschichtliches Zeitzeugeninterview mit Doris Strelzyk, aufgenommen am 23.07.2011 in Pößneck, über ihr Leben in der DDR, ihre Flucht in den Westen, die Reaktionen auf die Flucht und die Rückkehr nach Pößneck nach dem Fall der Mauer.
Biogramm
Doris Strelzyk wurde 1948 in Ranis (Thüringen) geboren und arbeitete nach ihrem Schulbesuch in der Sparkasse. 1966 heiratete sie Peter Strelzyk und führte mit Ihrer Familie ein "normales" Leben in der DDR. Nachdem ihr Bruder wegen einer Bemerkung zur fehlenden Reisefreiheit verhaftet und verurteilt worden war, begannen die Strelzyks darüber nachzudenken, wie man die DDR verlassen könne. 1973 lernten sie das Ehepaar Wetzel kennen, das ebenfalls in Pößneck wohnte. Die eingeschränkte Meinungsfreiheit sowie die fehlenden Reisemöglichkeiten ließ bei beiden Ehepaaren die Idee entstehen, aus der DDR zu flüchten. Durch Zufall stießen sie in einer westlichen Zeitschrift auf die Möglichkeit, einen Heißluftballon zu konstruieren. Nach mehreren Versuchen probierte die Familie Strelzyk im Juli 1979 alleine mit einem Ballon zu flüchten, dieser Versuch scheiterte aber kurz vor der Grenze auf DDR-Seite. Schließlich gelang es beiden Familien, die Konstruktion des Ballons technisch so zu verbessern, dass sie am 16.09.1979 alle über die innerdeutsche Grenze fliehen konnten und den Ballon in der Nähe von Naila zu landen. Die Flucht wurde journalistisch weltweit ausgewertet, eine amerikanische Produktionsfirma produzierte den Film „Night Crossing“ („Mit dem Wind nach Westen“), der auf der Berlinale 1980 gezeigt wurde.
Inhalte
Geboren 1948 in Ranis – Mutter kam aus dem Sudetenland – Besuch der Schule in Pößneck – nach der Schule Beginn einer Lehre als Serviererin, Abbruch wegen gesundheitlichen Problemen – in der Volkshochschule Industriekaufmann gelernt – Wechsel zur Sparkasse – familiäre Probleme, Stiefvater Alkoholiker – Mitglied der Jungen Pioniere, ansonsten wenig Berührung mit dem sozialistischen System – zunehmende Versorgungsprobleme in der DDR – Heirat, Mann musste in die Partei (SED) eintreten, um eine Wohnung zu bekommen – Erarbeitung einer soliden, bürgerlichen Existenz – Westfernsehen als Informationsquelle – kaum politische Äußerungen – in gewissen Dingen Neid auf Besucher aus dem Westen – Verhaftung des minderjährigen Bruders wegen versuchten Grenzübergangs – Verurteilung zu 20 Monaten Gefängnis, Misshandlungen – erste Gedanken an Flucht wegen den Kindern – Reise nach Jugoslawien verweigert – nach Bekanntschaft mit Familie Wetzel erstmals konkrete gemeinsame Fluchtpläne – Heißluftballon als Fluchtmöglichkeit – erster Ballon untauglich – Familie Wetzel vorübergehend aus den Fluchtplänen ausgestiegen – erste Flucht alleine scheiterte am 04.07.1979 200 Meter vor der Grenze aufgrund schlechten Wetters – unerkannte Rückkehr von der Absturzstelle durch das Sperrgebiet zum Ausgangspunkt – Fahndung nach den Beteiligten der Flucht durch die Polizei – über zurückgelassene Medikamente ermittelten die Behörden den Bezirk in dem sie wohnten – Bau eines zweiten Ballons mit Familie Wetzel – Kauf des Stoffes in der gesamten DDR, um nicht aufzufallen – technische Umsetzung trotz fehlender Informationsquellen – trotz des Baus Weiterführung des alltäglichen Lebens – Aufgabenteilung beim Bau der Gondel, des Antriebs und Nähen den Ballons – aufgrund einer günstigen Wettervorhersage Start der Flucht am 16.09.1979 – Transport des Ballons zur Abflugstelle, Panne eines der Fahrzeuge – Abflug funktionierte – nachdem das Gas verbraucht war, unsanfte Landung – Frauen und Kinder versteckten sich, da sie nicht wussten, ob sie den Westen erreicht hatten – Männer trafen auf Polizisten, alle wurden nach Naila ins Rotkreuzheim gebracht – sehr freundliche Aufnahme in Naila - großer Trubel, am nächsten Morgen kamen die ersten Journalisten – Zusammenarbeit mit den Journalisten vom „Stern“ – Organisation der Hollywood-Verfilmung "Nightcrossing" – Reise in die USA – häufige Umzüge aus beruflichen Gründen. Reise nach Ostberlin – Versuch mit der chinesischen Botschaft Kontakt aufzunehmen um zu fliehen, scheiterte – Phasen der Depression – Kinder waren eingeweiht und einverstanden, auch im Nachhinein – berufliche Neuorientierung – Bespitzelung durch einen alten Bekannten, der Informeller Mitarbeiter (IM) bei der Stasi war, auch Schädigung, um das Geschäft zu ruinieren – auch Verwandte als inoffizielle Mitarbeiter tätig – erste Eindrücke nach der Wende und der Rückkehr nach Pößneck 1991 – Modernisierung – Identifikation als Deutsche, im Gegensatz zu Ost-West-Unterteilung – Beurteilung der DDR im Nachhinein ambivalent – sehr positives Bild von Bayern.
Daten
Interview: Georg Schmidbauer M.A.
Kamera: Georg Schmidbauer M.A.