Im hier gezeigten Ausschnitt berichtet Maria Günzl darüber, wie ihr nach ihrer Entlassung aus dem KZ Ravensbrück Bekannte und ehemalige Parteigenossen begegneten. (Nur Ton; Foto: © Bildarchiv Bayerischer Landtag)
Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:
Thematisches Interview der Journalistin und Historikerin Dr. Heike Bretschneider mit Maria Günzl, aufgenommen am 02.07.1982 in Planegg, über den sozialdemokratischen Widerstand im Sudetenland (nur Ton).
Biogramm
1896 als Maria Franke geboren in Zwodau, Sudetenland. Volksschule und 3 Jahre Mittelschule. 1910 Mitglied im Verband jugendlicher Arbeiter Österreichs. Fabrikarbeiterin. Referentin für Jugendarbeit in Westböhmen. 1918 Heirat mit dem Sozialdemokraten Josef Günzl. 1918-1927 Bezirksvorsitzende der sozialdemokratischen Frauen Graslitz. 01.01.1927-30.09.1938 Frauensekretärin der Kreisorganisation der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Karlsbad. 1932 Vorsitzende des genossenschaftlichen Frauenkomitees im Sudetenland. Mitarbeiterin in der Redaktion des "Volkswillen". Unterstützung der Widerstandstätigkeit der aus dem Reich emigrierten Sozialdemokraten wie Waldemar von Knoeringen. 1938 nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht ins Sudetenland von der Gestapo sofort festgenommen, in Eger inhaftiert und misshandelt. Ostern 1939 Einlieferung ins KZ Lichtenburg. Ende Mai 1939 Überstellung ins neu eingerichtete Frauen-KZ Ravensbrück. 1942-1945 arbeitsdienstverpflichtet für ein Lagerhausunternehmen in Graslitz. Aufbau einer kleinen Widerstandsgruppe. 01.12.1944 erneut verhaftet, misshandelt und zum Tode verurteilt, da sie dem Fallschirmspringer der Royal Air Force Albert Exler illegal geholfen hatte. Das Kriegsende am 08.05.1945 und der Einmarsch sowjetischer Truppen verhinderte die Hinrichtung in Theresienstadt. Ab 1946 als Heimatvertriebene in Bayern ansässig. 01.11.1946-30.07.1947 Frauensekretärin beim SPD-Unterbezirk München. 01.04.1948-31.12.1950 Frauensekretärin beim SPD-Bezirk Südbayern, München. 1948-1972 Mitglied des Kreistags München-Land. 1950-1953 Vorsitzende der SPD-Landesfrauenarbeitsgemeinschaft in Bayern. 26.11.1950-25.11.1962 Abgeordnete des Bayerischen Landtags. 1960-1972 Mitglied des Gemeinderats in Planegg. Ab 1954 3. Vorsitzende des Landesausschusses der SPD Bayern. 1961 Auszeichnung mit dem Bayerischen Verdienstorden. 1983 in Planegg verstorben.
Inhalte
tobre 002:
Maria Günzl wurde am 23. März 1896 in Zwodau bei Falkenau im Sudetenland geboren. Seit 1927 arbeitete sie in Karlsbad als Kreissekretärin der SPD. Die sudetendeutschen Genossen versuchten, die deutschen Emigranten finanziell zu unterstützen.
1934 lernte sie Waldemar von Knoeringen in Neuern kennen. An der Grenze Joachimsthal, Gottesgab halfen sie deutschen Genossen nach der Flucht.
Sie spricht über die Auseinandersetzungen zwischen den Henlein-Leuten von der Sudetendeutschen Partei (SDP) und der Republikanischen Wehr.
Nach dem Einmarsch der deutsche Wehrmacht in das Sudetenland im Herbst 1938 wurde Maria Günzl sofort verhaftet, bei den ersten Vernehmungen in Karlsbad misshandelt, von einem Gefängnis zum anderen bis ins KZ Lichtenburg transportiert, später kam sie in das neu eingerichtete Frauen-KZ Ravensbrück.
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Maria Günzl erzählt, dass sie während der Haft auch immer wieder Aufseherinnen und Wächtern begegnet ist, die ihr manchmal etwas zu essen zugesteckt haben. Aus Ravensbrück wurde sie zu einem SS-Oberführer als Hausgehilfin geschickt, der mitten im Krieg in Saus und Braus lebte. Diese Prassereien und Betrügereien konnte sie nicht länger mit ansehen und bat, wieder ins KZ zurückgeschickt zu werden. Einem Beamten aus der Gestapozentrale imponierte ihre Haltung, und er setzte sich ein, dass Maria Günzl 1942 nach Graslitz in ihren Heimatort entlassen wurde. Täglich musste sie sich bei der Gestapo melden. Sie fuhr nach Karlsbad, nahm Kontakt zu Genossen auf, um im Widerstand mitzuarbeiten. In Graslitz gegründete sie selbst eine kleine Widerstandsgruppe.
1944 sprang Albert Exler, der im Exil in England gelebt hatte, mit dem Fallschirm in der Nähe von Graslitz ab. Er hatte die Hoffnung, die Deutschen im Sudetenland zum Aufstand gegen die Nationalsozialisten zu ermutigen. Maria Günzl nahm Albert Exler auf, gab ihm andere Kleider und half ihm nach Wien. Dort sollte ein Kunstmaler, ein Genosse aus dem Widerstand, ihm einen neuen Pass anfertigen.
tobre 004:
Auch ihre Schwester war aktiv im Widerstand. Sie hat 5 oder 6 geflohene Gefangene aufgenommen. Ab und zu hat ihnen der katholische Pfarrer mit Geld geholfen.
Maria Günzl spricht noch einmal über die Hilfe für Albert Exler. Kein Genosse nahm ihn auf und sie sagte ihm, er könne eine Nacht in ihrem Schuppen schlafen. Da er nirgends Hilfe fand, kam er ein zweites Mal zu ihr. An diesem Abend war ihre Freundin Erna Haberzettl aus Wien bei ihr. Sie nahm Exler mit nach Wien, Professor Zlama, ein Kunstmaler und Genosse aus dem Widerstand, sollte ihm einen neuen Pass anfertigen. Die Gestapo entdeckte, dass Exler in Graslitz Hilfe bekommen hatte. Maria Günzl, ihre Schwester Klara Wenzel und Albert Exler wurden im Dezember 1944 verhaftet und gefoltert. Am 8. Mai 1945 sollten sie hingerichtet werden. In der Nacht zuvor träumte Maria Günzl und hörte eine Stimme: „Seid tapfer, am 8. Mai werdet ihr befreit.“ Auf dem Weg zur Hinrichtung hörten sie die sowjetischen Panzer, sie wurden zurück in das Gestapogebäude gebracht, wenig später waren sie frei.
Daten
Interview: Dr. Heike Bretschneider
Technik: Dr. Heike Bretschneider