Dr. Hildegard Hamm-Brücher berichtet im hier gezeigten Ausschnitt, wie sie von den Judendeportationen während des Zweiten Weltkriegs durch die Mitglieder der "Weißen Rose" erfuhr und wie sie auf die Flugblätter der Widerstandsgruppe reagierte.
Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:
Lebensgeschichtliches Zeitzeugeninterview mit Dr. Hildegard Hamm-Brücher, geführt am 10.01.1998 im Rahmen des Projekts Frauen in Bayern, über ihre Ausbildungsschwierigkeiten als "Halb-Jüdin" im "Dritten Reich", ihre Kontakte zur "Weißen Rose", das Kriegsende 1945, ihre Arbeit als Redakteurin bei der Neuen Zeitung in München und ihre Karriere als Politikerin ab 1948.
Biogramm
Geboren 1921 in Essen, Schulbesuch in Berlin, Dresden und Salem/Bodensee, Abitur am Realgymnasium Konstanz, 1939-1945 Chemiestudium in München mit erfolgreichem Vordiplom, Staats- und Doktorexamen, 1945-1948 wissenschaftliche Redakteurin der "Neuen Zeitung" in München, 1948 Mitglied der FDP, 1948-1954 Mitglied des Stadtrats in München, 1949-1950 Stipendium an der Harvard-Universität, USA, 1950-1966 Abgeordnete des Bayerischen Landtags, 1967-1969 Staatssekretärin im Hessischen Kultusministerium, 1969-1972 Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, 1970-1976 Abgeordnete des Bayerischen Landtags, ab 1973 stellv. Bundesvorsitzende der FDP, 1976-1990 Mitglied des Deutschen Bundestags, 1976-1982 Staatsministerin im Auswärtigen Amt, 1994 Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten, 2002 Austritt aus der FDP, 1. Vorsitzende der Stiftung Theodor-Heuss-Preis e.V., Mitglied des Kuratoriums "Stiftung Volkswagenwerk". 2016 ist Hildegard Hamm-Brücher in München verstorben.
Inhalte
Jugendzeit im "Dritten Reich": 1933 in Berlin-Dahlem, früher Tod der Eltern, Vater 1931, Mutter 1932 gestorben, bei Großeltern in Dresden aufgewachsen bis 1937, wegen Krankheit der Großmutter ins Internat, protestantisches Umfeld, nach "Nürnberger Gesetzen" als "Halb-Juden" abgestempelt, Ausschluss von Schwimm-Wettkämpfen, vom Landschulheim, Großmutter musste Ende der 1930er Jahre den Judenstern tragen, Haus beschlagnahmt, Beschränkung der Ausbildungsmöglichkeiten, Numerus clausus für Frauen, "Puddingabitur", Rollenbild der Frau: Ideal von Hausfrau und Mutter, Leben für den "Führer", Abitur 1939, Arbeitsdienst - Studium in München, Probleme bei der Immatrikulation, Dekan, Chemisches Staatsinstitut, Geheimrat Heinrich Wieland, 1927 Chemie-Nobelpreis, Trimester, 1940 bis 1943 Diplomexamen, Aufforderung zur Promotion, Störung der experimentellen Arbeit durch Bombenangriffe, Auslagerung nach Weilheim in die Realschule, Lungenentzündung, "Weiße Rose", Zwangsexmatrikulation, Wieland schützte H., Doktorexamen im März 1945, Prof. Gerlach, Prof. Klusius, Promotion wurde anerkannt - Das Rollenverständnis im "Dritten Reich": Chemie als forderndes Studium, von wenigen Frauen durchgehalten, größerer Respekt, Geld mit Nachhilfe für Medizinstudenten verdient, Physikum, bürgerliche Kultur hochgehalten, Klassik, Musik, Luftschutzwache, Unterschiede abgeschliffen - Bekanntschaft mit Mitgliedern der "Weißen Rose": Medizinstudenten in deutschen Lazaretten in Russland, Informationen über Judendeportationen, Erschießungen, Lager, Flugblätter, Häftlinge aus Konzentrationslager Dachau beim Trümmerräumen - Das Kriegsende 1945 in Starnberg, Vorbereitungen, Werwolf-Führerin forderte zum Widerstand auf, weiße Fahnen, Konditor Kufer machte Eis für Sieger und Besiegte, Glücksgefühl, Wieland, Wille zur politischen Betätigung - Der Wandel des Rollenverständnisses nach dem Krieg: Männer waren kaputt und abgerissen, Frauenwahlrecht von 1919, erste weibliche Abgeordnete, allerdings keine Ämter, Lernprozess nach 1945, Marie-Elisabeth Lüders, Louise Schröder, 1946 Kandidatur für den Münchner Stadtrat, 1948 gewählt, Ende der Kulturgeschichte der "Dame", Trümmerfrauen, Bewusstsein: Frauen mussten an den öffentlichen Dingen teilhaben - Mitarbeit bei der "Neuen Zeitung": amerikanische Leitung, deutsche Sprache, Hans Habe, Hans Wallenberg, amerikanischer Oberleutnant Max Kraus, Fragebogen, Artikel über Fritz Haber, naturwissenschaftliche Aufträge, Atombombe, Otto Hahn bei Doktorvater kennengelernt, zwischenzeitlich in England wie Butenandt, Weizsäcker, Artikel über Penizillin, DDT, Anfang 1946 als wissenschaftliche Redakteurin fest angestellt, Korrespondentin für Schulreform, Hochschulreform, Wiederaufbau, Bericht über französische Zone, Beilage "Forschung und Wissen", Sekretärin, Redaktion: Erich Kästner, Robert Lembke, Peter Boenisch, Talentschmiede, Trennung von Nachricht und Kommentar, Feature-Hintergründe, Typ einer demokratischen Zeitung - Reeducation und Entnazifizierung: politische Erziehung, Amerikahäuser, Auslandsstipendien für junge Lehrer, Spruchkammerverfahren: missglücktes Unternehmen, Fragebögen, "Persilscheine" besorgt, Seilschaft des Verdrängens und Vergessens, erste Gesetze im Bundestag: 1949 Amnestiegesetze, NS-Belastung von Hans Globke und Theodor Maunz als junge Landtagsabgeordnete aufgedeckt, Abhängigkeit in der Verwaltung von Belasteten - Der Beginn der politischen Karriere: Theodor Heuss, Artikel über Schulreform in Württemberg-Baden, Kultusminister Theodor Heuss, Interview, Elly Heuss-Knapp, Thomas Dehler, Kontakt mit Dehler, gleiches Arbeitslager wie Bruder in Thüringen, FDP, Stadtratskandidatur, mit Wasserfarben Plakate gemalt, Leim gekocht, gewählt worden, jüngste Stadträtin, 10 Minuten-Ansprache bei Radio München, Schicksal in die Hand nehmen, Arbeit als Stadträtin, Wiederaufbau, schwierige Situation der FDP, Josef Müller (CSU), überkonfessionelle Partei CSU, Alfred Loritz: Wirtschaftliche Aufbauvereinigung (WAV), Ablehnung der konfessionellen Durchdringung der Politik - Die Bedeutung der Konfessionen im Nachkriegsbayern: konfessionelle Machtpolitik, Fremdbestimmung durch katholische Kirche, Rückbesinnung auf christliche Werte - Politische Bewusstseinsbildung in den USA: Stipendium für Harvard, Bewerbung, Auswahlverfahren, Mitstudent Klaus Schütz, mit Truppentransporter gefahren, Land kennengelernt, Gastfreundschaft, billige Kleidung, "Parent Teacher Organization", Eltern-Lehrer-Zusammenarbeit, "League of Women Voters", Interessenvertretung von Frauen, Arbeitsgemeinschaft der Wählerinnen, Wahlkampf in Boston gegen korrupten Bürgermeister, Gegenkandidat Hines, fünf Jahre später wieder abgewählt, Machtwechsel als prägendes Erlebnis, Rassentrennung: Apartheidspolitik, Rückschlag in der Begeisterung für amerikanische Demokratie - Die politische Karriere in den 1950er Jahren, Landtagsabgeordnete, "Hamm-Brücher der einzige Mann im Bayerischen Landtag", Auseinandersetzung mit Kultusminister Alois Hundhammer (CSU): Prügelstrafen an Schulen, Verhältnis zur CSU, feindselige Stimmung im Laufe der Zeit, erste weibliche Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag 1970 bis 1976, Verlust des Fraktionsstatus: Telefon abgeschraubt, überfraktionelles Vorgehen der Frauen, Viererkoalition: SPD, BHE, FDP, Bayernpartei, Wilhelm Hoegner, Waldemar von Knoeringen (beide SPD), Erfolge der Koalition, Volksentscheid zur Schulwahl, 1950 keine Gleichberechtigung, keine Frauen in höheren Ämtern und Positionen, Studentenunruhen, Regierung Brandt: vier Frauen im Kabinett, Frauen bei den Münchner Philharmonikern, 1956 Heirat mit CSU-Stadtrat Dr. Hamm, innerfamiliärer Pluralismus - Die "Arbeitsgemeinschaft der Wählerinnen", Förderung von Kandidatinnen, Freda Wüsthoff, 1953 Ausscheiden der CSU-Frauen, demokratische Netzwerkidee, "Semmel-Initiative" im Landtag, Betrug bei Produktgrößen, "politischer Talentschuppen", Waldemar von Knoeringen, Wilhelm Ebert, Thomas Ellwein, Rudolf Schlichtinger, Gotthard Hasemann, überparteiliche Verständigung, Wiederaufrüstung, rechte Gegner in der FDP 1962, 17. Listenplatz, durch Wählerinitiative auf den 1. Platz vorgewählt - Das Engagement für die FDP in den 1960er und 1970er Jahren, Leitbild einer politischen Frau, Volksbegehren zur Änderung des Schulartikels 135, 1959, zweites Volksbegehren zusammen mit der SPD, Drei-Parteien-Kompromiss, 1966 nicht über 10%-Hürde gekommen, Staatssekretärin im Hessischen Kultusministerium, Bundesbildungsministerium in Bonn, Kandidatur im Landtagswahlkampf 1970, Walter Scheel, Prof. Leussink, Wahlerfolg, 1972 Bonner Amt aufgegeben, Fraktionsvorsitzende im Landtag, 1976 in den Bundestag gewählt, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Außenminister Hans-Dietrich Genscher, neue Weltsicht, Regierungswechsel 1982, Mitglied im FDP-Vorstand, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, polarisierende Frauen, "Perlenkettentyp", Macherin, 1971 bayerische Landessynode, Theologinnengesetz, Ordination von Frauen zum Amt des Pfarrers - Marie Schlei.
Daten
Interview: Georg Schmidbauer M.A.
Kamera: Georg Schmidbauer M.A.