Zeitzeugen berichten

P. Dr. Jörg Alt (SJ) katholischer Priester; Ordensgeistlicher (Societas Jesu); politischer Aktivist

Signatur
zz-2135.02
Copyright
Haus der Bayerischen Geschichte (Dr. Michael Bauer)
Referenzjahr
1986

Im hier gezeigten Ausschnitt beschreibt P. Dr. Jörg Alt (SJ), wie ihn 1986 sein Praktikum bei der Beratungsstelle für Asylsuchende der Caritas in Würzburg zu seinem politischen Einsatz gegen die Ungleichbehandlung von Flüchtlingen führte. Zudem spricht er von der Alternativlosigkeit der Flucht von vielen Asylsuchenden.

Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:

Journalistisches Zeitzeugeninterview mit Pater Dr. Jörg Alt (SJ), geführt am 27.05.2023 in Nürnberg, über seinen Beitritt zum Jesuitenorden, sein Engagement für eine sozial gerechtere und ökologisch nachhaltigere Welt, seine erfolgreiche Kampagne gegen Landminen, seine aktive Unterstützung von „Fridays for Future“ und der „Letzten Generation“, die mangelhafte Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche, die weitgehend fehlende Positionierung der katholischen Kirche zum Klimawandel sowie über Lobbyismus, systemische Sachzwänge und ein mangelndes Demokratieverständnis unter Politikerinnen und Politikern als Hauptgefahren für die politische Ordnung in Deutschland.

Biogramm

Jörg Alt wurde 1961 in Saarbrücken geboren. Bereits als Abiturient am Albert-Einstein-Gymnasium in Frankenthal, Pfalz, trat er 1981 in den Jesuitenorden ein. 1993 ließ er sich zum Priester weihen. Von 1983 bis 2001 studierte Alt mit Unterbrechungen Philosophie und Theologie in München und London. 2003 wurde er im Fachbereich Soziologie an der Humboldt Universität zu Berlin zum Dr. phil. promoviert.

1986-1988 war Jörg Alt bei der Beratungsstelle für Asylbewerber des Diözesan-Caritasverbands Würzburg tätig und gründete den Freundeskreis für ausländische Flüchtlinge im Regierungsbezirk Unterfranken. 1992-1995 übte er eine Halbtagsstelle als Kaplan in der Pfarrei St. Georg in Leipzig Gohlis aus und war daneben Ausländerbeauftragter für das Katholische Dekanat Leipzig; außerdem war er Mitarbeiter im Leipziger und Sächsischen Flüchtlingsrat. 1995-1997 übernahm er die Koordination des Bundesdeutschen Initiativkreises für das Verbot von Landminen. Anschließend führte er bis 1999 ein Forschungsprojekt zur Lebenssituation illegaler Migranten in Leipzig durch. 2000-2005 stellte P. Alt weitere Forschungen zum Thema illegale Migration an und beteiligte sich u.a. an der vom Münchner Stadtrat in Auftrag gegebenen Studie „Illegal in München“. 2004/05 war er Geschäftsführer des Katholischen Forums Leben in der Illegalität. 2005-2008 wirkte Alt als Kaplan in der Pfarrei St. Peter Claver in Punta Gorda, Belize, und forschte zu den Themen Globalisierung und illegale Migration in Belize und den USA. 2009-2018 initiierte und leitete er die Kampagne „Steuer gegen Armut – Finanztransaktionssteuer“. 2013-2018 beteiligte er sich am Forschungsprojekt „Steuergerechtigkeit & Armut“. Seit 2009 ist Jörg Alt als Hochschulseelsorger in Nürnberg und Mitarbeiter der „Jesuitenmission“ in den Bereichen Forschung, Networking und Advocacy tätig. 2022 wurde er Mitarbeiter im Ukama-Zentrum der Jesuiten für die sozial-ökologische Transformation in Nürnberg. Ab 2021 wurde er mehrmals verurteilt (u.a. wegen schweren Diebstahls, Nötigung, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr). Am 30.11.2023 verurteilte ihn das Amtsgericht Nürnberg wegen gemeinschaftlicher Nötigung im Zusammenhang mit einer Sitzblockade vor dem Nürnberger Hauptbahnhof zu einer Geldstrafe. Da er sich weigerte, diese zu zahlen, verbüßte er im April 2025 eine 25-tägige Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA Nürnberg.

Inhalte

Geboren 1961 – Weiterentwicklung der Ziele des Jesuitenordens von der Ordensgründung durch Ignatius von Loyola bis zur Generalversammlung 1974 – Gründe für das frühe Interesse am Jesuitenorden im Alter von 20 Jahren – Differenzierte Sicht auf den Zölibat und das Leben in einer Ordensgemeinschaft – Gründung des „Zentrums für Sozial-Ökologische Transformation“ mit Unterstützung des Jesuitenordens zur Bekämpfung des globalen Klimawandels in Nürnberg – Bedeutung der Begriffe "Ubuntu" und "Ukama" aus der Shona-Sprache – Ernst Blochs Konzept der „Konkreten Utopie“ und die heutige Umsetzung einer sozial gerechteren und ökologisch nachhaltigeren Welt – Kritik am Neoliberalismus und Plädoyer für die Katholische Soziallehre und eine gemeinwohlorientierte Marktwirtschaft – Wirtschaftskritik von Papst Franziskus – Kritik am exponentiellen Wirtschaftswachstum im Globalen Norden – Praktikum bei der Beratungsstelle für Asylbewerber der Caritas 1986 als Auslöser für Alts politischen Einsatz für Geflüchtete – Kindheitserfahrungen – Beteiligung an der Aktion „Essen retten, Leben retten“ von der "Letzten Generation" ("Containern") – Juristische Bewertung des "Containern" und die Sozialpflichtigkeit von Eigentum – Missachtung der öffentlichen Mehrheitsmeinung durch die Politik im Hinblick auf Verringerung der Lebensmittelverschwendung und der Einführung eines Tempolimits – Appell zum Konsum innerhalb ökologisch vertretbarer Grenzen – Gründe für sein Engagement gegen soziales Unrecht – Alts erfolgreicher Kampf gegen den Einsatz von Landminen – Probleme bei der Finanzierung der Sozial-Ökologischen Transformation in Deutschland – Gescheiterte Kampagne für eine Finanztransaktionssteuer – Kontakt zu „Fridays for Future“ in Nürnberg – Erarbeitung eines Plans zur Klimaneutralität Nürnbergs im Rahmen der Kommunalwahlen 2020 in Bayern – Entwicklung von „Fridays for Future“ – Corona-Pandemie als Einschnitt für junge Menschen – Lob für den politischen Umgang mit der Corona-Pandemie in Deutschland – Weit verbreitete Ignoranz der drohenden Gefahr durch die Klimakrise – Lobbyismus als Gefahr für die Demokratie – Lob des „Bürgerrats Klima“ – Systemische Sachzwänge als Grund für politische Missstände in Deutschland – Kritik an der fehlenden Christlichkeit der CSU – Mediale Darstellung von „Fridays for Future“ und der „Letzten Generation“ – Gründe für die Aktionen der „Letzten Generation“ – Bedeutung der Sozialen Medien für Informationsverbreitung – Einstellung des Jesuitenordens zu Alts Aktivismus und Folgen von Alts Außenwahrnehmung für den Jesuitenorden – Kritik an der mangelhaften internen Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche – Einsatz für ein glaubwürdiges Christentum – Einstellung zum Synodalen Weg – Annäherung als Geistlicher an Klimaaktivisten durch Sachthemen – Bedeutung der Positionierung der Kirche im Kampf gegen den Klimawandel – Kritik an der ausbleibenden Positionierung deutscher Bischöfe zum Klimawandel – Freundschaft zum Klimaaktivisten Henning Jeschke und Lob für dessen Einsatz für den Globalen Süden – Motivation zur Teilnahme an Straßenblockaden der „Letzten Generation“ – Unterstützung der symbolgeladenen Aktionen der „Letzten Generation“ gegen Kunstwerke – Bewunderung für den überlegten und gewaltfreien Protest der „Letzten Generation“ – Wut über die bundesweiten Razzien gegen die „Letzte Generation“ im Mai 2023 – Internationale Berichterstattung über die "Letzte Generation" im Rahmen der bundesweiten Razzien – Mangelnde Kritikfähigkeit deutscher Politiker – Einstellung zur Demokratie in Deutschland – Appell für einen schnellen, sozial gerechteren und ökologisch nachhaltigeren Wirtschafts- und Gesellschaftswandel.

Daten

Art:
Journalistisches Zeitzeugeninterview
Dauer:
1:15 h
Aufnahmedatum:
27.05.2023
Sprache:
deutsch
Aufnahmeteam:

Interview: Dr. Michael Bauer

Kamera: Thomas Rothneiger