Zeitzeugen berichten

Sr. Hermana (Frieda) Baur Ordensschwester in Maria Stern in Augsburg

Signatur
tobre-014.01
Copyright
Haus der Bayerischen Geschichte (Dr. Heike Bretschneider)
Referenzjahr
1945

Im hier gezeigten Ausschnitt berichtet Sr. Hermana, wie sie das Kriegsende 1945 in Augsburg erlebte (nur Ton).

Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:

Thematisches Interview der Journalistin und Historikerin Dr. Heike Bretschneider mit Schwester Hermana, geführt 1981, über ihre Kindheit und Jugend in Pfersee, ihre Ausbildung zur Lehrerin, den Eintritt in das Kloster Maria Stern in Augsburg und ihre Tätigkeit als Ordensschwester während der Zeit des Nationalsozialismus, den schweren Luftangriff auf Augsburg 1944, die Friedensbewegung in Augsburg und die Notzeit nach Kriegsende 1945. In einem ergänzenden Teil des Interviews geht es kurz um die Kontakte Sr. Hermanas zum sozialdemokratischen Widerstand in Augsburg (nur Ton).

Biogramm

Frieda Baur wurde 1900 in Pfersee bei Augsburg geboren. Ihr Vater war einfacher Arbeiter. Sie ging auf die Klosterschule von St. Elisabeth. Als Schülerin erlebte sie 1918 die Revolution in Augsburg. Mit 19 Jahren machte sie ihr Examen an der Lehrerinnen Bildungsanstalt, es folgte in Nördlingen eine vierjährige Ausbildung bis zum Staatsexamen. Mit 19 Jahren trat sie in das Kloster Maria Stern ein. 1920 legte sie ihre Ordensgelübde (Profess) ab und erhielt den geistlichen Namen Hermana. 1925 kam sie als Lehrerin nach St. Elisabeth. 1936 erging die Anweisung, die höhere Mädchenschule zu schließen. Klösterliche Lehrkräfte durften nicht mehr unterrichten, so wurde Schwester Hermana Pförtnerin und übernahm dazu die „Mehlsorge“. Während des Zweiten Weltkriegs übernahm sie die Pflege verwundeter deutscher Soldaten in St. Georg in Augsburg. Bei Kriegsende 1945 baute sie in St. Elisabeth eine Art Volksküche auf, in der rückwandernde Soldaten ebenso versorgt wurden wie Vertriebene und Flüchtlinge, Ausgebombte und andere Hilfsbedürftige. Die Lebensmittelspenden kamen aus dem Umland, aus Augsburger Geschäftskreisen und vom Bischof. Schließlich unterstützten auch amerikanische Militärküchen. Später begann Sr. Hermana wieder als Lehrerin zu arbeiten. Bis zu einem schweren Unfall 1973 unterrichtete sie Deutsch, Geschichte, Biologie und Mathematik. Anschließend sammelte sie Spenden für Kinderheime und Schulen ihres Ordens in Brasilien. 1971 wurde Sr. Hermana mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 1982 ist sie in Augsburg verstorben.

Inhalte

tobre 013:

Frieda Bauer wurde am 1. Mai 1900 in Pfersee, einem Vorort von Augsburg, geboren, ihr Vater war ein einfacher Arbeiter. In ihrer Kinderzeit wurde in Pfersee eine neue Kirche gebaut, sie und ihre Freundinnen bettelten jeden Sonntag für deren Neubau Pfennige zusammen. Frieda Bauer ging auf die Klosterschule von St. Elisabeth. Als Schülerin erlebte sie 1918 die Revolution in Augsburg, damals hörte sie auch einen Vortrag von Rosa Luxemburg. Mit 19 Jahren machte sie ihr Examen an der Lehrerinnen Bildungsanstalt, es folgte in Nördlingen eine vierjährige Ausbildung bis zum Staatsexamen. Mit 19 Jahren trat sie in das Kloster ein und erhielt den geistlichen Namen Hermana. 1925 kam sie als Lehrerin nach St. Elisabeth. Es war die Zeit der großen Arbeitslosigkeit, viele ihrer Schülerinnen waren bitterarm. Die Schwestern von Maria Stern versuchten auch materiell zu helfen, wo es ging. 1936 kam die Anweisung, die höhere Mädchenschule zu schließen. Klösterliche Lehrkräfte durften nicht mehr unterrichten, so wurde Schwester Hermana Pförtnerin und übernahm dazu die „Mehlsorge“.

tobre 014:

In der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1944 wurde Augsburg zum Ziel eines schweren Luftangriffs durch amerikanisch-britische Bomberverbände. In St. Elisabeth waren zwei Stockwerke für Krankenstationen belegt worden. In jener Nacht brachten die Nonnen die Kranken in den Dom. Anschließend lief Schwester Hermana durch die brennende Stadt, um Verwundeten zu helfen. In der ehemaligen Schulküche begann sie, für die vielen Obdachlosen zu kochen. Daraus wurde bald eine Art städtische Kantine, in der einige hundert Essen täglich gekocht wurden. Schwester Hermana organisierte die Lebensmittel und fuhr sie mit dem Leiterwagen heran. Als der Krieg zu Ende war, kamen viele Flüchtlinge noch dazu. Die Schwestern waren froh, dass sie sich von den Amerikanern die Essensreste holen durften. Schwester Hermana spricht über die letzten Kriegstage 1945. St. Elisabeth wurde quasi das Quartier der Friedensbewegung. Toni Kaiser überredete junge Burschen vom Volkssturm, sie sollten Augsburg nicht verteidigen, sondern desertieren. In St. Elisabeth konnten sie sich verstecken und erhielten Zivilkleider. Schwester Hermana berichtet über die Versorgung der Flüchtlinge nach dem Krieg.

tobre 015:

In der Schule St. Georg waren die verwundeten deutschen Soldaten untergebracht, deren Verpflegung organisierte Schwester Hermana. Die Großküche bestand bis zum Jahre 1958. Hermana begann wieder als Lehrerin zu arbeiten. Im Kloster wurden Mädchen für Hauswirtschaft ausgebildet und fanden Grundlehrgänge für soziale Berufe statt. Sie unterrichtete bis 1973 auch noch Deutsch und Mathematik. Nach einem schweren Unfall wurde sie, wie sie sagt, „im Hauptberuf Beterin“ und versuchte, unter ihren ehemaligen Schülerinnen Spenderinnen für Kinderheime und Schulen ihres Ordens in Brasilien zu finden.

tobre 114:

Nach der Machtübernahme 1933 mussten alle Spendenaktionen über das Winterhilfswerk abgewickelt werden. Die Schwestern erhielten die Aufforderung, sich entweder für ihren Lehrerinnenberuf oder für das Kloster zu entscheiden. Zunächst wurde die höhere Mädchenschule von Maria Stern geschlossen, 1941 dann auch die Mittelschule. Schwester Hermana wurde Pförtnerin und organisierte die Lebensmittel für die Gemeinschaft. Sie spricht kurz über die ersten Kontakte zu den Sozialdemokraten Eugen Nerdinger und der Familie Bebo Wagers, die für die Widerstandsgruppe „Neu Beginnen“ gearbeitet hatten und im Frühjahr 1942 verhaftet worden waren. Bebo Wager wurde am 13. August 1943 hingerichtet. Schwester Hermana, Monsignore Josef Kunstmann und der Standortpfarrer Harder versuchten, über Beziehungen Eugen Nerdinger und seine Familie zu unterstützen und zu schützen.

Daten

Art:
Thematisches Interview (nur Ton)
Dauer:
ca. 1,5 h
Aufnahmedatum:
01.11.1981
Sprache:
deutsch
Aufnahmeteam:

Dr. Heike Bretschneider (Interview und Ton)