Zeitzeugen berichten

Anni Kaltenbacher Weißnäherin, Versicherungsangestellte

Signatur
tobre-021.02
Copyright
Haus der Bayerischen Geschichte (Dr. Heike Bretschneider)
Referenzjahr
1941

Im hier gezeigten Ausschnitt berichtet Anni Kaltenbacher, wie sie 1941 zu einer Arbeitsstelle als Schreibkraft bei der Deutschen Automobil Schutz AG (DAS) kam.

Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:

Thematisches Interview der Journalistin und Historikerin Dr. Heike Bretschneider mit Anni Kaltenbacher, geführt 1979, über den kommunistischen Widerstand im "Dritten Reich", die illegale Tätigkeit ihres Mannes Johann Kaltenbacher und dessen Internierung im KZ (nur Ton).

Biogramm

Anni Kaltenbacher wurde 1906 in München geboren und stammte aus einer katholischen Familie. Ihre Mutter starb, als sie sechs Jahre alt war. Zum Entsetzen ihres Vaters, eines kleinen Beamten, heiratete sie 1925 den Kommunisten Hans Kaltenbacher. Mit ihm hatte sie eine Tochter, Hanni. Wegen illegaler kommunistischer Betätigung wurde ihr Mann zwei Mal verhaftet, 1933 und 1935 und kehrte erst 1945 nach Hause zurück. Nach der Verhaftung ihres Mannes wurde ihr die Wohnung gekündigt. Da sie außer einer geringfügigen Invalidenrente über keine ausreichende Sozialhilfe verfügte, musste sie lange Zeit Hunger leiden und war chronisch unterernährt. Von 1941 bis 1945 arbeitete Anni Kaltenbacher als Schreibkraft bei der DAS in München.

Inhalte

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Anni Kaltenbacher, Jahrgang 1906, stammte aus einem streng katholischen Elternhaus. Zum Entsetzen ihres Vaters heiratete sie den Kommunisten Johann Kaltenbacher. Sie selbst hat sich nicht für Politik interessiert. Bereits im Frühjahr 1933 wurde Johann Kaltenbacher verhaftet. Von der Wohnbaugenossenschaft erhielt sie die Aufforderung, sich scheiden zu lassen. Als sie das Ansinnen ablehnte, wurde ihr gekündigt. Nach langem Suchen fand sie wieder eine kleine Wohnung. 1934 wurde Johannes Kaltenbacher entlassen. Sein alter Chef, der Inhaber der Firma Rank, stellte ihn wieder als Elektriker ein. Kaltenbacher war sofort wieder im Widerstand tätig und gab u.a. das Flugblatt „Mord im Gewerkschaftshaus“ heraus. Anni Kaltenbacher wusste von der neuen illegalen Tätigkeit nichts. Ihr Mann wurde erneut verhaftet und erhielt 2 ½ Jahre Zuchthaus, in Kaisheim war er interniert. Anni Kaltenbacher schrieb an den Zuchthausdirektor, dass sich ihre Tochter zur Firmung nichts anderes wünsche, als ihren Vater zu besuchen. Ihre Tochter Hanni erhielt die Erlaubnis. Sie selber konnte ihn nach 8 Jahren des erste Mal am Zaun des Lagers Haunstetten sehen. Eine Frau, die die Paketpost ins Lager brachte, hatte dieses kurze Treffen organisiert. Als Johannes Kaltenbacher in das Lager Leonberg verlegt wurde, fuhren seine Frau und Tochter ohne Besuchserlaubnis hin. Der Lagerführer, ein SS-Mann, hatte Mitleid und Anni Kaltenbacher konnte sogar eine Nacht mit ihrem Mann in einer Baracke allein sein.

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Nach der Verhaftung ihres Mannes bekam Anni Kaltenbacher eine Unterstützung vom Wohlfahrtsamt von 30 Mark und weil sie so unterernährt war, erhielt sie noch eine Invalidenrente von 21 Mark. Ihr Vertrauensarzt hatte Mitleid mit ihr und besorgte ihr eine Stelle als Schreibkraft bei der DAS (Deutsche Automobil Schutz AG). Der Prokurist der DAS war eingeweiht. Als sie nicht mit „Heil Hitler“ grüßte, wurde sie zum Direktor bestellt. Auch er zeigte Verständnis für sie und erzählte ihr von seinen Schwierigkeiten, da er eine jüdische Urgroßmutter hatte. In der Zeit, als sie nur von der Unterstützung leben musste, bekam sie alte Kleidung geschenkt, die sie für das Kind und sich umänderte. Genossinnen und Genossen von der Roten Hilfe sammelten für sie. Das Büchlein mit den Namen der Spender fand die Gestapo, etliche Frauen und auch Anni Kaltenbacher wurden verhaftet, aber bald wieder entlassen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kam Johannes Kaltenberger 1945 im Sträflingsanzug nach Hause.

Daten

Art:
Thematisches Interview (nur Ton)
Dauer:
ca. 1 h
Aufnahmedatum:
16.01.1979
Sprache:
deutsch
Aufnahmeteam:

Dr. Heike Bretschneider (Interview und Technik)