Zeitzeugen berichten

Alfred Eckert Widerstandsaktivist; Grafiker; Freiballonfahrer

Signatur
tobre-214.01
Copyright
Haus der Bayerischen Geschichte (Dr. Heike Bretschneider)
Referenzjahr
1934

Im hier gezeigten Ausschnitt beschreibt Alfred Eckert, wie ab 1934 der Kreis der Widerstandsaktivisten der "Revolutionären Sozialisten" kleiner wurde und welche Taktik sie anwendeten, um möglichst lange unentdeckt zu bleiben.

Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:

Thematisches Doppelinterview der Journalistin und Historikerin Dr. Heike Bretschneider mit Alfred Eckert und Karl Eichleiter, aufgenommen im März 1993 in Augsburg, über den Widerstand der "Revolutionären Sozialisten" im "Dritten Reich".

Biogramm

Aquarellmaler und Grafiker. Im "Dritten Reich" Mitglied der von Bebo Wager geleiteten sozialdemokratischen Widerstandsgruppe der „Revolutionären Sozialisten“ in Augsburg. Zählte mit über 1.000 Starts, der ersten Totalüberquerung der Alpen (Augsburg-Genua) und zwei Überquerungen des Ärmelkanals weltweit zu den besten Freiballonfahrern. Initiator des Gersthofer Ballonmuseums sowie Autor und Herausgeber luftfahrtbezogener Literatur. Wurde als erster Deutscher für seine Verdienste um den Ballonsport von der Fédération Aéronautique International (FAI) mit deren höchsten Auszeichnung – dem Diplom Montgolfier – geehrt. Engagierte sich in Augsburg für den freien Rathausplatz und den Erhalt des Zeughauses. Gründungsmitglied der Alt-Augsburg-Gesellschaft. Träger des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und der Verdienstmedaille der Stadt Gersthofen. Großer sozialer Einsatz für die Pestalozzi-Kinderdörfer, die er durch seine Idee der „Christkindl-Ballonpost“ unterstützte. (Vgl. Augsburger Stadtlexikon)

Inhalte

tobre Nr. 213: 

Alfred Eckert und Karl Eichleiter stammen aus sozialdemokratischen Familien.

Karl Eichleiter:

Karl Eichleiters ältester Bruder Fritz war vor 1933 Stadtrat in Augsburg und wurde gleich nach dem 30. Januar 1933 für kurze Zeit festgenommen, im Krieg wurde er erneut verhaftet und kam für Monate ins Konzentrationslager Dachau. Auch sein zweiter Bruder war in Dachau. Er hat über seine schrecklichen Erlebnisse erst nach 1945 gesprochen. 

Karl Eichleiter spricht über seine Mutter, die eine einfache und sehr tapfere Frau war.

Als er sich zum Widerstand entschloss, wusste er worauf er sich einließ. Er betont: „die Angst war mein stetiger Begleiter.“

Er spricht über seine Enttäuschung, dass seine Widerstandstätigkeit nach 1945 nicht genug gewürdigt wurde.

Alfred Eckert:

Nach dem theoretischen Konzept der „Revolutionären Sozialisten“ befragt, antwortet er, der Name hätte ihn schon immer gestört, „demokratische Sozialisten“ hätte er für richtiger gefunden.

Alfred Eckert hat in den 1980er-Jahren ein Buch über den sozialdemokratischen Widerstand in Augsburg geschrieben und dieses an verschiedene SPD Politikerinnen und Politiker geschickt, aber es gab kaum Resonanz.


tobre Nr. 214:    

Karl Eichleiter:

Nach dem 30. Januar 1933 hat sich die Augsburger SAJ-Gruppe um Bebo Wager regelmäßig in Wagers Haus in der Reichensteinstraße 34 getroffen, um die politische Lage zu besprechen und den Kontakt aufrechtzuerhalten.

Es wurden Berichte über die politische Situation und die militärische Aufrüstung gesammelt und von Bebo Wager und Eugen Nerdinger an den Grenzsekretär Waldemar von Knoeringen in Neuern in der Tschechoslowakei geschmuggelt.

Bis 1934 hatten er und seine Freunde die Hoffnung, dass das „Dritte Reich“ bald wieder zusammenbrechen würde.

Alfred Eckert: 

Nach 1934 schrumpfte der Kreis um Bebo Wager und Eugen Nerdinger auf ungefähr acht Genossen. Aus Vorsicht ging man dann zu einer anderen Taktik über, nur je zwei oder drei Personen hielten untereinander die Kontakte im Widerstand.

Ungefähr 1936/37 nahm Alfred Eckert auf Anraten Bebo Wagers Kontakt zu Hermann Frieb in München auf. Sie trafen sich zu einem ersten Gespräch im Botanischen Garten in München.

Frieb stand damals schon in Verbindung mit den österreichischen Revolutionären Sozialisten in Wörgl und Salzburg. Zwei weitere Male traf Alfred Eckert Hermann Frieb am Hauptbahnhof.

1938 übernahm Alfred Eckert die Aufgabe, die Lageberichte für Waldemar von Knoeringen zu fotografieren. Er war damals Abteilungsleiter bei Messerschmitt und konnte so die Reproverkleinerungen im Werk herstellen. Alfred Eckert betont, Werkspionage aber hätte er nie betrieben.

Eckert wurde im Krieg eingezogen und kam nach Frankreich zu einer Alarmeinheit der Flak.

Dort erreichte ihn die verschlüsselte Nachricht seiner Mutter von der Verhaftung der Revolutionären Sozialisten in Südbayern und Österreich. Eckert wurde an der Front verhaftet und in das Gestapogefängnis nach Paris gebracht. Die Luftwaffe hatte damals noch eigene Gerichtshoheit. Eckerts Kommandeur, der kein Nationalsozialist war, schaffte es, dass ihn der Gerichtsoffizier nach vier bis sechs Wochen aus dem Gestapogefängnis abholen konnte. Er bekam dann ein Kurzverfahren wegen Nichtanzeige einer staatsfeindlichen Gruppe und das Verfahren wurde bis zum Kriegsende eingestellt. Bei den Vernehmungen der Gestapo in Paris hatte er aber gespürt, dass keiner seiner Freunde im Widerstand Namen verraten hatte.

Karl Eichleiter:  

Als einer der Letzten aus der Gruppe wurde Karl Eichleiter 1942 verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis Augsburg eingeliefert. Bei den Vernehmungen hat er keinen seiner Genossen verraten. Aber auch Hermann Frieb und Bebo Wager schwiegen und so wurde Karl Eichleiter im Herbst 1943 vom Oberlandesgericht München freigesprochen.

Daten

Art:
Thematisches Gruppeninterview (Ton)
Dauer:
ca. 0,45 h
Aufnahmedatum:
12.02.2025
Sprache:
deutsch
Aufnahmeteam:

Interview: Dr. Heike Bretschneider

Technik: Dr. Heike Bretschneider