Im hier gezeigten Ausschnitt spricht Christine Umpfenbach darüber, dass viele "Gastarbeiter" ihre Entscheidung nach Deutschland zu gehen, nach der Ankunft zunächst bereut haben mögen, später aber positiv bewertet haben. Außerdem erzählt sie darüber, wie die Präsenz der "Gastarbeiter" Deutschland veränderte.
Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:
Thematisches Zeitzeugeninterview mit Christine Umpfenbach, aufgenommen am 17.01.2013 in München im Rahmen der Dokumentation des Theaterstücks GLEIS 11, über ihre Ausbildung als Theaterregisseurin, die Inszenierung des Theaterstücks GLEIS 11, die Arbeit mit Zeitzeugen als Darstellern und den gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema Migration.
Biogramm
Christine Umpfenbach wurde 1971 in München geboren und studierte Bühnenbild an der Kunsthochschule Berlin Weißensee und Regie am Goldsmiths College London. Sie arbeitet heute als Regisseurin im Bereich Dokumentartheater. Dabei stehen die Mitwirkenden und ihre Lebenserfahrungen im Mittelpunkt. Themenschwerpunkte sind Migration, Arbeit und Stadt. Christine Umpfenbach leitete das Obdachlosentheater RATTEN 07 (2000-2002) an der Volksbühne in Berlin. An Theaterprojekten realisierte sie u.a. LET'S GO WEST in Wismar (2003), ENDSTATION WEST (2006), WIN-PLACE-SHOW (2008) und 3 JAHRE MUSTEREHE (2011) in München und ICH WILL MAL REICH SEIN, ABER DAS IST HALT KEIN BERUF (2011) am Theater Freiburg. Seit 2006 arbeitet sie kontinuierlich an den Stadtprojekten der Münchner Kammerspiele mit, zunächst als Regisseurin: Für BUNNYHILL 2 eröffnete sie eine Senioren-WG in der Sendlingerstraße, bei DOING IDENTITY erarbeitete sie die Serie FLUCHTEN 1-4 mit Menschen, die biografisch oder berufsbedingt mit dem Thema FLUCHT verbunden waren. Seit 2009 war sie neben ihrer Regietätigkeit auch im Leitungsteam der Stadtprojekte HAUPTSCHULE DER FREIHEIT und MUNICH CENTRAL. 2010-2012 inszenierte sie das Theaterstück GLEIS 11. 2014 führte sie am Münchner Residenztheater Regie in "Urteile", einem Stück, das sich mit den Morden des NSU in München auseinandersetzt.
Inhalte
Studium als Bühnenbildnerin in Berlin an der Kunsthochschule Weißensee – ein Jahr Regie-Studium in London am Coldsmiths College – schon früh Interesse an der Arbeit mit Zeitzeugen – 2000-2002 Arbeit an der Volksbühne in Berlin – mit Antje Wenningmann Leitung des Obdachlosentheaters RATTEN 07 – 2-3 Theaterstücke im Jahr entwickelt – bevorzugte Arbeit ganz nah an der Realität, an Lebensplätzen der Obdachlosen – ab 2003 Arbeit als freiberufliche Regisseurin – Lebenswelten der Stadt als Ausgangspunkte für Theaterstücke, z.B. in Wismar die massenhafte Abwanderung in den Westen – Umzug nach München und ab 2006 Verwirklichung mehrerer Stadtprojekte bei Frank Baumbauer bei den Münchner Kammerspielen – Idee zu GLEIS 11 ging vom Ort, dem Bunker unter Gleis 11 am Münchner Hauptbahnhof, aus – schon vor GLEIS 11 mit dem Bunker bei anderen Stadtprojekten, z.B. MUNICH CENTRAL 2010, in Berührung gekommen – Bunker als Dreh- und Angelpunkt für die Weiterleitung der „Gastarbeiter“ – monatelange Recherchearbeit im Vorfeld des Theaterstücks, Suche nach Menschen, die mit dem Bunker in Berührung kamen, „Gastarbeiter“, Dolmetscher, Mitarbeiter von sozialen Verbänden und Organisationen etc. – Zuschauer sollten bei GLEIS 11 den Moment des Ankommens der "Gastarbeiter" nachvollziehen können – kein fertiger Plan für das Stück im Vorfeld, Themen wurden in Zusammenarbeit mit den Darstellern erarbeitet – Zeitzeugen mussten Vertrauen fassen, damit sie sich trauten, vor Publikum aufzutreten – Veränderung des Blicks auf die eigene Geschichte der Zeitzeugen durch das Theaterstück – Assoziation der ankommenden Züge mit den Transporten in die Konzentrationslager – „Gastarbeiter“ hatten das Gefühl, nicht erwünscht zu sein (Bunker) – Münchner Kammerspiele hatten davor schon einige Projekte außerhalb des Theaters verwirklicht – Aufbau und Struktur des Stückes an damalige Situation angelehnt – Zuschauer nahmen Rolle des ankommenden „Gastarbeiters“ ein, sollten die Gefühle nachvollziehen können – Aufteilung der Zuschauer auf einzelne Räume, wo Zeitzeugen kleine Szenen spielten – Zuschauer sahen bei einem Besuch nur 4 von 9 Räumen – Nacherleben von historischen Ereignissen am eigenen Leib – Beschreibung der einzelnen Räume und der Themen, z.B. interkulturelle Ehen, Zurücklassen der Kinder, Perspektiven der einzelnen Generationen, deutsche Perspektive – schockierender erster Eindruck im Bunker – Bedeutung der eigenen Geschichte wurde den Zeitzeugen erst im Verlauf der Vorbereitung klar – Zuschauer musste Prozesse mitmachen, konnte sich nicht vom Stück distanzieren – Sprache als Teil der Geschichte – Zeitzeugen an einem Original-Ort zu treffen, war Kern des Stücks – Aufbau einer engen Gemeinschaft mit den Darstellern durch die lange Arbeit am Stück – Darsteller entwickelten wachsenden Stolz auf eigene Geschichte – Zuordnung von Zeitzeugen zu Themen durch Interviews – Verbindung von Fiktion und Dokumentarischem – Bedeutung des Dokumentartheaters – Arbeitsprozess bis zur Aufführung sehr wichtig – neue Betrachtung der Migrationsgeschichte als Ziel – keine rein historische Aufarbeitung, individuelle Geschichten im Vordergrund – unterschiedliche Reaktionen der Zuschauer – Nähe des Publikums zu den Zeitzeugen wichtig – Zuschauer bekamen anderen Blick auf die Geschichte der „Gastarbeiter“ – Trennung der Kinder von den Eltern das Schockierendste – „Gastarbeiter“ als Bereicherung für Deutschland – zeitlose Relevanz des Stücks – Erkenntnisprozess beim Zuschauer – im Theater breitere Darstellungsmöglichkeiten als z.B. für Historiker – große Bedeutung von GLEIS 11 für sie als Regisseurin – Auswahl der Darsteller – Verfremdungseffekte, um der Wahrheit näher zu kommen – positive Rückmeldungen von Zuschauern.
Daten
Interview: Georg Schmidbauer M.A.
Kamera: Georg Schmidbauer M.A.