Zeitzeugen berichten

Dr. Anton Bosch Diplomingenieur; Historiker; aus Russland stammender Bundesbürger

Signatur
zz-1967.01
Copyright
Haus der Bayerischen Geschichte (Georg Schmidbauer M.A.)
Referenzjahr
1973

Im hier gezeigten Ausschnitt berichtet Dr. Anton Bosch über die Lebenssituation der Russlanddeutschen in Kasachstan, das dortige Verbot religiöser und kultureller Vereine sowie über die Risiken seines Entschlusses, nach Deutschland zu emigrieren.

Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:

Lebensgeschichtliches Zeitzeugeninterview mit Dr. Anton Bosch, aufgenommen am 09.11.2019 in Nürnberg, über seine Kindheit als Russlanddeutscher in der Ukraine, seine Erlebnisse während der Zwangsaussiedlung seiner Familie während des Zweiten Weltkriegs, die anschließende Deportation nach Sibirien, seine Zeit in Kasachstan, den Entschluss, nach Deutschland zu emigrieren, den Prozess der Integration und seine berufliche Karriere in Deutschland, sein politisches und kulturelles Engagement sowie über den schwindenden Bezug zu seiner alten Heimat.

Biogramm

Anton Bosch wurde 1934 in einer deutschen Siedlung in der heutigen Ukraine geboren. Als Kind erlebte er den beschwerlichen Weg als Administrativ-Umsiedler 1944 nach Westen und wurde 1945 mit seinen Eltern in die Wälder Udmurtiens/Oberes Wolga-Abfluss-Gebiet (Russland) zwangsrepatriiert. Anton Bosch musste den erniedrigenden Sondersiedler-Status erleben. Nach seinem Wohnortwechsel 1961 nach Karaganda/Kasachstan konnte er sich als Ingenieur behaupten und schloss im Abendstudium das Polytechnikum ab. 1974 siedelte er nach Deutschland über und war bis 1997 in einer Elektrofirma tätig. Dr. Anton Bosch engagierte sich stark in der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland. Im Rentneralter schloss er ein historisches Studium ab mit einer Magisterarbeit über einen katholischen Pfarrer von der Wolga und sein Schicksal im Stalinismus. 2006 promovierte er zum Thema: „Der Untergang der Russlanddeutschen im Siedlungsgebiet Odessa-Nikolajew unter dem Sowjetsystem vor 1939“ an der Universität Erlangen-Nürnberg. 1999 war er Gründer und dann langjähriger Vorsitzender des „Historischen Forschungsvereins der Deutschen aus Russland“ e.V. mit Sitz in Nürnberg.

Inhalte

Geboren 1934 – Kindheit in der deutschen Siedlung Kandel in der Ukraine – Ansiedelung der Vorfahren 1808 – Einmarsch sowjetischer Soldaten in Kandel 1939 – Umstellung des Sprachunterrichts von Deutsch auf Russisch und Ukrainisch – Besetzung des Dorfes durch rumänische Truppen 1941 – Bombardement durch deutsche Luftstreitkräfte – Neuorganisation des Dorfes unter deutscher Besatzung – Zwangsaussiedlung der Einwohner nach Westen im Frühjahr 1944 – Marsch durch Rumänien und Ungarn – Einquartierung in einem Durchgangslager in Lodz – Neuansiedelung im Warthegau – Flucht nach Westen nach dem Durchbruch der sowjetischen Truppen im Sommer 1944 – Ankunft in Weißenburg im Februar 1945 – Verbringung in ein sibirisches Arbeitslager durch sowjetische  Truppen – Dauerhafte Ansiedelung auf dem Gebiet des Arbeitslagers – Zulassung zum Studium an einem Abendgymnasium unter beständiger Aufsicht – Kontakt mit dem in Oberbayern lebenden Vater – Befreiung der Russlanddeutschen im Zuge der Verhandlungen Konrad Adenauers 1955 – Stelle als Elektromeister – Heirat und Umzug nach Karaganda in Kasachstan 1961 – Entschluss in den Westen zu ziehen 1973 – Migration nach Nürnberg 1974 – Lebensumstände der deutschen Minderheit in Kasachstan – Stigmatisierung der Deutschen als Faschisten in Russland – Wertschätzung des Fleißes der deutschen Arbeiter in Kasachstan – Verbot  kultureller Vereine und religiöser Gemeinden – Ursprung des Wunsches der Migration nach Deutschland durch den Kontakt mit dem Vater – Persönliches Bild von Deutschland – Vorstellungen von Bayern – Beschäftigung als Techniker in einem Weinbau-Sowchose-Technikum – Fristlose Entlassung aufgrund des Wunsches auszuwandern – Bürokratische Erfordernisse für die Genehmigung der Auswanderung – Zugfahrt von Moskau nach Hannover – Ankunft in Friedland – Aufnahmeprozedur in Deutschland – Ankunft in Nürnberg am 2. Mai 1974 – Teilnahme an einem Sprachkurs an der Ludwig-Maximilians-Universität München – Anstellung bei der Kraftwerksunion – Tätigkeit in einer Siemens-Elektrofirma in Nürnberg – Eintritt in die Rente 1997 – Probleme bei der Orientierung innerhalb der neuen gesellschaftlichen Umwelt – Kauf und Renovierung eines Hauses – Berufliche Tätigkeit der Ehefrau – Schulischer und beruflicher Werdegang der Kinder – Partnerschaften der Kinder zu Einheimischen – Selbstwahrnehmung als Deutscher während des Integrationsprozesses – Verhältnis zu den Arbeitskollegen – Politisches Engagement – Thematische Schwerpunkte während der Absolvierung eines historischen Studiums an der Uni Erlangen – Promotion zur Lage der Russlanddeutschen in Odessa zwischen 1929 und 1939 – Gründung des Historischen Forschungsvereins der Deutschen aus Russland 1999 – Aufgaben des Forschungsvereins – Hauptsächliche Probleme bei der Integration der Russlanddeutschen – Zerfall verwandtschaftlicher und nachbarschaftlicher Verhältnisse – Bedeutung des kulturellen Austausches in der Landsmannschaft – Schwindender Bezug zur alten Heimat – Wertschätzung der bayerischen Traditionen – Kritik an der deutschen Einwanderungspolitik seit 2015 – Hohe Integrationsbereitschaft der Russlanddeutschen – Nachwirkungen der Kriegs- und Deportationserlebnisse.

Daten

Art:
Lebensgeschichtliches Zeitzeugen-Interview
Dauer:
1, 5 h
Aufnahmedatum:
09.11.2019
Sprache:
deutsch
Aufnahmeteam:

Interview: Georg Schmidbauer M.A.

Kamera: Georg Schmidbauer M.A.