Zeitzeugen berichten

Anna Drengler Haushaltshilfe, Näherin, Zugehfrau

Signatur
zz-1726.03
Copyright
Haus der Bayerischen Geschichte (Georg Schmidbauer M.A.)
Referenzjahr
1934

Im hier gezeigten Ausschnitt berichtet Anna Drengler über ihr mangelndes politisches Bewusstsein als junge Haushaltshilfe in den frühen 1930er-Jahren, Beeinflussungsversuche von außen und ihre Nein-Stimme bei der "Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches", also über die Vereinigung der Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers zugunsten Adolf Hitlers am 19.08.1934.

Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:

Lebensgeschichtliches Zeitzeugeninterview mit Anna Drengler, aufgenommen am 11.08.2016 in Landshut, über die Lebensbedingungen in den 1920er-Jahren, ihren schulischen und beruflichen Werdegang, die Lebensumstände der Großeltern und Eltern, die Bewerbung um eine Stelle als Haushaltshilfe in München 1933, das Verhältnis der Familie und der Gesellschaft zum Nationalsozialismus (NS), die Rede Hitlers am Odeonsplatz in München, den Umgang der Nationalsozialisten mit Regimegegnern, Hitlers Besuch in Landsberg 1934, die politische Bildung als junge Haushaltshilfe, das Abstimmungsverhalten in der NS-Zeit, die Einstellung der Landshuter Bevölkerung zum NS, den Stellenwert des christlichen Glaubens, die Regimegegner, den Einsatz des Vaters im Ersten Weltkrieg, die Zeit des Zweiten Weltkriegs, die damaligen Assoziationen mit dem Konzentrationslager Dachau, die Nachkriegszeit ab 1945, den Umgang mit Flüchtlingen und Vertriebenen nach 1945 und das Ansehen als Hausfrau.

Biogramm

Anna Drengler, geb. Wiedemann, wurde 1915 als eines von drei Geschwistern geboren und wuchs in Lauingen an der Donau auf. Nach der Volksschule besuchte sie die hauswirtschaftliche Berufsschule und erhielt mit 14 Jahren eine Stelle im Haushalt eines alten Ehepaares in ihrem Geburtsort. Mit 16 Jahren fand sie in Esslingen eine Arbeitsstelle. 1933 gelang es ihr, eine Anstellung als Haushaltshilfe bei der Familie Bergen in München zu bekommen. In dieser Zeit erlebte sie auch eine NS-Veranstaltung am Odeonsplatz, auf der auch Adolf Hitler sprach. 1936 zog die Familie Bergen nach Landshut um und Anna Drengler erlebte dort die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Kurzzeitig arbeitete sie als Näherin bei Loden-Frey in München und war im Stadtteil Truderin wohnhaft. Bei ihrem nächsten Arbeitgeber in Landshut, bei dem sie als Zugehfrau beschäftigt war, lernte sie ihren Ehemann kennen, den sie 1940 heiratete und mit dem sie zwei Töchter bekam. Auch nach dem Krieg führte sie ein bescheidenes Leben zusammen mit ihrer Familie und arbeitete als Zugehfrau, um die Familie mit zu ernähren. Noch mit über 100 Jahren beteiligte sich Anna Drengler aktiv in der Pfarrgemeinde und im Wallfahrtsfrauenverein Landshut. Große Freude machte ihr vor allem die Zusammenarbeit mit Schülern. Unter anderem als Zeitzeugin für Projektarbeiten war sie bei den Jugendlichen sehr beliebt. Anna Drengler verstarb im Jahr 2019.

Inhalte

Geboren 1915 in Lauingen an der Donau – Einschulung in der Klosterschule in der Herzog-Georg-Straße im Jahr 1921 – Hintergrund des Straßennames Herzog-Georg-Straße – Mädchenschule und Knabenschule – Lebensbedingungen in den 1920er-Jahren – Schulzeit – Versorgung mit Schultasche und Kleidung – Arbeitsplatz des Vaters als Hausdiener bei der Firma Ködel & Böhm – Verwandte waren die Besitzer der Brauerei Münz in Günzburg – Berufswunsch: Schneiderin – Nachkriegszeit – Arbeitsplatzsituation – Hauswirtschaftliche Berufsschule im Kloster – Arbeitsstelle im Haushalt eines alten Ehepaars mit 14 Jahren – Wiederheirat der Mutter – Probleme mit dem Stiefvater während der Jugendzeit – Mitgliedschaft im Jugendverein – Theaterspiel – Kinderzeit der Mutter als uneheliches Kind – Konkurrenz um die Arbeitsstelle – Bewerbungsgespräch um die Stelle als Haushaltshilfe bei der Familie Bergen in München 1933 – Wohnhaft bei Onkel (Feldwebel bei der Landespolizei) und Tante in München – Hoffnung auf Anstellung – Geschichte der Familie Bergen – Umgang mit dem Hausherr und der Hausherrin – Strenge Erziehung im Hause Bergen – Bezahlung – „Nur keine Vertraulichkeiten, Annchen, bleiben Sie nur das bescheidene Annchen!“ – Verhältnis der Familie zum „Dritten Reich“ und Adolf Hitler – Hitlers Reden im Radio – Problematik der hohen Arbeitslosigkeit – Rede Hitlers am Odeonsplatz in München – Misstrauen des Onkels als Feldwebel bei der Landespolizei gegenüber Hitler – Verweigerung des Hitlergrußes durch Onkel – Ermordung von Regimegegnern bei der Rede Hitlers am Odeonsplatz in München – Verbot der Mitgliedschaft im BDM (Bund Deutscher Mädel) oder einer Partei durch die Familie Bergen – Integration der Landespolizei ins Militär – Allgemeine Meinungen gegenüber der Politik Hitlers in der Gesellschaft – Integration der Landespolizei ins Militär – Versetzung des Onkels nach Memmingen – Umzug mit Familie Bergen nach Landshut – Besuch Hitlers in Landshut – Beschwerde Hitlers über die Landshuter Bürger – Einsamkeit – Mangelndes politisches Bewusstsein mit 20 Jahren – Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches am 19.08.1934 (Vereinigung der Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers zugunsten Hitlers) – Aufforderung durch Hausherrin zur Abstimmung mit „Ja“ am Abstimmungstag (für Hitler) – Einsamkeit durch Trennung von Onkel und Tante – Abstimmung mit „Nein“ (Stimme gegen Hitler) aufgrund der kritischen Einstellung des Onkels – Wahlgeheimnis in der NS-Zeit – Viele Landshuter in Ablehnung zu Hitler – Persönliche Abneigung gegen Hitler aufgrund seiner feindlichen Einstellung gegenüber der katholischen Kirche – Verbot der Teilnahme des Jungen am Appell der Pimpfe (Dienstgrad für 10- bis 14-jährige Mitglieder des Deutschen Jungvolks) durch Schreinerwirtin – Verbot der Mitgliedschaft im BDM (Bund Deutscher Mädel) als Hausangestellte – Ausgangslage als Kind in der Nachkriegszeit mit verstorbenem Vater (Gefallen im Ersten Weltkrieg am 02.11.1918 kurz vor Waffenstillstand) – Vater als Sanitäter im Krieg – Todesumstände des Vaters im Krieg – Girlande „Herzlich willkommen unserem Krieger“ – Mutter als uneheliches Kind – Bahn als Arbeitgeber zur Zeit der Großeltern – Lebensumstände der Großeltern – „Mein Kind habe ich sitzen lassen und das andere habe ich geheiratet.“ (Großvater) – Schwere Kindheit ohne Vater – Arbeitsstelle als Näherin bei Loden-Frey in München – Novemberpogrome 1938 (Reichskristallnacht) von Erzählungen – Zweiter Weltkrieg 1939-1945 – Blockwart entfernte Privateigentum im Elternhaus – Versorgungslage im Krieg (Lebensmittelmarken) – Ehemann als Gestütswärter im Landgestüt – Kriegsdienst des Ehemanns im Zweiten Weltkrieg – Kriegsverletzung des Ehemanns – Versorgung der Mutter in Lauingen – Kriegsverletzung des Bruders – Schwester als Mitarbeiterin der Osram-Werke in Augsburg – Bombenangriffe – Schutzsuche im Keller vor Bombenangriffen – Situation im Luftschutzkeller – Kirchgänger zur NS-Zeit – Onkel Lenz (Bruder der Schwiegermutter) als Regimegegner – „Sei doch stad, die sperren dich ein!“ – Verhaftung des Onkels, Inhaftierung in Landsberg – Onkel Lenz als Träger der Tapferkeitsmedaille (Pour le Mérite, Auszeichnung im Ersten Weltkrieg) – Spitzname Hermann Görings: „Obermeier“ – Beerdigung des Onkels Lenz – Assoziationen mit dem Konzentrationslager Dachau zur NS-Zeit – Angst vor der Einlieferung ins KZ Dachau – Informationslage über Kriegsverlauf in der Heimat – Kriegsende 1945 – Trauer um Verwandte (Gefallene im Zweiten Weltkrieg) – Kriegsheimkehrer – Auszeichnung des Herrn Bergen mit dem Ritterkreuz im Zweiten Weltkrieg – Warenangebot und Ernährungslage nach dem Krieg – Netzwerk des Ehemanns mit Bauern der Umgebung aufgrund der Arbeit mit Pferden – Währungsreform 1948 – Überlegungen zur beruflichen Zukunft der Kinder – Harte Arbeit als Zugehfrau – Radtouren nach Lauingen – Einquartierung einer Flüchtlingsfamilie aus dem Riesengebirge bei der Mutter in Lauingen – Ausbildung der Kinder – Autokauf und Urlaubsfahrt – Verbindung zu den Arbeitgebern aus Landshut – Sterbebegleitung – Urlaubsaufenthalte in Schweden und England (Omnibusfahrt des Unternehmens Auto Saur) – Deutschfeindlichkeit in England in der Nachkriegszeit – Pflege der Mutter – Anschaffungen nach dem Krieg – Sparsamkeit des Ehemanns zur Zeit des Wirtschaftswunders – Ansehen der Hausfrauen („Hausarbeit ist keine Arbeit“) – Wandel des Stadtbildes in Landshut im Lauf der Jahre – Wohnverhältnisse während der Kindheit im Elternhaus – Einquartierung der Flüchtlingsfamilie im Elternhaus nach dem Zweiten Weltkrieg – Umgang mit Flüchtlingen und Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg – Landshut, der „Schwanz vom Dritten Reich“ (Landshuter als Regimegegner) – Beschwerde Hitlers über die Landshuter Bevölkerung nach dessen Besuch – Fronleichnamsprozessionen während der NS-Zeit – „Gell, mag halt der liebe Gott auch nimmer“ (Passant beim Fronleichnamszug) – Angst vor der Einlieferung ins KZ Dachau – Atmosphäre in München bei Hitlers Rede am Odeonsplatz – Verweigerung des Hitlergrußes durch den Onkel – Einstellung der Verwandtschaft gegenüber dem NS-Regime – Besuche auf Hof des Onkels Lenz während der Kriegszeit – Politische Bildung als junge Frau – Vorgabe der Chefin zur Wahl – Wahlentscheidung geprägt von Meinung des Onkels – Wandel des Verhältnisses zur Hausherrin Frau Bergen und der Familie – Isolation als Dienstmädchen – Sorgen um Ehemann während des Zweiten Weltkriegs – Problem der Schwerhörigkeit des Mannes im Krieg – Wandel des Ansehens Hitlers in der Gesellschaft im Verlauf des Zweiten Weltkriegs – Zustände in der Welt heute – Bewunderung für Angela Merkel – Meinung zum Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern heute – Persönliches Bild von Bayern – Stellenwert des christlichen Glaubens – Heiligenverehrung (Albertus Magnus) – Wünsche für Bayern – Ängste in der heutigen Zeit – Stellenwert des Glaubens in Bayern – Zeiten stärkster Prägung im Leben.

Daten

Art:
Lebensgeschichtliches Zeitzeugen-Interview
Dauer:
1:30 h
Aufnahmedatum:
11.08.2016
Sprache:
deutsch
Aufnahmeteam:

Interview: Georg Schmidbauer M.A.

Kamera: Georg Schmidbauer M.A.