Zeitzeugen berichten

Hermann Scheipers KZ-Überlebender, Priester

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Haus der Bayerischen Geschichte (Georg Schmidbauer M.A.)

Hermann Scheipers berichtet im hier gezeigten Ausschnitt über Menschenversuche an den Insassen des KZ Dachau. 

Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:

Lebensgeschichtliches Zeitzeugeninterview mit Hermann Scheipers vom 09.12.1996 in München, über die Verhaftung und Inhaftierung im KZ Dachau, die Situation der Geistlichen im Lager, Rettungsversuche und Fluchtpläne, den Alltag im Lager und die Flucht und Heimkehr.

Biogramm

Hermann Scheipers wurde 1913 in Ochtrup geboren. Nach dem Besuch der Volksschule und des Gymnasiums studierte er katholische Theologie in Münster und war zeitlebens Mitglied im katholischen Bund Neudeutschland. Wegen eines Überschusses an Priesteramtskandidaten im Bistum Münster trat Scheipers 1936 in das Pastoralseminar des Bistums Meißen in Schmochtitz bei Bautzen ein. Am 01.08.1937 weihte ihn Bischof Petrus Legge im Dom St. Petri zu Bautzen zum Priester. Als Kaplan betreute er anschließend eine Diasporagemeinde in Hubertusburg in Sachsen. Wegen Abhaltung eines Gottesdienstes für polnische Zwangsarbeiter wurde er inhaftiert und 1941 in das KZ Dachau eingeliefert. Scheipers wurde in der SS-Heilkräuterplantage eingesetzt, von der aus er in Zusammenarbeit mit seiner Zwillingsschwester vergeblich seine Flucht plante. Eine mutige Vermittlungsaktion seiner Schwester im Reichssicherheitshauptamt bewahrte ihn und weitere Priester vor dem Abtransport als „nicht arbeitsfähig“ aus dem Invalidenblock des KZ Dachau in die NS-Tötungsanstalt Hartheim bei Linz. Am 27.04.1945 gelang Scheipers auf einem Todesmarsch aus dem KZ Dachau die Flucht. Anschließend ging er zurück ins Bistum Meißen, wo er rasch mit dem SED-Regime in Konflikt geriet. Von 1960 bis 1983 war er Pfarrer in Schirgiswalde in Sachsen. Im Ruhestand kehrte er ins Bistum Münster zurück. 2016 verstarb Scheipers in seiner Geburtsstadt Ochtrup.

GND: 119494574

Inhalte

1913 in Ochtrup im Münsterland geboren, Hunger 1917, Volksschule, körperliche Erholung, Abitur in Rheine, in Münster Philosophie und Theologie studiert, Bistum Dresden/Meißen, katholische Diaspora, Priesterweihe 1937, Aufstieg Hitlers, weniger Anhänger unter Katholiken als unter Protestanten, Reichskonkordat, antipreußisches Elternhaus, Machtergreifung, Bücherverbrennung auf dem Domplatz in Münster, Schülervereinigung Neu-Deutschland, religiöse Betätigung, Zeltlager an der Ems, Röhm-Putsch, Ermordung politischer Gegner, Flugblatt von Dietrich von Hildebrand, SA-Aufmarsch am Prinzipalmarkt in Münster, Freund schreit "Pfui", schnell weggelaufen, Sympathiekundgebung für Bischof von Galen, Glaubensbekenntnis vor dem bischöflichen Haus von Schlägern gestört, Pastoralseminar in Sachsen, Bischof verhaftet, Priesterweihe an "Petri Kettenfeier", Kaplan in Hubertusburg, sächsisches Jagschloss, Barockkirche, Pfarrei für 150 Ortschaften und vier Städte: Oschatz, Mühlen, Dahlen und Mutschen, Gottesdienste, Leichtmotorrad, später altes Auto, geistiger Widerstand gegen das Regime, Atheismus der Nationalsozialisten, Deutsche Christen, Fahrzeug stillgelegt, Pfarradministrator, Standortpfarrer für die Militärseelsorge, Jugendverband Quickborn, letztes Treffen auf Hubertusburg, Gestapo wird aufmerksam, polnische Zwangsarbeiter, Teilnahme am Gottesdienst wurde verboten, Verbot der Beichte, Extragottesdienst für Polen gehalten, Verhaftung, Schutzhaftbefehl an Heilig Abend 1940, Begründung: Seelsorgebesuch bei Polen, willkommener Grund, Ortsgruppenleiter von Hubertusburg Sudhoff, Gestapo untersucht Zimmer, nimmt die gesamte Korrespondenz mit, nach Leipzig gebracht zur Vernehmung, Name in der Kartei des Gemeindeamtes gestrichen, 1970 Tochter des Ortsgruppenleiters bittet um Hilfe bei der Rückkehr des Vaters aus dem Westen, während der Zeit in der Haft Einblick in die Akten bekommen, Kalfaktor, Aussage des Ortsgruppenleiters, der Tochter dennoch versprochen nichts gegen die Rückkehr zu tun, 6 Monate statt der üblichen 3 Wochen in Gestapohaft im Polizeigefängnis in Leipzig, Pfarrer von Leipzig-Muckau ebenfalls verhaftet, nach Verbüßen der Haft erneut von Gestapo verhaftet, Sicherheitsverwahrung, Versuch der Gestapo S. vom Priesterberuf abzubringen, gefälschte Protokolle, erfundene Anklagen, Drohungen, 3. Verhör im Polizeigefängnis, SS-Mann, Frage nach Freilassung, Diskussion über Priesterberuf, am nächsten Tag Abtransport nach Dachau, Arbeit als Kalfaktor im Gefängnis, Akten vor dem Transport in der Transportzelle, eingesehen, Gefängnisbeamte waren abgelenkt, Inhalt der Akte: "Aussage des Ortsgruppenleiters, S. fanatischer Verfechter der Kirche, kann Unruhe in die Bevölkerung tragen, deswegen KZ-Haft in Dachau", wegen des Glaubens eingesperrt, dieses Bewusstsein hilft die Haft besser zu ertragen, Abtransport zunächst in ein Zuchthaus, Gespräch mit Zuchthäusler im Gefängniswagen, Plauen im Vogtland, dort gute Behandlung durch die Polizei, gutes Essen, Sammelzelle in Hof, kein Licht, Dompropst Lichtenberg, Nürnberg, mit Stahlfesseln zu zweit aneinander gekettet, gaffende Leute, Dachau, unter Fußtritten und Schlägen aus dem Lastwagen getrieben, Ansprache des Kommandanten, "ehrlos, wehrlos und rechtlos", Kraft aus dem Glauben geschöpft, kommunistische Vorgesetzte, Funktionshäftlinge, Gruppe junger SS-Leute, teilt Fußtritte und Ohrfeigen aus, Uniform für katholische Geistliche mit Kragen, Mantelkragen hochgeschlagen, um Prügel herum gekommen, alle Juden und Priester kamen bei Einlieferung ins KZ automatisch in die Strafkompanie: längere Arbeit, weniger Essen, österreichischer Jesuitenpater bietet S. die Beichte an, politische Abteilung beschließt die Priester aus der Strafkompanie zu nehmen, Schikanen und Grausamkeiten, Priesterblock, 9 von 10 inhaftierten Geistlichen waren katholisch, evangelische Geistliche waren von ihrer Kirche "im Stich gelassen", Reichsbischof Müller, Bekennende Christen, Block 26/3 evangelische Geistliche, Einzelkämpfer, Familien, hatten es viel schwerer, Konzentration der katholischen Geistlichen in Dachau, Ausnahmen: Maximilian Kolbe, stirbt im Hungerbunker in Auschwitz, gegenseitige Hilfe und Unterstützung, Einrichtung einer Kapelle nur für Geistliche, Einflussnahme der katholischen Kirche, Feier der Heiligen Messe, teilweise wurde einige Monate Arbeitsbefreiung erreicht, Wein- und Kakaospende der deutschen Bischöfe, Versuche Priester frei zu bekommen, Entlassungen ab März 1945, September 1941 Anweisung die Sonderbehandlung der polnischen Geistlichen einzustellen, besonders schwere Schikanen, Karl Leisner, 1941 einmal in der Woche Fleisch, 1942 Hungerjahr, Paketerlaubnis 1943, verhungerte Priester, Invalidentransporte in die Gaskammern, arbeitsunfähige Häftlinge wurden aussortiert, Gaskammer in Dachau im Bau, nie in Betrieb, Sabotageakte, Transporte nach Schloss Hartheim bei Linz, Debilen-Anstalt, Vergasung, Gerüchte über das Schicksal der "Invaliden", Arbeit auf der Plantage, germanophiler polnischer Adliger, Bruder bei der Luftwaffe versucht 1942 S. zu treffen, Plantage im Freien nur mit Maschendrahtzaun umgeben, Bruder in Gebüsch am Zaun, S. gibt dem Bruder Brief mit Informationen über das Lager, Codewort für Lebensgefahr, "Frage nach Hochzeit der Schwester", Fluchtplan für den Fall der Lebensgefahr, Zwillingsschwester Hedwig, Schwächeanfall auf dem Appellplatz, Krankenrevier, Diagnose: Allgemeine Körperschwäche, Einweisung in Invalidenblock, Brief an Schwester mit dem Codewort nutzlos, keine Chance zur Flucht weil der Invalidenblock nicht mehr auf Arbeit ausrückt, Kontakt mit der Schwester über befreundete Priester, keine Chance sich ins Arbeitskommando zu schleusen, Schwester wird aktiv, fährt mit dem Vater zur Gestapo nach Leipzig, Name des Abteilungsleiters im Reichssicherheitshauptamt erfahren, nach Berlin gefahren, Dr. Bernsdorf, Schwester setzt sich durch, Anruf bei der Lagerleitung in Dachau, Angst vor öffentlichem Aufsehen, Geistliche aus der Invalidenbaracke entlassen, zuerst die deutschen, zwei Wochen später die restlichen, Schwester rettet somit viele Priester vor dem Tod, Mut der Schwester, Treffen mit der Schwester in München, kleines Arbeitskommando bei der Trockengemüsefabrik Durach, Ernte in Trockenöfen getrocknet, Zwangsarbeiter, Sauerkraut gegessen, holländischer Traktorfahrer wirft für S. Brief ein, Schwester kommt mit Freundin, steht am Stiglmaier-Platz und winkt, Brief in Papierknäuel aus dem Lastwagen fallen lassen, Schwester erhält ihn, Versuch die Schwester am Ostbahnhof zu treffen scheitert, Bahnbeamter spricht sie an, weitere Briefe aus dem Lastwagen fallen lassen, Passant wirft ihn ein, ein Denunziant macht einen Polizisten aufmerksam, dieser lässt die Schwester laufen, Kohlen schaufeln für die Heizung der Fabrik, Heizer bekommt täglich sein Frühstück gebracht von seiner Frau, Frau bringt Häftlingen auch etwas zu essen, Betriebswohnung auf dem Firmengelände, Schwester kommt anstelle der Frau mit dem Kopftuch, Wiedersehen hinter dem Heizkessel, 1943 Arbeitskommando "Besoldungsstelle der Waffen-SS", Abteilung "Schriftverkehr", SS-Mann aus Rumänien, Anwerbeplakat "Schützt Heimat und Kirche! Kommt in die SS!", zwei ehemalige Polizisten helfen die Privatpost in der Besoldungsstelle zu verschicken, Schwester verkleidet sich als SS-Frau, verschafft sich Zutritt zur Besoldungsstelle und verlangt von SS-Oberscharführer Bald ihren Bruder zu sehen, Soldaten die von der Ostfront kamen erhielten Sprecherlaubnis, Schwester kommt mit sämtlichen Cousins und Verwandten um S. zu sehen - Gefahren im KZ: Strafen, 25 Schläge auf den Hintern, Stehbunker, eine Stunde Baum, Auspeitschungen, Hinrichtungen am Appellplatz, Hinrichtung einer Gruppe russischer Offiziere, Unterschiede der SS-Leute: Schlägertypen, Sadisten, Kapos, Stubenälteste, Blockälteste in Dachau meist Kommunisten, Revierkapo, Kaplan aus Dresden, gemeinsam Bauchtyphus bekommen, verlangt nach einem Priester, wird mit Benzinspritze ermordet, junge SS-Männer kamen ab 1943 alle an die Front, durch ältere Herren ersetzt, ehemalige Männer vom Stahlhelm und Kyffhäuserbund wurden in SS-Uniformen gesteckt, keine Schikanen mehr, Wende in der Behandlung der Gefangenen, kulturelle Betätigung erlaubt, Fußballspiel, Erwin Geschonnek, Pakete von Verwandtschaft und Gemeinde erhalten, Zusammenbruch der Paketpost durch Luftangriffe, Freund als Sanitätssoldat in Aschering bei Starnberg schickt bis Kriegsende Pakete, deswegen bis zum Ende gut ernährt, Anlass für Flucht, medizinische Versuche in Dachau: Phlegmone- und Malariaversuche, geheime Luftwaffenstation, Kapo dort tschechischer Student, Versuche wie lange Menschen in verdünnter Luft aushalten, Eiswasser-Versuche, bis zur Bewusstlosigkeit, dann Wiederbelebungsversuche, viele überleben nicht, zuerst bekam man aber ordentlich zu Essen, Offizier auf Inspektion schickt S. wieder weg, Leben gerettet, Bauchtyphus, Breikost erhalten, letzte Tage in Dachau fürchterlich, Lager überfüllt, Befehl "kein Häftling sollte lebendig in die Hände er Alliierten fallen", Evakuierung, Todesmärsche - Pfarrei in Sachsen, Gedenkstein an Straßengraben, SS ließ weibliche jüdische Häftlinge zurück, wurden von Hitlerjungen erschlagen - Dezember 1944, Diakon, überlebt 5 1/2 Jahre im KZ als Tuberkulosekranker, Versuche Selektionen zu verhindern, Bischof aus Frankreich, prominente Häftlinge, Domkapitular Neuhäusler, General Halder, Leon Blum, Schuschnigg mit Frau und Kindern, Ordenskandidation aus Freising, Lebensmittel und Medikamente für Karl Leisner geschmuggelt, für die Priesterweihe notwendige Dinge ins Lager geschmuggelt, Häftling schnitzt Bischofsstab mit dem Motto "Victor in Vingulis" (Sieger in Fesseln), 3. Adventssonntag 1944, Sprecher Georg Schelling wird von Gestapo befragt, ein Geistlicher hatte unvorsichtigerweise in einem Brief von der "Primiz" geschrieben, Tag der Priesterweihe, ein Tag der Ermutigung und der Hoffnung, Kommunisten halfen Karl Leisner von der Krankenstation zur Kapelle und zurück zu bringen, am 2. Weihnachtsfeiertag erste Messe von Leisner gehalten, Leisner stirbt kurz nach der Befreiung im August 1945 im Sanatorium Planegg, Überbelegung des Lagers, Salesianerpater Karl Schmidt, Kannibalismus in den Viehwaggons der Transporte, Evakuierungen, nachts marschiert, aus der SS-Kammer Lederschuhe besorgt, viele Gefangene in Zivilkleidung, Anzug besorgt, ohne Markierung, Marsch in Hundertschaften, Zurückbleibende wurden erschossen, Gauting, Planegg, Leutstetten, Würm, in kleinem Buchenwald gelagert, SS-Wachen ebenfalls müde, durch Postenkette hindurchgeschlichen, Fichtenwäldchen, SS-Mann auf dem Waldpfad, hinter Baum versteckt, Wachposten entdeckt S., Schüsse, ums Leben gerannt, Rufe nach Hundeführer, dieser schläft weiter, im Wald versteckt, Gaststätte bei einer Mühle, Gruppe von SS-Leuten am Straßenrand kontrolliert S. nicht, nachmittags Rundfunksendung der Freiheitsaktion Bayern FAB, unbehelligt bis Starnberg gekommen, Durst, litauischer Theologiestudent, bringt S. zum Vorsitzenden des bayerischen Klerusverbands, Dr. Notterer, dieser versteckt ihn bis zum Einmarsch der Amerikaner, noch eine kritische Situation durch Einquartierung eines SS-Offiziers im Nebenzimmer, nach der Befreiung 4 Wochen in Starnberg, Fahrrad geliehen und zusammen mit einem Freund die 800 km nach Hause geradelt, Ausweis von Amerikanern erhalten, in Ochtrup Eltern und Geschwister wiedergesehen, Gefahr durch streunende, entlassene ehemalige Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter, Gruppe von Polen will das Fahrrad, "gelobt sei Jesus Christus" auf polnisch gesagt, die Polen lassen S. verwirrt weiterziehen, Empfang in der Pfarrei, Glockenläuten, Kirchenchor, keine Postverbindung zur Ostzone, im Frühjahr 1946 nach Sachsen zurückgekehrt, Hunger in der Ostzone 1946-1948, die Gemeinde Hubertusburg bestand zu 90% aus Flüchtlingen aus dem Sudetenland, erst nach 20 Jahren über die Zeit im KZ gesprochen, Vorträge in evangelischen und katholischen Gemeinden, Aufarbeitung der Vergangenheit, Alpträume kommen durch Konfrontation mit der Volkspolizei der DDR wieder hoch.

Daten

Art:
Lebensgeschichtliches Interview
Dauer:
2:00 h
Aufnahmedatum:
09.12.1996
Sprache:
deutsch
Aufnahmeteam:

Interview: Georg Schmidbauer M.A.

Kamera: Georg Schmidbauer M.A.