St. Emmeram - das klösterliche Zentrum in Regensburg
Kein anderes Kloster in Regensburg errang jemals die Bedeutung der Benediktinerabtei St. Emmeram. Sie bildete über ein Jahrtausend lang den klösterlichen, geistigen und kulturellen Mittelpunkt der Stadt und des Bistums.
Das Kloster entstand etwa zur Zeit der Gründung des Bistums Regensburg durch Bonifatius im Jahr 739 am Grab des als Märtyrer verehrten fränkischen Wanderbischofs Emmeram. Er war im späten 7. Jahrhundert von einem Mitglied der bayerischen Herzogsfamilie ermordet worden. Sein Grab erhielt Emmeram auf einem in römische Zeit zurückgehenden Friedhof am Südrand der Stadt. Dem Emmeramskult verdankt das Kloster seinen raschen Aufstieg im Früh- und Hochmittelalter.
Zunächst scheint das Grab des hl. Emmeram von einer Klerikergemeinschaft betreut worden zu sein. Bei der Erhebung der Gebeine um 740 bestand hier bereits ein Kloster, dessen Abt zugleich Bischof von Regensburg war. Es liegt nahe, dieses Kloster in Zusammenhang mit der Bistumsgründung 739 durch Bonifatius zu bringen, denn in der damaligen angelsächsischen Kirchenorganisation hatte der Bischof seinen Sitz stets bei einem Kloster.
Unter Abt Simpert wurde um 780/90 die erste Klosterkirche gebaut, von der die Ringkrypta um das Grab des Heiligen erhalten ist. Eine 770 erwähnte Friedhofskirche St. Georg als Grablege Emmerams wird von jeher im südlichen Nebenchor dieser Klosterkirche vermutet.
St. Emmeram war für rund 100 Jahre die erste Residenz der Regensburger Bischöfe, die hier bis 1125 auch beigesetzt wurden. Erst Bischof Wolfgang trennte 975 die Ämter des Bischofs und des Abtes. Er setzte als ersten Abt neuer Art seinen Freund Ramwold ein, der aus dem Trierer Kloster St. Maximin kam und St. Emmeram der Gorzer Klosterreform unterzog. Aus seiner Zeit blieben die östlich vor der Kirche gelegene Ramwold-Krypta und die Außenmauern des Chors mit den Innenpfeilern (St. Emmeram II) erhalten.
Kaiser Arnulf von Kärnten erbaute in unmittelbarer Nachbarschaft auf dem heutigen Emmeramsplatz und mit der Kirche baulich verbunden um 888/890 seine Pfalz. Emmeram, der schon vorher als Patron des Bistums und Apostel Bayerns gegolten hatte, wurde nach der lokalen Tradition nun zum Reichspatron erklärt. Das Kloster, das schon in agilolfingischer Zeit ein geistlicher und monastischer Mittelpunkt des Landes gewesen war, wurde enger an das Reich gebunden; in der Pfalz bei St. Emmeram hielten sich bis zum Ende der Stauferzeit die Kaiser bei ihren Besuchen in Regensburg gerne auf. Schon früh hatte sich ein bedeutendes Skriptorium gebildet, aus dem sich teilweise das Personal der königlichen Hofkanzlei rekrutierte. Die Bindung an das Reich zeigt sich in dem Umstand, dass hier zumindest einige Mitglieder der karolingischen Königshauses beigesetzt wurden.
Die größte Blüte seiner Entwicklung erreichte das Kloster zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert auf den Gebieten der Theologie, Philosophie, Mathematik, Astronomie und Kunst. Schon früh hatte man sich mit Astronomie und Zeitmessung beschäftigt, die komputistischen Handschriften dieser Zeit aus St. Emmeram gehören zu den wichtigsten frühen Beispielen. Das Emmeramer Skriptorium erlangte einen letzten Höhepunkt im frühen 13. Jahrhundert, nicht zuletzt durch die befruchtende Konkurrenz des jungen Klosters Prüfening. Die bedeutende Klosterbibliothek verwahrte als größten Schatz den Codex Aureus (870), eines der prachtvollsten Bücher des Mittelalters (München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 14000), ein Werk der Hofschule Kaiser Karls des Kahlen. Als eigene großartige Schöpfungen der Buchkünstler von St. Emmeram entstanden unter anderen zur Zeit Kaiser Heinrichs II. sein später an Bamberg gestiftetes Sakramentarbuch (Bayerische Staatsbibliothek München clm 4456) und der für das Stift Niedermünster in Regensburg gefertige Uta-Codex (Bayerische Staatsbibliothek München clm 13601).
Abt Reginward ließ 1049/60 die Klosterkirche in ihrer jetzigen Größe mit einem gewaltigen Westquerhaus mit Krypta - wohl nach dem Vorbild des Speyerer Doms - erbauen (St. Emmeram III). Höhepunkt dieser Phase war die Heiligsprechung des Bischofs Wolfgang 1052 durch Papst Leo IX. Zu jener Zeit erreichten die Auseinandersetzungen der Abtei mit den Regensburger Bischöfen einen Höhepunkt. Sie wollte man durch Fälschungen und Verunechtungen von Urkunden für sich entscheiden, mit dem Ziel, sich aus der bischöflichen Jurisdiktion zu lösen. Dies gelang jedoch erst 1326 durch ein Privileg von Papst Johannes XXII. Bereits 1295 war St. Emmeram durch König Adolf von Nassau zur reichsfreien Abtei erhoben worden.
Zwei Brände bedingten 1062-1068 und nach 1166 umfangreiche Um- und Neubauten der Klosterkirche (St. Emmeram IV und V). Sie blieb dennoch einer der bedeutendsten vorromanischen Kirchenbauten Deutschlands.
Nach einem vorübergehenden Rückgang seiner Bedeutung im 16. Jahrhundert erlebte das Kloster im 17. und 18. Jahrhundert einen erneuten Aufschwung. Er gipfelte 1731 in der Erhebung der Äbte in den Reichsfürstenstand. Äußeres Zeichen dieser Standeserhöhung ist die 1731-1733 erfolgte prachtvolle Neuausstattung der 1642 erneut ausgebrannten und danach restaurierten Klosterkirche (St. Emmeram VI) durch die Brüder Cosmas Damian und Egid Quirin Asam (St. Emmeram VII).
Nicht so sehr die Reichspolitik verlieh der Abtei ihren letzten Glanz, sondern das erneute Aufblühen der wissenschaftlichen Forschung um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Bald wurde St. Emmeram zu einem der führenden süddeutschen Zentren der Wissenschaft, für das Namen wie die der Äbte Frobenius Forster, Cölestin Steiglehner (genannt Vater der Meteorologie), Roman Zirngibl und Placidus Heinrich stehen.
Im Zuge der allgemeinen Säkularisation und Mediatisierung im Reich wurde St. Emmeram im Jahr 1802 dem Kurerzkanzler und Erzbischof von Regensburg, Karl Theodor von Dalberg unterstellt. Er ließ den Konvent jedoch bestehen. Die Klostergebäude kamen bereits 1803 in den Besitz Dalbergs und gingen 1808 an das fürstliche Haus Thurn und Taxis. Nach dem Übergang Regensburgs an Bayern erfolgte 1810 die Auflösung der altehrwürdigen Abtei, deren Kunstschätze und wertvolle Bücher zu einem großen Teil nach München kamen. 1812 erwarb die Familie Thurn und Taxis offiziell das säkularisierte Klosterareal. Es richtete hier seinen Stammsitz ein und das veränderte die Abtei im Lauf des 19. Jahrhunderts entsprechend zu einem repräsentativen Schloss mit einer umfangreichen Parkanlage. Die ehemalige Klosterkirche wurde in der Nachfolge der bisherigen Pfarrkirche des Klosters (St. Rupert) zu einer Stadtpfarrkirche.
( Peter Morsbach )