Die heilenden Antoniter in Memmingen
In der französischen Stadt Saint-Antoine entstand Ende des 11. Jahrhunderts am Aufbewahrungsort der Reliquien des heiligen Eremiten Antonius (nicht zu verwechseln mit dem hl. Antonius bneine Bruderschaft, die sich der Pflege und Versorgung von Kranken und Pilgern widmete. Aus der Bruderschaft entwickelte sich ein Orden, der weitere Niederlassungen gründete. Bekannt wurde die Antoniter vor allem durch ihre Erfolge bei der Heilung des ?Mutterkornbrands?, auch ?Antoniusfeuer? oder ?Heiliges Feuer? genannt, ausgelöst durch den Genuss von Roggen, der mit dem giftigen Mutterkornpilz befallen ist.
Das Antoniterhaus in Memmingen gehört zu den ältesten Niederlassungen dieses Ordens in Deutschland. Begründet wurde das Kloster durch den kinderlosen Herzog Welf VI. von Bayern. Er hinterließ der Spitalbruderschaft, die er auf seinen Kriegszügen und Wallfahrten kennengelernt hatte, seine Burg in Memmingen. Die Antoniter hielten also wohl kurz nach 1192 Einzug in Memmingen. 1215 verlieh ihnen Friedrich II. das Patronatsrecht der Stadtpfarrkirche St. Martin. Diese Schenkung ist gleichzeitig die erste urkundliche Erwähnung des Antoniterordens in Deutschland.
Die neu gegründete Niederlassung konnte ihren Besitz rasch vermehren. Bedeutung erlangte sie vor allem durch ihren riesigen Terminierbezirk, dem größten einer deutschen Präzeptorei überhaupt, der sich über mehrere Bistümer (Augsburg, Chur, Eichstätt, Prag, Olmütz) erstreckte.
Von der Mitte des 14. Jahrhunderts bis zur Reformation waren die Präzeptoren nur Romanen, meist Südfranzosen, die auch die Mehrheit der Ordensangehörigen bildeten. Aus diesem Kreis gingen bedeutende Persönlichkeiten, wie Johannes Barucher (reg. 1385?1412, Vikar und Visitator des Abtes von Saint-Antoine für Deutschland, Ungarn und Böhmen), Balthasar Bermundi (reg. 1482?1485, Präzeptor und Ordensreformator) sowie Petrus Mitte des Caprariis hervor, der 40 Jahre lang (reg. 1439?1479) die Memminger Präzeptorei innehatte. Seine Bibliothek bildet den Kernbereich der Memminger Stadtbibliothek.
Bereits 1393 hatten die Antoniter eine kleine Kapelle errichtet, 1454 wurde anstelle der Burg Welfs VI. ein neues Gebäude als Präzeptorei errichtet und das Spital reorganisiert ? diese Vierflügelanlage ist bis heute erhalten geblieben.
Um die Nachfolge von Petrus Mitte entbrannte ein jahrelanger Streit dreier Bewerber. Dies führte zum finanziellen Niedergang des Memminger Konvents und beschädigte auch das Ansehen der Ordensbrüder in der Stadt. Der nicht aufzuhaltende finanzielle Ruin des Klosters, besonders unter dem Präzeptor Philipp de Letra (reg. 1487?1500) verstärkte die negative Stimmung gegen den Orden in der Bürgerschaft. In den Reformationswirren verließ der ohnehin schwache Präzeptor Kaspar von Leutzenbrunner (reg. 1513?1532) schon 1527 die Stadt, die nun bis 1549 die Präzeptorei in ihre Verwaltung nahm. Als letzter Präzeptor wurde Ulrich Prumer (reg. 1550?1562) eingesetzt. Allerdings konnte auch er nicht mehr zur finanziellen Belebung und personellen Festigung des Klosters beitragen. Nach Prumers Tod übergab sein Sohn die Präzeptorei mit allen Urkunden endgültig der Stadt Memmingen. Wiederholte Versuche des Ordens, diese zurückzuerlangen, schlugen fehl. Das Präzeptoreigebäude, ?Zur Eintracht? genannt, ging 1814 in Privatbesitz über.
Heute sind in der renovierten Anlage die Stadtbibliothek und das Antoniter- und Strigelmuseum untergebracht.
Alexandra Kohlberger