Fürstenzell


 

GESCHICHTE

Fürstenzell – Der Dom des Rottals

 

 

Magister Hartwig von Ruprechting, ein Passauer Domherr, Leiter der Domschule und Hofkaplan, erwarb vom Passauer Augustiner-Chorherrenstift St. Nikola 1272 einen Hof zu Zell im Mündungsdreieck zwischen Donau und Inn. Hier gründete er im Jahr 1274 mit finanzieller Unterstützung von Herzog Heinrich XIII. von Niederbayern ein Zisterzienserkloster, das von Aldersbach aus mit Mönchen besetzt wurde. Da die Zisterze mithilfe des Landesherrn errichtet worden war, nannte man sie „Cella principis“ (= Fürstenzell). Nach weiteren Schenkungen durch den Regenten (unter anderem die Pfarrei Haunersdorf) erhielt das Kloster bereits 1276 die niedere Gerichtsbarkeit zugesprochen. Der kleine Konvent wählte als ersten Abt von Fürstenzell den Mönch Walther, der aus dem Kloster Wilhering (bei Linz) stammte. Dieser ließ am Eingang zum Klosterbezirk eine Portenkirche (lat. „porta“, die Pforte) zu Ehren der hl. Margarete errichten. In diesem Bau, einem typischen Bestandteil mittelalterlicher Klosteranlagen, wurde für die Frauen, die weltlichen Bediensteten und die Menschen der Umgebung, die die Klausur des Klosters und die Abteikirche nicht betreten durften, die heilige Messe gefeiert. Auch das Mutterkloster in Aldersbach verfügte über eine, noch heute existierende, Portenkirche.

Die Klosterkirche, eine dreischiffige Basilika, war erst 1334 vollendet. Sie wurde von Weihbischof Theoderich aus Passau zu Ehren des hl. Laurentius konsekriert. Unter Abt Achaz Sandhaas (1440–1457) erhielt sie ein Gewölbe. Abt Johannes Schletterer ließ um 1490 den Chor der Portenkirche im gotischen Stil neu erbauen.

Die Abtei Fürstenzell war nie sehr reich. Im 16. Jahrhundert stand die Klosterverwaltung wegen schlechter Wirtschaftsführung unter der Administration des Mutterklosters Aldersbach. In der Reformation verlor Fürstenzell viele Mitglieder des Konvents, die zum protestantischen Glauben übergetreten waren. Eine Blüte erlebte die Abtei im 18. Jahrhundert. 1740 wurde die alte Kirche abgetragen. Abt Stephan Mayr (1731–1761), der als zweiter Stifter des Klosters gefeiert wird, war nicht nur ein Finanzgenie sondern auch ein ehrgeiziger Bauherr. Er beauftragte den Münchner Hofbaumeister Johann Michael Fischer. Der bekannte Architekt schuf hier zusammen mit den Künstlern Johann Baptist Straub (Hochaltar), Joseph Matthias Götz (Seitenaltäre), Johann Jakob Zeiller (Fresken und Hochaltarbild) und Johann Baptist Modler (Stukkaturen, Kanzelrelief) den „Dom des Rottals“, eines der besten Werke des kirchlichen Rokoko in Bayern. 1748 erfolgte die Einweihung unter dem neuen Patronat „Mariä Himmelfahrt“ durch den Passauer Bischof Kardinal Josef Dominikus Graf Lamberg. West- und Ostflügel der Klostergebäude, errichtet zwischen 1674 und 1687, erhielten unter dem ebenfalls sehr baufreudigen Abt Otto II. (1761–1792) eine neue Gestaltung und Erweiterung. Im selben Zeitraum entstand die Bibliothek mit den hervorragenden Schnitzwerken, insbesondere dem auf Atlanten ruhenden Emporengeländer, verziert mit zahlreichen Putten und Ornamenten, von Joseph Deutschmann aus Passau. Abt Otto II. ließ auch die Margaretenkapelle gänzlich umgestalten, sowie ein neues Refektorium erbauen und einen großen Festsaal im Westflügel mit Fresken von Vinzenz Fischer und Bartholomäus Altomonte im Geschmack des Wiener Frühklassizismus ausgestalten. Der letzte Abt Edmund Bachmaier begründete in Fürstenzell eine moderne Industrieschule mit handwerklicher Ausrichtung.

Nach der Aufhebung der Abtei 1803 im Zuge der Säkularisation wurde die Klosterkirche als Pfarrkirche weiter benutzt. Die wertvollen Buchbestände aus der Bibliothek wanderten in die Hofbibliothek München und zum Teil in die damalige Universität Landshut. Auch die Portenkirche stand auf der Liste der zur Versteigerung ausgeschriebenen Objekte. Ihre Altäre wurden verkauft und der Kirchenraum als Magazin für einquartierte Soldaten und später als Heustadel und Kuhstall benutzt. Die Klostergebäude erwarb die Bierbrauerfamilie Wieninger, die sie 1928 an die bischöfliche Brauerei Hacklberg weiterverkaufte.Im Jahr 1930 gingen die Gebäude in den Besitz der deutschen Provinz der Maristen über. Der Orden errichtete hier eine philosophisch-theologische Hochschule. Im Zweiten Weltkrieg diente das Kloster als Lazarett. 1948 gründete der Orden das Maristengymnasium Fürstenzell. Von 1970 bis 1990 war hier auch das Internat der Schule eingerichtet. Anschließend diente ein Teil des Gebäudes bis 2004 als geistliches Bildungszentrum der Diözese Passau. Aufgrund fehlenden Ordensnachwuchses mussten die Maristen 2007 das Kloster an eine Firma verkaufen. Die Portenkapelle wurde von der Marktgemeinde Fürstenzell 1973 mit Genehmigung der Behörden an einen Privatmann veräußert, der das Langhaus abreißen ließ und an seiner Stelle einen Neubau mit Geschäftsräumen und Arztpraxen errichtete. In den vergangenen Jahren bemühten sich die Marktgemeinde Fürstenzell und ein Förderverein intensiv um die Erhaltung der Reste der Portenkirche und um ein neues Nutzungskonzept. Der Abschluss der Renovierungsarbeiten erfolgte 2008.

 

Christine Riedl-Valder

 



 

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