Tirschenreuth, Missionshaus St. Peter – Priesternachwuchs für den missionarischen Auftrag
Die 1875 von P. Arnold Janssen in Steyl (Niederlande) gegründete Missionsgesellschaft hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg die Absicht, in Bayern eine Niederlassung zu gründen. Da sich in der Ordenszentrale besonders viele Interessenten aus der Diözese Regensburg gemeldet hatten, vermutete man hier eine große Missionsbegeisterung in der Bevölkerung und suchte deshalb in dieser Region nach einem Standort. Im Norden von Tirschenreuth bestand damals bei der Kirche St. Peter eine Stiftung zur Errichtung eines Franziskanerfilialklosters. Nachdem der Franziskanerprovinzial dieses Angebot jedoch abgelehnt hatte, setzte Stadtpfarrer Anton Wagner 1915 alles daran, um die Styler Missionare für Tirschenreuth zu gewinnen. Es dauerte zwei Jahre, bis die staatliche und die kirchliche Erlaubnis für die Niederlassung erteilt wurde. P. Johannes Ströhl (1866 Sulzbach-Rosenberg?1943 Wien) wurde 1917 zum ersten Rektor des neu zu gründenden Missionshauses St. Peter berufen. Er leitete zusammen mit P. Leo Hüttermann, dem ersten Präfekten, die ersten Klassen des humanistischen Gymnasiums, das in der ersten Zeit in den Räumen der landwirtschaftlichen Winterschule unterkam. Die wirtschaftlichen Probleme nach Ende des 1. Weltkriegs waren jedoch so groß, dass die Schule vorübergehend geschlossen werden musste. Ab 1920 wirkte P. Peter Bergerhausen als Prokurator und Lehrer in Tirschenreuth. Er engagierte sich eifrig in der Seelsorge vor Ort, bot erstmals Exerzitienkurse für Männer an und war als Prediger sehr geschätzt. Im 1922 erworbenen Schlosserhaus, einem ehemaligen Gasthaus, wurden die Missionsschule, das Internat und Räume für die Klostergemeinschaft eingerichtet. Daneben diente die Preßlmühle als Ökonomie. Mehr Platz bot dann ein Neubau, der 1925 eingeweiht wurde, und der eigentliche Schulbau, dessen feierliche Einweihung 1930 erfolgte. Im Kellergeschoss seines Westflügels wurde eine Hauskapelle eingerichtet, in der ein wertvoller spätgotischer Flügelaltar aus der Kirche St. Peter zur Aufstellung kam (heute in der Stadtpfarrkirche Tirschenreuth). Die Bildungseinrichtung sollte hauptsächlich dem Priesternachwuchs für die Mission dienen. Doch durfte auch eine begrenzte Anzahl von externen Schülern am Unterricht teilnehmen. Lange Zeit war das Missionshaus St. Peter das einzige Gymnasium in der nordöstlichen Oberpfalz an der Grenze zu Tschechien. Mit ihm wurde vielen Jugendlichen schon Jahrzehnte vor der Eröffnung des Stiftland-Gymnasiums, die erst 1965 erfolgte, ein höherer Schulabschluss ermöglicht.
Daneben gründete der Orden in Tirschenreuth auch ein Brüdernoviziat, um damit Laienhelfer für die Mission zu gewinnen. Die ersten acht Absolventen erhielten 1929 in der Kapelle des Missionshaues ihr Ordenskleid. Bis zur Schließung des Noviziats durch die Nationalsozialisten 1938 absolvierten hier rund 70 junge Männer Tirschenreuth ihre Ausbildung und wurden anschließend in alle Erdteile ausgesendet.
P. Anton Mairon hatte als Rektor (Amtszeit 1938-1947) während des Nazi-Regimes die schwierige Aufgabe, seine Klostergemeinschaft vor den schlimmsten Schäden zu bewahren. 1939 wurde die Schließung des Missionsgymnasiums angeordnet. Von den 21 Patres und Brüdern wurden 17 zum Kriegsdienst eingezogen, die älteren übernahmen Seelsorgeämter oder arbeiteten in der Landwirtschaft. Im Schulgebäude hat man ein Kriegslazarett eingerichtet, später eine Mädchenschule, von 1943 bis 1945 eine Blindenschule und am Ende des 2. Weltkriegs wiederum ein Lazarett. Nach dem Einmarsch der Amerikaner blieb St. Peter vorerst ein Heim für Kriegsversehrte, dann, nachdem bereits wieder mit dem Unterricht begonnen worden war, erhielt der Caritasverband noch Räume für ein Hilfskrankenhaus und ein Altersheim für Ostflüchtlinge.
Anfang der 1950er Jahre konnten Schule und Internat erweitert werden. Anstelle des alten Schlosserhauses entstand ein neues Wohnheim für Angestellte.
Den Höhepunkt der Bautätigkeit stellte die Errichtung eines modernen Gotteshauses dar. 1962 wurde neben den Missionsgebäuden der Grundstein für die Dreifaltigkeits-Seminarkirche der Steyler Missionare gelegt. Den Plan dazu lieferte der Regensburger Regierungsbaumeister Hans Beckers. Ihr markanter Grundriss in Form eines gleichseitigen Hexagons gilt als Sinnbild für die Allmacht Gottes. Der Zentralbau aus Backsteinmauerwerk mit farbigen Betonglaswänden, entworfen von Notburga Beckers, erhielt ein 21 Meter hohes Zeltdach. Ein großes Mosaik des auferstandenen Christus sowie ein Kreuzweg, beides Werke von Erich Schickling (Eggersried) schmücken das Innere des Gotteshauses, das am 30.06.1963 durch den Regensburger Weihbischof Josef Hiltl konsekriert wurde.
1967, zum 50jährigen Jubiläum, zählte das Missionshaus 15 Ordenspriester, 13 Ordensbrüder und 80 Internatsschüler. Die Steyler Missionare betrieben Landwirtschaft, eine Schreinerei, Schlosserei, Gärtnerei und später auch eine Buchhandlung, die heute von dem Lebenshilfe e.V. weitergeführt wird. 1969 musste das Missionsgymnasium aufgrund des Nachwuchsmangels im Orden aufgelöst werden. Die Schüler sowie einige Lehrer wechselten auf das städtische Stiftland-Gymnasium. Bis 1984 wurden die Internatsschüler noch im Missionshaus betreut. Aus dieser Missionsschule gingen insgesamt rund 80 Priester hervor, darunter so prominente Personen wie Bischof Odilo Etspüler (Philippinen) und Vize-Generalsuperior Adolf Graf Spreti, sowie rund 70 Brüder, aber auch viele für die Mission engagierte Laien.
2008 hat man das Missionshaus, das Angestellten-Wohnhaus, die Landwirtschaftsgebäude und den Park verkauft. Die Seminarkirche ist mit dem umliegenden Gelände im Besitz des Ordens verblieben. Es beherbergt heute eine Förderschule des Landkreises Tirschenreuth sowie einige andere soziale Einrichtungen. Der kleine Konvent der Steyler Missionare wohnt im 2. Stock zur Miete. In der Gemeinschaft lebten 2017, zum 100jährigen Jubiläum des Konvents, noch vier Priester und ein Bruder. Seit der Schließung von Schule und Internat liegen die Schwerpunkte ihrer Arbeit in der Seelsorge in den umliegenden Pfarreien und im städtischen Kreiskrankenhaus, im Beichtpastoral und in der religiösen Weiterbildung. Durch die Pflege internationaler Begegnungen und die Förderung von Missionshilfen soll die weltweite Mission der katholischen Kirche weiterhin unterstützt werden.
Christine Riedl-Valder