Vilshofen, Benediktinerabtei Schweiklberg – Zentrum der liturgischen Bewegung
Die Missionskongregation der Benediktiner von St. Ottilien in Eresing hatte bereits Anfang des 20. Jahrhunderts so viele Mitglieder, dass man mithilfe neuer Niederlassungen die Mission unterstützen wollte. Nach der Gründung von St. Ludwig im fränkischen Wipfeld waren die Mönche auf der Suche nach einem geeigneten Standort in Niederbayern. Die Diözese Passau erschien besonders geeignet, da es hier seit der Säkularisation kein Benediktinerkloster mehr gab. Nachdem man eine Reihe von säkularisierten Klosteranlagen in Augenschein genommen hatte, entschied man sich im Oktober 1904 zum Kauf des Schlösschens auf dem Schweiklberg in Vilshofen. Das Anwesen war bereits 1263 als Schenkung in den Besitz der Marienkirche von Aldersbach gelangt, im 16. Jahrhundert ist sie als „Meierhof beim Oberhaus“ urkundlich erwähnt. Es gehörte dann bis 1784 zum Passauer Bischofsstuhl und wechselte anschließend oft den Besitzer.
Prior Pater Coelestin Maier (1871–1935) von St. Ottilien bezog Anfang 1905 zusammen mit fünf Mönchen die neue Niederlassung, die der Ausbildung des Nachwuchses und der finanziellen Unterstützung der Mission in Afrika dienen sollte. Die zwischen 1909 und 1911 nach Plänen von Michael Kurz im Jugendstil erbaute Abteikirche wurde vom Prior am 2. März 1911 zu Ehren der Allerheiligsten Dreifaltigkeit geweiht. Die Klostergebäude, die sich an der Ostseite des Gotteshauses anschließen und mit ihm ein Quadrat bilden, waren bis 1927 fertiggestellt. Das Bauensemble prägt seitdem mit seiner hohen Lage auf dem Schweiklberg die Silhouette der Stadt. Bereits 1914 erfolgte die Erhebung des Priorats, das seit 1906 ein eigenes Noviziat hatte, zur selbstständigen Abtei. Zu den ersten Einrichtungen, die Gründerabt Coelestin Maier schuf, gehörten ein Schul- und Ökonomiegebäude sowie ein Internat. Das „Missionsseminar St. Benediktus“ eröffnete Ende 1906 den Betrieb. Die 22 Zöglinge der ersten Klasse waren von St. Ottilien hierher versetzt worden. Um die Ausbildung der jungen Mönche besser finanzieren zu können, gründete Abt Coelestin 1908 den Mariahilf-Missionsverein, der großen Zuspruch fand und 1910 bereits 40000 Mitglieder zählte. Steigende Teilnehmerzahlen an den Exerzitien des Klosters machten die Errichtung des Hauses „Maria Trost“ notwendig, das 1916 fertiggestellt war. Für dessen Bewirtschaftung engagierte Abt Coelestin die „Schwestern der ewigen Anbetung“. Dieser Orden war zu Beginn des Ersten Weltkriegs aus Frankreich ausgewiesen worden und suchte nach einer neuen Bleibe. Ab 1920 kümmerten sich die Schwestern um den Haushalt des Exerzitienhauses. Bereits ein Jahr später gelang ihnen mit Unterstützung der Schweiklberger Mönche die Gründung eines neuen Mutterhauses im benachbarten Ortenburg.
Um für die Schüler der oberen Klassen, die das humanistische Gymnasium Leopoldinum in Passau besuchten, eine Unterkunft zu haben, kaufte die Abtei Schweiklberg Ende 1917 das ehemalige Stahlbad „Bergfried“ (ein Kurhaus, in dem eisenhaltiges Heilwasser angewendet wurde) nahe der Festung Oberhaus. Als sinnvolle Ergänzung des eigenen großen Wirtschaftsbetriebs eröffnete die Abtei im November 1921 die „Landwirtschaftsschule Schweiklberg“. Diese Einrichtung war nur in den Wintermonaten geöffnet. Sie entwickelte sich zu einer der größten Bildungseinrichtungen dieser Art in Bayern. 1973 wurde sie geschlossen.
Im Streben nach tragfähigen wirtschaftlichen Grundlagen erwarb Abt Coelestin 1922 das Rezept für ein patentrechtlich geschütztes Destillat und ließ ab diesem Zeitpunkt in der Abtei den „Schweiklberger Geist“, einen Heilkräuterschnaps, produzieren, der sich bis heute gut verkauft. Ein weiteres Standbein kam 1927 hinzu, als das Kloster die am Fuß des Berges gelegene „Danubia-Walzmühle“ erwarb.
Unter dem zweiten Abt, Pater Thomas Graf (1935-1941) erreichte die Abtei eine erste Blüte mit einem Personalstand von 155 Mönchen. Abt Thomas distanzierte sich deutlich vom Nationalsozialismus, verbot die Gründung einer Gruppe der Hitlerjugend im Seminar und widersetzte sich der Einstellung regimetreuer Lehrer. Daher wurden 1937 alle Bildungsanstalten der Abtei verboten. Die Mönche engagierten sich in jenen Jahren sehr für die von Romano Guardini angestoßene liturgische Erneuerung, in deren Mittelpunkt die würdige und intensive Feier des Gottesdienstes stand. Die Abtei wurde zu einem wichtigen Zentrum dieser neuen Bewegung. In ihrem Geiste wurde damals auch die Abteikirche renoviert und 1936 am Passauer Studienheim „Bergfried“ die neue Christkönigskirche erbaut. Nach der Tagung einer Arbeitsgemeinschaft in Schweiklberg, an der auch Guardini teilnahm, wurde hier 1940 die „liturgische Kommission“ gegründet. Das rege geistige Leben erfuhr jedoch ein jähes Ende, als das Kloster im April 1941 von der Geheimen Staatspolizei beschlagnahmt und die Mönche zum Wehrdienst abkommandiert oder vertrieben wurden. 36 Benediktiner aus Schweiklberg fielen im Krieg. Die Klosterbibliothek mit rund 150000 Büchern wurde Nationalsozialisten geplündert, jüdische und regimekritische Publikationen wurden vernichtet. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 konnte der Orden wieder in die Gebäude einziehen, 1946 das Gymnasium behelfsmäßig eröffnen und ein Jahr später das Exerzitienhaus erneut in Betrieb nehmen. 1950 wurde die Danubia-Mühle an der Vils zu einem Wasserkraftwerk umgebaut. Die große Anzahl von Neueintritten ermöglichte dem Konvent, wieder Missionare nach Tansania, Südafrika, Kenia, Südkorea und Südamerika auszusenden. In den 1960er-Jahren zählte die Gemeinschaft über 130 Mönche.
Während der Amtszeit von Pater Christian Schütz (1982–2007) erfolgte eine ganze Reihe von Baumaßnahmen. Unter anderem hat man 1997/98 das Innere der Abteikirche umgestaltet und den Chorraum mit afrikanischen Schnitzereien von Benson Ndaka (Kenia), die den Kreuzweg darstellen, ausgestattet. Im Jahr 2000 wurde die neue „Dreifaltigkeits-Orgel“ eingeweiht. Bis 2002 wurde der gesamte Klostertrakt renoviert. Auch im schulischen Bereich gab es große Veränderungen. Das an das Gymnasium angegliederte Internat wurde in den 1990er-Jahren aufgelöst. Seit 1999 wurde die sechsstufige „Coelestin-Maier-Realschule“ aufgebaut und zugleich das Gymnasium schrittweise aufgelöst. Zwischen 2002 und 2004 hat man den Schulbau technisch auf den neusten Stand gebracht und erweitert. Die Schule, die gegenwärtig von rund 300 Jugendlichen besucht wird, steht seit 2011 unter weltlicher Leitung. Die Patres sind jedoch weiterhin in der Bildungs- und Erziehungsarbeit, in der Seelsorge der umliegenden Pfarreien und in Werkstätten des Klosters tätig. Eine Reihe von Handwerksbetrieben trägt auch heute noch zum autarken Bestehen der Abtei bei: Zimmerei, Schreinerei, Schlosserei, Schmiede, Malerei, Maurerei, Elektrowerkstatt, Kraftwerk, (Obst-)Gärtnerei und nicht zuletzt der „Schweiklberger Geist“. Das Kloster verfügt über eine eigene Pflegestation, in der die alten und kranken Mönche versorgt werden. Seit dem Jahr 2000 gibt es in Schweiklberg einen Klosterladen, der die eigenen Produkte anbietet und eine Caféteria. Nebenan ist in der ehemaligen Seminarkirche das Schwarzafrika-Museum untergebracht mit einer Vielzahl von Exponaten zur traditionellen afrikanischen Stammeskunst. Unter Pater Rhabanus Petri, der 2007 zum sechsten Abt des Klosters gewählt wurde, konnte der Konvent, dem derzeit 40 Mönche angehören, 2014 das 100-jährige Jubiläum der Erhebung zur Abtei feiern.
(Christine Riedl-Valder)
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