Tutzing, Mutterhaus der Missionsbenediktinerinnen


 

GESCHICHTE

Tutzing, Mutterhaus der Missionsbenediktinerinnen – Weltweiter Einsatz


Das Tutzinger Frauenkloster entwickelte sich innerhalb der letzten hundert Jahre zum Dreh- und Angelpunkt missionarischer Aktivitäten in aller Welt. Seine Gründungsgeschichte ist eng verknüpft mit der Erzabtei St. Ottilien in Eresing (siehe dort). Beide Gemeinschaften gehen auf den Schweizer Benediktiner Josef Georg Amrhein (1844–1927; Ordensname: Pater Andreas) aus Kloster Beuron zurück. Amrhein verfolgte die Absicht, die benediktinische Mission in den außereuropäischen Raum auszuweiten. Er gründete 1884 ein Männerkloster im oberpfälzischen Reichenbach (siehe dort). Ein Jahr später stellte er auf dem 32. Deutschen Katholikentag in Münster seine Idee einer „benediktinischen Gemeinschaft für die Missionierung ausländischer Gebiete“ vor.Daraufhin schlossen sich ihm am 24. September 1885 vier Schwestern aus Westfalen an. Die beiden Konvente wurden 1887 nach Emming am Ammersee verlegt. Dort entstanden die Klöster St. Andreas und St. Katharina (1891 eingeweiht). Beide Konvente verzeichneten zahlreiche Neueintritte. Nach der Ausbildung im klostereigenen Missionsseminar wurden bereits noch im selben Jahr zehn junge Männer und vier Frauen nach Übersee geschickt. Die erste Missionsstation entstand 1888 in Pugu, südöstlich von Daressalam in Ostafrika. Sie existierte jedoch nur kurz. Bei ihrer Zerstörung wurden die Mönche und Nonnen entweder ermordet oder kamen in Gefangenschaft. Viele weitere Ordensleute verloren dort infolge von Krankheiten und Unruhen, beispielsweise während des Maji-Maji-Aufstand der Einheimischen gegen die deutsche Kolonialherrschaft (1905-1907), ihr Leben.

Trotz dieser Hiobsbotschaften erhielten die beiden Klöster in St. Ottilien weiterhin viele Aufnahmegesuche. Bereits 1896 gehörten den Gemeinschaften 16 Patres, 13 Kleriker, 46 Brüder und 71 Schwestern an. Um die Jahrhundertwende reisten Missionsschwestern nach Lateinamerika. 1903 sandte der Konvent acht Missionarinnen aus, um die Station Olinda in Nordbrasilien zu gründen; bald darauf folgte Sorocaba in Südbrasilien. Obwohl die Missionarinnen für ihren Einsatz immer wieder einen hohen Blutzoll zahlen mussten, nahm ihre Zahl weiter beständig zu. Die Raumnot in St. Ottilien wurde in dieser Zeit zu einem großen Problem; daher fasste man den Entschluss, dass der Schwesternkonvent einen eigenen Stammsitz erhalten sollte.

1904 übersiedelte die Schwesterngemeinschaft mit 69 Professen, neun Novizinnen und 15 Postulantinnen nach Tutzing an die Westseite des Starnberger Sees. Der Konvent hatte dort bereits seit 1887 das Gärtnerhaus in der Villa des Arztes Johann Nepomuk Ringseis (1785–1880) und seiner Familie zum Betrieb eines Kindergartens genutzt. Nach dessen Vergrößerung und dem Einbau einer Kapelle waren 1891 sechs Schwestern dort eingezogen. In diesem Filialkloster, das die Töchter Ringeis dem Orden gestiftet hatten, wurde der mittlerweile staatlich anerkannte Kindergarten weiter betrieben. Auf dem dahinter liegenden Grundstück entstand der Neubau des Mutterhauses im Stil des Historismus. Die dreiteilige Anlage zu vier Geschossen mit Ecktürmen, Flügelbauten und Maria-Hilf-Kapelle wurde 1903/04 von Max Kurz erbaut.

Unter der Leitung der ersten Generalpriorin, M. Birgitta Korff (Amtszeit 1895–1920) erfolgte von Tutzing aus die Gründung von Missionsstationen in Brasilien, Korea, auf den Philippinen und in Südafrika. 1914 wurden vier Schwestern nach Bulgarien in die Pfarreien deutscher Siedler entsandt, um dort Schulunterricht, pastorale Arbeit und Krankenpflege zu leisten. Vor und nach dem Ersten Weltkrieg hatte der Orden großen Zulauf und jährlich 60 bis 80 Neueintritte zu verzeichnen. In Südafrika entstanden die Priorate Inkamana (1922) und Windhoek (1923) im heutigen Namibia.

In dieser Zeit erhielt das Mutterhaus auch ein Gesuch des Erzbischofs von Omaha in den Vereinigten Staaten, der um die Übernahme der Pfarrschule in Raeville, Nebraska, bat. In der Folgezeit entstand dort das Priorat Norfolk. Die Schwestern kümmerten sich dort nicht nur um die deutsche Bevölkerung, sondern auch um die Angehörigen der Indianerstämme.

1924 wurden die Missionsbenediktinerinnen zu einer Kongregation „päpstlichen Rechts“ erhoben. Der Radius ihrer internationalen Aktivitäten weitete sich immer mehr aus: nach Nordkorea, Angola, Kenia und Portugal. In Korea mussten nach der Machtübernahme durch die Kommunisten einige Schwestern ihr Leben lassen. Über die Ereignisse im Ausland berichtete ab 1925 regelmäßig das „Missions-Echo der Missions-Benediktinerinnen von Tutzing“, das bis 1965 im Missionsverlag St. Ottilien erschien und dann durch das Magazin "kontinente" mit Verlagssitz in Köln abgelöst wurde. Diese Zeitschrift wird derzeit (2020) von 27 Ordensgemeinschaften getragen. Für ihre fundierte Berichterstattung aus der „Dritten Welt“ wurde sie bereits mehrfach mit dem renommierten „Best of Corporate Publishing Award“ ausgezeichnet.

Die Kongregation der Missions-Benediktinerinnen ist heute (2020) auf vier Kontinenten und in 18 Ländern vertreten. Innerhalb dieser Gemeinschaft leben und arbeiten rund 1.300 Schwestern, die 27 Nationalitäten angehören. Prioratshäuser befinden sich in Daegu, Manila, Nairobi, Ndanda, Norfolk, Olinda, Peramiho, Rom, Seoul, Sorocaba, Torres Novas und Windhoek. Die Generalleitung der Kongregation hat ihren Sitz in der Casa Santo Spirito in Rom. Das Amt der Generaloberin liegt seit 2018 in den Händen der Koreanerin Sr. Maoro Sye OSB. In Rom lebt auch eine Gemeinschaft von Schwestern aus aller Welt, die ein Gästehaus betreiben.

Mit dem Tutzinger Mutterhaus verbunden sind auch die Gemeinschaften in Wessobrunn (bis 2012, siehe dort), Bernried (seit 1949, siehe dort) und Dresden (seit 1992). In Tutzing befand sich zwischen 1995 und 2011 das Noviziat der Missionsschwestern, in dem junge Frauen aus aller Welt die Ordensgemeinschaft kennenlernen und auf das Ordensleben vorbereitet werden (heute in Bernried). Die Mitglieder des Tutzinger Konvents engagieren und engagieren sich in vielfältigen Bereichen: in der ambulanten Krankenpflege, in dem seit 1945 betriebenen Krankenhaus (2011 an einen privaten Träger verkauft), in der von 1948 bis 2006 angeschlossenen Krankenpflegeschule, im Kindergarten(seit 1970 in Trägerschaft der kath. Pfarrgemeinde Tutzing), und in der „Benedictus-Realschule-Tutzing“, deren Anfänge in das Jahr 1904 zurückreichen (2004 vom Schulwerk der Diözese Augsburg übernommen). Daneben wird das Gästehaus „Maria-Hilf“ in der gleichnamigen, 1890 erbauten, Kapelle bewirtschaftet. Im „Haus Sankt Benedikt“, das der Generalleitung in Rom unterstellt ist, finden kranke und alte Missionarinnen Heimstatt und Pflege. Die Klosterkirche wurde 2003/2004 unter der Leitung des Architekten Robert Reutter, sowie des Künstlers und Restaurators Erwin Wiegerling und in Zusammenarbeit mit dem Konvent neu gestaltet. Der Gemeinschaft im Kloster Tutzing, das seit 2015 unter der Leitung von Priorin Ruth Schönenberger OSB steht, gehören derzeit (2020) 70 Schwestern im Alter von 28 bis 97 Jahren an.


(Christine Riedl-Valder)

Link:

http://www.missions-benediktinerinnen.de

http://www.osb-tutzing.it/de/html/deutschland.html

http://www.bildungshaus-bernried.de



 

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