Wiesent, Heilsberg


 

GESCHICHTE

Wiesent, Hermannsberg - Leben in Stille und Einsamkeit

 

 

Freiherr Hermann Josef von Lemmen begründete 1796 in seiner Hofmark Wiesent eine Niederlassung der Solitarier. Diese ?Gesellschaft von der heiligen Einsamkeit?, 1787 von dem Priester Silvestre Receveur in Fontenelles (Diözese Besançon) gegründet, war im Zuge der französischen Revolution aus ihrer Heimat vertrieben worden, und versuchte nun, in der Schweiz, in Deutschland und Österreich Fuß zu fassen. Die Mitglieder dieser Bruderschaft ? Geistliche und Laien ? waren an kein Gelübde gebunden. Sie lebten, nach Geschlechtern getrennt, zusammen. Ihre Regeln verlangten für zwölf Stunden des Tages absolutes Stillschweigen, außerdem äußerste Armut und Fasten. Die Ernährung musste rein vegetarisch sein. Die Solitarier widmeten sich der Handarbeit, der Unterrichtung der Jugend und hielten Exerzitien ab.

Baron Lemmen erreichte mit viel Mühe die Duldung der Gesellschaft durch die Regierung. Drei Brüder und 14 Schwestern, unter ihnen Kranke und Behinderte, die vor den Verfolgungen der französischen Revolutionäre geflohen waren, zogen unter der Leitung ihres Direktors, des Abbé Jean Lombard, zunächst in Schloss Ettersdorf ein. Der Gründer der Gesellschaft, Pater Receveur, versuchte anschließend mithilfe des Barons auf dem nahe gelegenen Weinberg (der zu Ehren des Barons später ?Hermannsberg? genannt wurde) ein großes Kloster zu gründen. Dazu berief er die übrigen verstreuten Gruppen der Gemeinschaft nach Wiesent. Brüder und Schwestern wurden getrennt auf zwei Seiten des Berges in Holzhütten untergebracht. In der Mitte errichtete man eine Kapelle mit zwei Zugängen. Zusammen mit dieser Gruppe französischer Einsiedler kam für ein halbes Jahr auch Jeanne-Antide Thouret (1765?1826; 1934 Heiligsprechung), die spätere Gründerin der ?Barmherzigen Schwestern unter dem Schutz des hl. Vinzenz von Paul?, nach Wiesent. An ihren Aufenthalt erinnert ein aufwändig gestaltetes Flurdenkmal, das die Gemeinde Wiesent 1994 an der Straße von Wiesent nach Ettersdorf zu Ehren der Heiligen errichtete.

1797 erfolgte die landesherrliche Genehmigung der Niederlassung. Das Bischöfliche Ordinariat in Regensburg verhielt sich jedoch ablehnend, da es das enge Zusammenleben von weiblichen und männlichen Einsiedlern nicht akzeptierte und die Ordensregeln als zu wenig durchdacht erachtete. Die geistliche Gemeinschaft entwickelte sich in Wiesent anfangs gut und konnte sogar neue Mitglieder aus der ansässigen Bevölkerung verzeichnen. Mit dem Regierungswechsel in Bayern im Jahr 1799 trat jedoch mit dem neuen Kurfürsten Maximilian IV. Joseph und seinem von der Aufklärung geprägten Minister Montgelas eine klosterfeindliche Regierung an. Bereits am 24. August 1799 erfolgte, ausgelöst durch einen Antrag der Regensburger Domherren an die Regierung, das Dekret zur Auflösung der Wiesenter Niederlassung. Darin wurde argumentiert, dass die Solitarier für die wahre Religion und den Staat schädlich seien und deshalb nicht länger geduldet werden könnten. Ihr Besitz sollte innerhalb von drei Monaten verkauft werden. Der Einspruch, den Baron von Lemmen und Pater Receveur einreichten, blieb ohne Erfolg. Der Vollzug der Ausweisung der französischen Emigrantenkongregation zog sich zwei Jahre lang hin. Ende 1801 reiste die letzte Gruppe der Solitarier nach Rom ab. Von ihrer Kapelle und den Einsiedlerzellen haben sich keine Spuren erhalten. Das Ursulinenkloster aus Straubing errichtete an dieser Stelle später ein großes Landgut. Heute ist der Hermannsberg zu einem Sinnbild für die gesellschaftliche Integration behinderter Menschen geworden; die Katholische Jugendfürsorge Regensburg betreibt hier ein Bildungs- und Freizeithaus sowie Werkstätten.

 

Christine Riedl-Valder



 

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