Nürnberg, Schottenkloster St. Ägidien


 

GESCHICHTE

 

Nürnberg, Schottenkloster St. Ägidien – Bildung in der Reichsstadt

 

 

 

Um das Jahr 1140 übertrugen König Konrad III. (reg. 1138–1152) und seine Gemahlin Gertrud von Sulzbach ihrem Kaplan Carus aus dem Regensburger Schottenkloster St. Jakob die Nürnberger Egidienkapelle, damit dieser hier an der staufischen Hofkirche ein Kloster errichten sollte. Auch der Wirtschaftshof und die Ländereien, die der Abtei überschrieben wurden, stammten aus altem Königsgut. Carus brachte die ersten Mönche aus seinem Stammkloster in Regensburg mit. Noch im 12. Jahrhundert erbaute sein Nachfolger, Abt Declanus (er amtierte ab circa 1146) eine dreischiffige Basilika im romanischen Stil, die ebenfalls aus Mitteln des Königshauses finanziert wurde. Bei der bis heute bestehenden Euchariuskapelle an der Südseite der Kirche handelt es sich um die alte, im dritten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts entstandene Egidienkapelle. In der daneben befindlichen Wolfgangskapelle vermutet man die Überreste des ersten steinernen Klosterbaus.

 

Die Nürnberger Schottenmönche versuchten in der Folgezeit ihre Unabhängigkeit mit einer gefälschten Urkunde zu untermauern, nach der angeblich schon der Stauferkönig Heinrich VII. auf Verlangen des Abtes Martin das Kloster 1225 direkt dem Reich unterstellt und damit von allen Steuerverpflichtungen an Territorialherren befreit haben soll. Papst Alexander IV. stellte St. Egid 1257 unter seinen Schutz. 1264 bestätigte Papst Urban IV. dem Kloster die Kirche in Altenfurt und Besitzungen in den Dörfern Neuses, Heblesricht, Hüll und Wetzendorf. Außerdem verlieh er ihm das Recht der freien Abtswahl, sodass es mehr Selbstständigkeit erlangte. Kirchenrechtlich gehörten die Mönche zum Ordenskapitel der Mainzer Provinz. Sie waren dem Schottenabt in Regensburg unterstellt, der sie 1298 visitierte und maßregelte. 1340 übertrug Kaiser Ludwig der Bayer die königlichen Rechte, die an dem Kloster bestanden, auf den Nürnberger Reichsschultheißen. Aus dessen Machtbereich nahm dann auch der Rat der Stadt Nürnberg Einfluss auf die Niederlassung. Mitte des 14. Jahrhunderts wurde der Chor der Euchariuskapelle abgebrochen und an seiner Stelle eine Marienkapelle errichtet, die der Patrizierfamilie Tetzel als Totenkapelle diente.

 

Anfang des 15. Jahrhunderts hatte die Disziplin im Kloster stark nachgelassen. Die Anlage war heruntergewirtschaftet, ein Großteil der Besitzungen und Wertgegenstände verschleudert; für die Prozessionen an den hohen Feiertagen mussten sich die Mönche sogar ihren Ornat bei den Augustinern ausleihen, da sie ihre Gewänder verpfändet hatten. Die Stadt und der Bamberger Bischof Albrecht von Wertheim beschlossen, das Egidienkloster zu reformieren. 1418 zogen acht Mönche aus dem Oberpfälzer Reformkloster Reichenbach in der Abtei ein und bildeten den erneuerten Konvent unter Abt Georg Möringer (reg. 141–1427 und 1435–1465). Die geistliche Gemeinschaft erlebte anschließend eine Blütezeit, die sich auch in mehreren Baumaßnahmen zeigte: Ein Gebäude für die Unterbringung der Laienbrüder entstand ab 1419 im Klosterhof. Ein Jahr später begann man mit der Anlage des Kreuzgangs. 1425 wurde ein Schulhaus errichtet, das einen guten Ruf errang und rund 45 Jahre später mit 230 Schülern die größte Bildungsstätte in der Reichsstadt darstellen sollte. Die baufällig gewordene Abteikirche hat man ab 1429 modernisiert. Der Chor mit neuen Glasfenstern und die Sakristei wurden bereits 1430 durch den Bamberger Bischof Friedrich von Aufseß geweiht. In den folgenden Jahren arbeitete man an der Ausbesserung der Kirchendächer und der Einwölbung des Langhauses. Nach dem Tod von Abt Heinrich von Gulpen, einem Professor für Kirchenrecht aus Heidelberg, wurde Georg Möringer, der zwischenzeitlich nach Reichenbach zurückgekehrt war, erneut zum Abt gewählt. Während seiner zweiten Amtszeit tagte 1438, 1448 und 1459 das Generalkapitel des Ordens unter seinem Vorsitz im Egidienkloster. Nachdem sich die Erneuerungsbestrebungen im Nürnberger Schottenkloster durchgesetzt hatten, konnten von hier aus die Klöster von Donauwörth (1439), Mönchröden bei Coburg (1446) und Münsterschwarzach (1466) reformiert werden. Unter Abt Johann Radenecker (reg. 1477–1504) erlebte die Abtei eine letzte geistige Blüte, gleichzeitig nahmen erneut die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu. Um die Schulden decken zu können, mussten Teile des Kirchenschatzes verkauft werden. Trotzdem entschloss man sich noch 1485, den Kirchturm zu erhöhen.

 

Das Gedankengut des Humanismus und der Reformation fand unter den Ordenleuten zahlreiche Anhänger. Das Schottenkloster erwarb einen Großteil der Bibliothek des Humanisten Hartmann Schedel. Auch der Dichter Benedikt Schwalbe, der zu Albrecht Dürers „Passion“ und „Marienlebe“ die lateinischen Verse schrieb, lebte damals in St. Egidien. Er verfasste Verse über die Gründung und die Äbte des Klosters für einen von Hans von Kulmbach geschaffenen Glasfensterzyklus im Kreuzgang. Um 1514 wechselte er in das Wiener Schottenkloster und entfaltete dort seine literarische Tätigkeit in engem Kontakt zum Kaiserhaus. Durch die Theologen des Augustiner- und Kartäuserklosters waren die Ideen der Reformation in Nürnberg weit verbreitet. Martin Luther selbst soll 1517 in der Egidienkirche gepredigt haben. Nach heftigen Konflikten setzte der Konvent 1520 Abt Wolfgang ab und erwählte an seiner Stelle den lutherisch gesinnten Friedrich Pistorius (1486–1553). Dieser war maßgeblich an dem Religionsgespräch beteiligt, das im März 1525 zur Einführung der Reformation in Nürnberg geführt wurde. Im Juli desselben Jahres übergab Pistorius die Abtei, in der noch 25 Mönche lebten, dem Stadtrat. Die Klostergüter gingen an das Almosenamt über. Damit war das Schottenkloster St. Egiden aufgelöst. Bereits ein Jahr später richtete hier der Wittenberger Gelehrte Philipp Melanchthon auf Wunsch des Stadtrats anstelle der alten Klosterschule ein Gymnasium ein (1575 nach Altdorf verlegt). Nach dem Augsburger Religionsfrieden gab es zwei vergebliche Versuche, die ehemaligen Klostergüter für den Benediktinerorden zurückzugewinnen, nämlich 1578 durch den schottischen Bischofs John Leslie im Auftrag der katholischen Königin Maria Stuart und ab 1629 von einer bischöflich-bambergischen Kommission, die ein römisches Restitutionsedikt durchsetzen wollte.

 

1696 zerstörte ein Brand das ehemalige Egidienkloster und die Abteikirche. Kirche und Schule wurden im frühen 18. Jahrhundert wiedererrichtet. Am Nürnberger Egidienplatz steht heute noch die auf das Kloster zurückgehende Egidienkirche; sie wurde nach Kriegszerstörung 1959 wieder hergestellt und dient nun als Hauptkirche der evangelisch-lutherischen Gemeinde St. Egidien.

 

 

 

Christine Riedl-Valder

 



 

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