Neumarkt, Kapuzinerkloster


 

GESCHICHTE

 

Neumarkt i. d. Oberpfalz, Kapuzinerkloster - Beim Volk beliebt und geachtet

 

 

 

Als sich im 16. Jahrhundert die Lehren Martin Luthers in der katholischen Oberpfalz verbreiteten, wurde auch hier der evangelische Glaube zunehmend favorisiert und unter Pfalzgraf Friedrich II. (reg. 1544–1556) als Staatsreligion eingeführt. Die folgenden 70 Jahre waren geprägt von einem ständigen Wechsel der religiösen Lehren, je nachdem, ob der jeweilige Pfalzgraf gerade Lutheraner oder Calvinist war. Nach dem Sieg der Katholiken in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag im Jahr 1620 wurde die Oberpfalz von bayerischen Truppen besetzt. Zur Missionierung der lutherischen und kalvinistischen Bewohner berief der bayerische Kurfürst Maximilian I. (reg. 1598–1651, seit 1623 Kurfürst) im Jahr 1627 die Kapuziner nach Neumarkt. Die Anfangsjahre waren hart für die Mönche, da die schwedischen Truppen von 1633 bis 1635 und von 1646 bis 1649 Neumarkt besetzten und die Protestanten schützten. Die Patres wohnten vorerst im Schloss und benutzten die Hofkirche für den Gottesdienst. Später zogen sie in den dortigen Pfarrhof, den zuvor der calvinistische Hofprediger bewohnt hatte. Ein erster Erfolg ihrer Bemühungen war die 1628 gegründete Corpori-Christi-Bruderschaft, die bereits im ersten Jahr ihres Bestehens mit zahlreichen Gläubigen eine Wallfahrt nach Bettbrunn bei Ingolstadt veranstaltete. 1639 bekamen die Kapuziner zu Wohnzwecken mehrere Häuser bei der Hofkirche zugewiesen.

 

Erst 1674 wurde das Hospiz zum Konvent erhoben. Kurfürst Ferdinand Maria (reg. 1651–1679) überließ den Kapuzinern seinen Hofgarten vor den östlichen Mauern der Stadt, wo die Mönche ein großes Kloster mit 27 Mönchszellen errichteten. Die Bruchsteine für den Bau wurden zum Teil von der ehemaligen Burg Wolfstein genommen, die seit 1607 Ruine war. Zu der Niederlassung gehörte eine einfache kleine Kirche (Grundsteinlegung 1674, Weihe am 3. Oktober 1677 durch den Eichstätter Weihbischof Wilhelm Ludwig Benz), die dem bekannten Franziskanerheiligen Antonius von Padua geweiht war. Neben dem Hauptaltar besaß sie zwei Seitenaltäre zu Ehren der Heiligen Franz von Assisi und Felix. Daneben existierte noch eine Marienkapelle, in der ein Madonnenbildnis von der Bevölkerung sehr verehrt wurde. Um den Ordensleuten den kürzestem Weg zu ihren seelsorgerischen Diensten im Zentrum zu ermöglichen, ließ man 1677 einen Holzsteg über den Stadtgraben errichten und die Umfassungsmauer mit einer neuen Öffnung, dem „Klostertürl“, versehen. Die Neumarkter Kapuzinermönche nahmen ihre Aufgabe, möglichst viele Menschen wieder zum katholischen Glauben zu bekehren, sehr ernst und waren darin außerordentlich erfolgreich. Ihre Missionstätigkeit erstreckte sich weit in das Umland, von Neumarkt bis nach Nürnberg. 1761 erhielt der Konvent vom Ordenskapitel und vom Landesfürsten die Genehmigung, ein Brauhaus für den Eigenbedarf zu betreiben. Aus einer Aufstellung, die die kurfürstliche Regierung im Jahr 1788 vom Kloster forderte, geht hervor, dass der Konvent damals aus 27 Kapuzinern bestand (20 Patres, zwei Kleriker, fünf Laienbrüder), die vor allem mit Predigt-, Mess- und Beichtdiensten in der Neumarkter Stadtpfarrkirche, in der Hofkirche, in der eigenen Klosterkirche, am Kalvarienberg und im Umland tätig waren.

 

Die Patres erfreuten sich aufgrund ihrer Bescheidenheit und der priesterlichen Dienste, die sie leisteten, weithin großer Beliebtheit. Deshalb war die Betroffenheit in der Bevölkerung groß, als das Kloster im Jahr 1802 auf staatliche Anordnung hin aufgehoben werden sollte. Eine Abordnung der Bürgerschaft reiste nach München, um den Kurfürsten zu bitten, die Kapuziner in Neumarkt weiter arbeiten zu lassen. Kurfürst Maximilian gab seine Zusage. Als es daraufhin im Juni 1802 trotzdem zur Aufhebung des Klosters kam, war die Bevölkerung derartig erzürnt, dass man den Abtransport der Kapuziner in das Zentralkloster nach Altötting nur mit militärischer Unterstützung durchführen konnte. Die Gebäude der Kapuziner wurden 1804 versteigert; ihre Kirche in drei Scheunen und Wirtschaftsgebäude aufgeteilt. Einen Teil der Anlage nutzte man weiterhin als Brauhaus. Die Zimmer wurden an Arme zu Wohnzwecken vergeben. Später wurde in einem restaurierten Teil des Klosters eine Mädchenschule untergebracht. Eine Madonna und ein Kreuz aus der Ordenskirche kamen 1842 in das Gotteshaus von Lippertshofen. Das oben erwähnte „Klostertürl“ wurde 1855 befahrbar gemacht, indem man ein steinernes Tor und eine Brücke über den Stadtgraben errichtete. Die wertvolle Muttergottesstatue aus der Zeit um 1500, die einst das Eingangstor des Kapuzinerklosters schmückte, wurde 1952 durch eine Kopie ersetzt. Das Original befindet sich heute in der Kapelle des Neumarkter Kreiskrankenhauses.

 

Im frühen 19. Jahrhundert siedelten sich viele evangelische Bürger aus der näheren Umgebung und aus Franken in Neumarkt an, vor allem Kaufleute und Soldaten des Chevauxleger-Regiments mit ihren Familien. Zum Gottesdienst mussten sie einen dreistündigen Fußweg bis nach Sulzbürg zurückzulegen. Deshalb kauften die damals 140 Gemeindemitglieder 1854 einen Teil der ehemaligen Kapuzinerklosterkirche und bauten ihn zu einem evangelischen Gottesdienstraum um. Nach mehr als 230 Jahren fand bei der Einweihung am 16. Dezember 1855 zum ersten Mal wieder ein evangelisch-lutherischer Gottesdienst in Neumarkt statt. In der Folgezeit wurden weitere Zukäufe, Umbauten und Modernisierungen getätigt. Die ehemalige Ordenskirche dient heute als evangelische Hauptkirche Neumarkts. Zur 130-Jahr-Feier im Jahr 1985 wurde ihr der Name „Christuskirche“ verliehen. Die Reste der Klostergebäude in der Kapuzinerstraße werden in unseren Zeiten zu Wohnzwecken oder gewerblich genutzt.

 

 

 

Christine Riedl-Valder

 

 

 

Link:

 

http://www.neumarkt-evangelisch.de/seiten/234.htm

 

 

 

 



 

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