München, Unsere Liebe Frau


 

GESCHICHTE

Unsere Liebe Frau, München ? geistliche Berater des bayerischen Hofes

Als der ab 1468 von Stadtbaumeister Jörg von Halsbach geplante Neubau der Münchner Frauenkirche 1492 eingeweiht wurde, wünschte Herzog Albrecht IV., dass dieses bedeutende Gotteshaus, in dem sich das Kaisergrab Ludwigs des Bayern und das wittelsbachische Erbbegräbnis befanden, auch einen entsprechenden Klerus für feierliche Gottesdienste erhielt. Die Mitglieder des neuen Stifts sollten gleichzeitig einem geistlichen Rat angehören, der dem Herzog in Kirchenfragen beratend zur Seite stand. Um zusätzliche Ausgaben zu vermeiden, sollten dafür andere Stiftungen an die Frauenkirche überführt werden. Mit Einwilligung des Papstes wurden daraufhin die Kollegiatstifte Schliersee und Ilmmünster aufgehoben und nach München übertragen. Für die neue Institution ?Unsere Liebe Frau? an der Frauenkirche waren Propst, Dekan und zwölf Kanoniker vorgesehen. Die Pfarreien, die zu den aufgelösten Stiften gehört hatten, wurden übernommen. Der herzogliche Kanzler J. Neuhauser entwarf die Statuen für das Stift und wurde auch dessen erster Propst. Es wurde festgelegt, dass dieses Amt nur ein Priester des bayerischen Georgiritterordens innehaben konnte. Voraussetzung für ein Kanonikat waren eine Abstammung aus dem Adel oder dem Münchner Patriziat oder ein akademischer Grad und die Priesterweihe. In der Regel bestand der Konvent aus fünf Adeligen, fünf Juristen und vier Bürgerlichen. Das Stift pflegte stets engste Kontakte zum bayerischen Hof. Ehrungen blieben deshalb nicht aus: 1595 erhielt der Propst die Pontifikalien, 1739 auch der Dekan. Nicht zuletzt durch die Kleidung wurde die Bedeutung des Liebfrauenstifts hervorgehoben: 1769 erhielten die Dignitäre (Propst und Dekan) einen rot-violetten, die Kanoniker einen schwarzen Talar, dazu die Cappa Magna, das Rochett und ein Kapitelzeichen an violettem Bande. Im Winter und bei festlichen Gelegenheiten trugen alle ein Almutium aus Feh.

Die Einrichtung der Stiftskirche stammte größtenteils aus der alten Frauenkirche. Das Stift beauftragte Erasmus Grasser mit der Anfertigung eines Chorgestühls, das 1502 aufgestellt wurde. Laut angebrachter Wappen stifteten mehrere Chorherren Glasgemälde und Tafelbilder. 1580 wurden die Reliquien des hl. Benno aus der von Eiferern zerstörten Grabstätte im Meißener Dom gerettet und nach München übertragen. Daraufhin entwickelte sich bald eine beliebte Wallfahrt zum Grab des Heiligen in der Frauenkirche. 1604 wurde deshalb die Sakristei nach Westen verlängert und am Choreingang der berühmte Bennobogen, ein stuckierter Triumphbogen, von Hans Krumpper errichtet. Dies gab den Auftakt zur barocken Umgestaltung der gesamten Einrichtung. Das Gotteshaus verfügte schließlich über 20 Altäre und viele Messbenefizien. Im 18. Jahrhundert erhielt es eine prächtige Rokokoausstattung durch Ignaz Günther. Nach dem Willen des Kurfürsten wurde 1783 das Augustinerchorherrenstift Indersdorf aufgehoben und sein Vermögen an das Liebfrauenstift übertragen. Mit dem Geld wurden Präbenden für die Hofkapläne geschaffen, die in ein zusätzliches junges Gremium mit Vizekanzler und sechs Kanonikern an der Frauenkirche aufgenommen wurden.

1803 kam die Aufhebung des Stifts. Schon drei Jahre zuvor hatte man den reichen Silberschatz zum größten Teil konfisziert. 1817 wurde das Bistum Freising nach München verlegt und die Frauenkirche zur Hauptkirche des Erzbischofs gewählt. Die ehemaligen Rechte des Liebfrauenstifts gingen zum Teil auf das neue Domkapitel über. Ab 1858 wurde die wertvolle Rokokoeinrichtung ein Opfer des Zeitgeschmacks. An ihrer Stelle entstand eine neugotische Ausstattung. Nur der Außenbau blieb aus Geldmangel unangetastet. Nach schweren Kriegsschäden 1943/44 erfolgte von 1947 bis 1957 der Wiederaufbau. Die jüngste Restaurierung von 1990 bis 1994 rekonstruierte die Raumfassung der Erbauungszeit und brachte wieder rund 400 historische Kunstwerke an ihre ursprünglichen Bestimmungsorte zurück.

Christine Riedl-Valder



 

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