München, Hieronymitenkloster St. Anna – Seelsorger für die armen Münchner
Die Eremiten des hl. Hieronymus von der Kongregation des seligen Petrus von Pisa siedelten sich 1688 mit Unterstützung der Kurfürstin Maria Antonia in einem kleinen Kloster auf einer Halbinsel am Walchensee an. Bald ergaben sich jedoch schwerwiegende Differenzen mit dem Kloster Benediktbeuern, in dessen Herrschaftsbereich das Walchenseegebiet lag. Deshalb berief Kurfürst Max Emanuel die Hieronymiten in die rasch anwachsende Münchner Vorstadt Lehel zur Seelsorge. Das Lehel war damals Wohngebiet für alle diejenigen, denen man wegen ihrer Armut die Niederlassung im Stadtgebiet verweigerte. 1724 wurde das Gebiet dem Burgfrieden einverleibt. Das Lehel ist damit älteste Münchner Vorstadt. Der bekannte bayerische Barockarchitekt Johann Michael Fischer errichtete hier ab 1727 die Klosterkirche für die Hieronymiten, die als erster sakraler Rokokobau Altbayerns in die Architekturgeschichte eingehen sollte. Das Kurfürstenpaar spendete den Bau zugleich als Votivkirche anlässlich der Geburt des Kurprinzen Maximilian III. Joseph. Die Grundsteinlegung erfolgte durch Kurfürstin Maria Amalie. Erstklassige Künstler übernahmen die Innenausstattung, unter ihnen die Gebrüder Asam (Deckenfresken, Altarblätter und Stuck) und Johann Baptist Straub (Tabernakel und Kanzel). Bei der Einweihung 1737 erhielt das Gotteshaus das Patrozinium der hl. Anna. In der Folgezeit lebten die Eremiten hier in strenger Askese. Zu ihren Aufgaben gehörten die Seelsorge in der Pfarrei, das Predigt- und Bußamt an ihrer Kirche sowie die Betreuung der frommen Vereinigungen, wie St. Anna-Bruderschaft und Jungfrauenbund. Mit der Einführung neuer Andachten sorgten die Hieronymiten für eine Belebung des kirchlichen Lebens in ihrem Wirkungskreis.
1807 musste das Kloster im Zuge der Säkularisation vollständig geräumt werden. Die Eremiten wurden vertrieben. Ein Jahr später richtete man in dem Gebäude eine Kaserne ein. Die Klosterkirche diente einer neu gegründeten Pfarrei als Pfarrkirche. 1827 zogen auf Veranlassung König Ludwigs I. Franziskaner in das ehemalige Kloster ein und übernahmen die seelsorgerische Betreuung. Ein 1849 aus Bürgern gebildeter „Turmbauverein“ verfolgte das Ziel, durch den Bau von Türmen eine optische Verbindung zur Altstadt herzustellen. Dem Zeitgeschmack folgend, riss man die Barockfassade ab. August Voigt errichtete 1852/53 eine neoromanische Doppelturmfassade. Bei einem Fliegerangriff wurde die St. Annakirche 1944 bis auf die Außenmauern zerstört. Bis 1951 wurde sie in einfacherer Form wieder aufgebaut und die neoromanische Fassade teilweise abgetragen. 1968 entschloss man sich, den ursprünglich barocken Zustand wiederherzustellen. Dabei wurde auch das Deckenbild der Gebrüder Asam von Karl Manninger in neunjähriger Arbeit durch eine Kopie nach alten Aufnahmen ersetzt. Die Franziskaner erfüllen heute die ehemalige Eremitenklosterkirche St. Anna im Lehel, deren Gruft noch Gräber der Hieronymiten birgt, mit neuem Leben. Als bedeutenden Zuwachs der Kirchenausstattung konnte Friedrich Kardinal Wetter 1999 eine von Hermann Mathis geschaffene Orgel einweihen.
Christine Riedl-Valder
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