München, Damenstift St. Anna


 

GESCHICHTE

Damenstift St. Anna in München ? eine Stiftung bayerischer Kurfürstinnen

Die bayerische Kurfürstin Adelheid Henriette von Savoyen (1636?1676), die Gemahlin des Kurfürsten Ferdinand Maria von Bayern, führte den in ihrer Heimat im Jahr 1610 gegründeten Orden der Salesianerinnen in Bayern ein. 1667 kamen die ersten, aus Vercelli berufenen Klosterfrauen den 600 Kilometer langen Weg zu Fuß nach München. Sie lebten zunächst in der Theatinerstraße. Als das Münchner Stadthaus der Indersdorfer Augustinerchorherren 1675 frei wurde, schenkte die Kurfürstin den Salesianerinnen diesen Komplex. Ein großer barocker Klosterneubau entstand nach Plänen von Giovanni Antonio Viscardi ab 1690. Er fand erst 50 Jahre später seinen Abschluss. Unter Kurfürst Karl Albrecht wurde von 1733 bis 1735 die Kirche St. Anna an der Nordostecke der heutigen Damenstiftstraße erbaut. Sie galt aufgrund ihrer Ausstattung durch die Gebrüder Asam unter Kennern als die malerisch prunkvollste Barockkirche Münchens. Besonders beeindruckend waren die Fresken der Hauptkuppel. Sie zeigten einen, im Kreisrund angeordneten, figurenreichen Zug der Jungfrauen zum verklärten Lamm auf dem Berg Sion nach der Vision des Apostel Johannes. Im Giebelfeld der Kirchenfassade sind die Herzen Jesu und Mariä, die bei den Salesianerinnen besonders verehrt werden, dargestellt. Dem Konvent gehörten rund 30 Nonnen an. Sie unterstanden dem Bischof und wurden von den Jesuiten geistlich betreut. Das Kloster wurde stets mustergültig geführt. Von ihm gingen auch die Neugründungen der Ordensniederlassungen in Amberg 1692 und Rovereto 1746 aus.

1783 mussten die Salesianerinnen in das wegen Verschuldung aufgehobene Kloster Indersdorf übersiedeln. Das St.-Anna-Kloster war von höchster Stelle für andere Zwecke bestimmt worden. Kurfürstin Maria Anna von Sachsen (1728?1797), die Witwe von Kurfürst Max III. Joseph, gründete im selben Jahr nach dem Vorbild Österreichs den St.-Anna-Orden als Damenstift für unversorgte Mitglieder des bayerischen Landadels. Um die Kosten für neue Gebäude zu sparen, wurde dafür die Anlage der Salesianerinnen als Sitz bestimmt. Dem neuen Stift gehörten neben der Äbtissin und Dechantin zehn weitere adelige Kapitulardamen an. Ihm wurde auch das 1793 aufgehobene Prämonstratenserkloster Osterhofen einverleibt. Die ehemalige Klosterkirche wurde als Stiftskirche im Wesentlichen unverändert übernommen. Die Stiftsanlage erhielt 1794 eine Fassadenerneuerung und die Aufstockung des Nordbaus. Die geistliche Gemeinschaft war ausschließlich adeligen Damen vorbehalten. Ursprünglich musste die Abstammung bis ins achte Glied nachgewiesen werden. Zu den Aufgaben der Stiftsdamen gehörten das Gebet zu allen marianischen Tageszeiten, das gemeinsame Rosenkranzgebet und der Besuch von zwei heiligen Messen täglich. Sie trugen dazu einen eigenen Chormantel.

In der Säkularisationszeit wurde das St.-Anna-Stift ab 1802 zwangsweise nach und nach verweltlicht, das gemeinsame Leben wurde abgeschafft. Der Orden wurde in eine adelige und eine nichtadelige Gruppe gegliedert. Alle Stiftsdamen erhielten eine Pension, die sie auch bei Verheiratung weiter beanspruchen durften. 1809 erfolgte die Zusammenlegung mit dem Ulmer ?Sammlungs-Stift?. Damit wurde der Orden simultan, das heißt zur Hälfte für Katholikinnen und zur Hälfte für Protestantinnen bestimmt. 1814 kamen zu der Gemeinschaft noch die Mitglieder des Würzburger Damenstifts St. Anna. Der Orden hatte in dieser Zeit seinen religiösen Charakter weitgehend verloren und war zu einer reinen Versorgungsanstalt geworden. Der Baukomplex an der Damenstiftstraße, der zwei schmale Höfe und einen dritten neben der Kirche umschloss, diente ab 1802 verschiedenen Schulzwecken, unter anderem war er Sitz der 1833 gegründeten Polytechnischen Schule (eines Vorläufers der 1868 gegründeten Technischen Hochschule). Lange Zeit hatte hier der als Professor an der Schule lehrende Bildhauer Johann Halbig (gest. 1882) sein Atelier.

1944 wurde die alte Damenstiftanlage schwer beschädigt, aber nicht zerstört. Die von 1952 bis 1965 ausgeführte und noch zum Teil bis 1980 fortgesetzte Rekonstruktion der ehemaligen Stiftskirche wurde im Zuge einer Reihe von umstrittenen Wiederherstellungen spätbarocker Kirchenräume in der Nachkriegszeit durchgeführt. Da eine Farbbilddokumentation fehlte, hat man die einst farbigen Decken- und Altarbilder durch Josef Lorch und Franz X. Marchner in fast monochromer Grisaillemalerei ausgeführt. Ein besonderes Zeugnis barocker Frömmigkeit, das früher nur vor Ostern vor dem Hochaltar aufgestellt war, kann man heute tagtäglich in St. Anna betrachten: Es handelt sich um das Ensemble einer lebensgroßen, gefassten Holzfigurengruppe, die das Letzte Abendmahl realistisch-szenisch vergegenwärtigt. Die Stiftsgebäude erwarb die Stadt 1956 und ließ sie ein Jahr später mit Ausnahme der Straßenfassade abbrechen. Diese gilt heute als sehenswertes Denkmal des Münchner Frühklassizismus. Ab 1961 wurde die Fassade nach Plänen von Hans Jaud mit der neuen Städtischen Salvator-Realschule hinterbaut, die 1963 eröffnet wurde. Auf einem der Rundbogenportale ist noch heute das Wappen von Kurfürstin Maria Anna, der Gründerin des Damenstifts St. Anna, zu sehen.

Christine Riedl-Valder



 

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