Landshut, Seligenthal


 

GESCHICHTE

Seligenthal zu Landshut ? Größtes Zisterzienserinnenkloster der Welt

Die bayerische Herzogin Ludmilla, eine Prinzessin aus dem böhmischen Herrschergeschlecht der Premysliden, stiftete nach der Ermordung ihres Mannes Ludwig I. im Jahr 1232 auf dem Grund des Heilig-Geist-Spitals in Landshut einen Nonnenkonvent und stattete ihn mit Grundbesitz aus. Die Witwe verfügte darüber hinaus die Ansiedlung von Nonnen des Zisterzienserordens. Ludmilla lebte selbst im Konvent und wurde nach ihrem Tod 1240 in der Afrakapelle beigesetzt. Heute erinnern dort zwei frühgotische Holzfiguren an das wittelsbachische Herrscherpaar, berühmt wegen der frühen Darstellung des weißblauen Rautenwappens, das Ludmilla wohl aus ihrer ersten Ehe mit dem letzten Grafen von Bogen mitbrachte.

Die ersten Nonnen kamen vermutlich aus einem Zisterzienserinnenkloster im schlesischen Trebnitz. Unter der ersten Äbtissin Agnes von Grünbach (reg. 1233?1277) wurde das neugegründete Kloster 1236 der Zisterzienserabtei Kaisheim unterstellt und 1245/46 in den Orden einverleibt. In diesem Zusammenhang taucht erstmals der Name Seligenthal (abbatia vallis felicis) auf. Er verweist auf die Lage des Klosters außerhalb der Landshuter Stadtmauern an einer Brücke über die Isar und folgt damit zisterziensischer Tradition.

1252 wurden Kloster und Heilig-Geist-Spital rechtlich voneinander getrennt. Die wirtschaftliche Grundlage des Klosters bildeten fortan Schenkungen von Land und Leuten sowie Stiftungen des Adels. Auch das Haus Wittelsbach begünstigte das Kloster. Elisabeth, eine Tochter Herzog Heinrichs I. von Niederbayern, legte 1270 die Profess in Seligenthal ab. Die 1259 geweihte spätromanische Abteikirche Unserer Lieben Frau wurde von den Wittelsbachern als Begräbnisstätte genutzt. 1315 und 1341 unterstellte Ludwig der Bayer, späterer deutscher Kaiser, das Kloster seinem Schutz und bestätigte ihm alle Rechte.

Das Kloster blühte schnell auf. Als um 1260 eine Schreibschule (Skriptorium) eingerichtet wurde, lebten bereits 70 Schwestern in Seligenthal. Neben der rechtlichen Stellung verbesserte sich im 14. Jahrhundert die wirtschaftliche Lage des Klosters stetig. So erhielt es 1331 ein Salzdeputat in Hallein und durfte zeitweilig mit herzoglicher Genehmigung Warenhandel betreiben. Ausdruck fand diese Blüte auch in einer regen Bautätigkeit an Kirche und Konvent.

Wie andernorts zerfiel im 15. Jahrhundert auch im Kloster Seligenthal die Ordenszucht. Schon seit 1426 wurden die Visitationen von Raitenhaslach aus durchgeführt, während Kaisheim immer noch Vaterabt von Seligenthal blieb. Erst 1559 wurde das Kloster dem Zisterzienserkloster Aldersbach unterstellt. Auf Veranlassung Herzog Ludwigs des Reichen kamen im Jahr 1473 Schwestern aus dem Zisterzienserinnenkloster Königsbruck in Schwaben nach Seligenthal, um dem Kloster aufzuhelfen. Aber die Folgen der Reformation wurden auch in Seligenthal spürbar. Um 1555 lebten nur noch wenige Schwestern im Konvent. In den 1570er-Jahren konnte der Konvent durch Ordensfrauen aus dem Zisterzienserinnenkloster Niederschönenfeld vor dem Aussterben bewahrt werden und unter Äbtissin Apollonia Reinbacherin (1574?1605) konsolidierte sich die Lage. Allerdings versuchte die bayerische Regierung immer wieder auf die inneren Angelegenheiten, wie die Wahl der Äbtissinnen, durch einen herzoglichen Hofmeister Einfluss zu nehmen.

Neuen Aufschwung erlebte das Kloster im 17. Jahrhundert. Noch zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges wurden unter Äbtissin Anna Reisacherin (1617?1634) umfangreiche Um- und Neubauten im Stil der Spätrenaissance in Angriff genommen. Zwischen 1631 und 1649 sahen sich die Schwestern aber wegen plündernder schwedischer Truppen und großer Hungersnot mehrfach gezwungen, Seligenthal zu verlassen. 1651 kamen sie wieder im verwüsteten Konvent zusammen.

Erst unter Äbtissin Maria Anna von Preysing (reg. 1643?1665) kann von einem wirklichen Neubeginn des religiösen Lebens in Seligenthal die Rede sein. Es war gekennzeichnet von Einfachheit, Sparsamkeit, Askese und Einhaltung der Klausur. Zugleich blühten Musikpflege, Krankenpflege und Heilkunst sowie kunsthandwerkliche Tätigkeit auf. Fortan nahm die Äbtissin mit Genehmigung des Kurfürsten die wirtschaftliche Verwaltung des Klosters selbst wahr, das Amt des Hofmeisters wurde abgeschafft.

Die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts war geprägt eine intensive Heiligenverehrung, zumal zwischen 1667 und 1679 die Leichname der Heiligen Antonius, Cassian, Viktor und Theodor nach Seligenthal überführt wurden. In den 1680er-Jahren rühmten der Generalabt im geisten Zentrum des Zisterzienserordens in Cîteaux, der Generalvikar von Bayern sowie der Vaterabt von Aldersbach die vorbildliche Einhaltung der Ordensdisziplin in Kloster Seligenthal.

Seit 1700 erlebte das Kloster seine Glanzzeit. Trotz hoher steuerlicher Belastungen, wirtschaftlicher Notlagen, Einquartierungen und vorübergehender Flucht des Konvents während des Spanischen Erbfolgekrieges (1701?1714) wurden Klosteranlage und Kirche neugestaltet. Zwischen 1732 und 1734 entstand die neue Abteikirche im Stil des Rokoko unter dem Baumeister Johann Baptist Gunetzrainer. Das Hochaltarblatt mit der Krönung Mariens sowie Stuck und Deckengemälde stammen von dem Münchner Künstler Johann Baptist Zimmermann.

Die Ideen der Aufklärung, aber auch staatliche Eingriffe machten vor Kloster Seligenthal nicht halt. So wurde 1766 verfügt, die Anzahl der Konventmitglieder auf 50 zu beschränken. Die Aufnahme neuer Mitglieder bedurfte nun der Zustimmung des Kurfürsten. Daneben wurden die staatlichen Forderungen nach Steuerzahlungen insbesondere zur Landesverteidigung immer drängender. So musste Seligenthal im Jahr 1800 über 10 000 Gulden entrichten, was den Verkauf von Kirchensilber und Grundbesitz erforderlich machte.

Am 28. April 1803 wurde das Kloster säkularisiert. Während der Besitz, alle Einkünfte und Rechte an die Universität Landshut fielen, erlaubte man den Schwestern, bis zu ihrem Lebensende im Konvent zu bleiben. 1820 wurde die bereits 1782 errichtete Mädchenschule geschlossen.

Die letzten verbliebenen Schwestern richteten sich im Juli 1833 mit der Bitte um Wiedererrichtung des Klosters an König Ludwig I. Sie hatten Erfolg: Am 4. November 1835 wurde das Kloster wiedereröffnet unter der Bedingung, sich künftig besonders der Erziehung und Bildung der weiblichen Jugend zu widmen. Der Konvent wuchs schnell. 1864 gelang außerdem von Seligenthal aus die Wiederbesiedlung des Klosters Waldsassen. Weitere Versuche, Tochterklöster zu gründen schlugen fehl. Doch entwickelte sich mit den Schulen und Instituten in Landshut eine rege Ausbildungstätigkeit. 1925 erhielt das Kloster seine vollen Rechte als Abtei zurück. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Seligenthaler Schulen geschlossen und stattdessen ein Lazarett eingerichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Kloster zunächst als Flüchtlingslager, bald konnten aber die Schulen wiedereröffnet werden.

Heute umfasst das Schulzentrum Seligenthal einen Kindergarten, eine Grundschule, eine Wirtschaftsschule, ein Gymnasium sowie eine Fachakademie für Sozialpädagogik. Ihren Bildungsauftrag verwirklichten die Schwestern aber auch mit der Gründung des Tochterklosters Ave Maria in La Paz / Bolivien im Jahr 1972. Das Kloster Seligenthal gilt derzeit mit über 60 Schwestern als das größte Zisterzienserinnenkloster der Welt.

Stephanie Haberer



 

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