Kaufbeuren Fromme Frauen und eine schwäbische Heilige
Das Kloster der Franziskanerinnen in Kaufbeuren geht auf eine von mehreren bereits im 13. Jahrhundert in Kaufbeuren bestehenden frommen Frauengemeinschaften zurück: Im Jahr 1261 findet die Sammlung als sorores que dicuntur in curia villici, Schwestern im Meierhof, Erwähnung. Vermutlich hatte sich damals eine Gruppe frommer Frauen, einem Zug der Zeit folgend in den Gebäuden des ehemaligen Meierhofs als beginenähnliche Vereinigung zusammengefunden, deren Mitglieder nach selbst aufgestellten Satzungen in geistlicher Gemeinschaft miteinander lebten und arbeiteten. Um das Jahr 1315 übernahmen die Schwestern auf kirchliche Anordnung hin die Tertiarenregel der Franziskaner.
An der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert entstand aus Auseinandersetzungen innerhalb des Franziskanerordens um die Armutsfrage die so genannte Observantenbewegung, die das ursprüngliche Ideal der Besitzlosigkeit zu verwirklichen suchte. Seit 1462 unterhielten auch die Kaufbeurer Franziskanerinnen Verbindung zu dieser Strömung; im Jahr 1487 erhielt das Kloster eine neue Ordnung, die dem Geist der Observanten entsprach. Fortan war den Mitgliedern des Konvents der Eigenbesitz verboten; Gemeinschaftsbesitz war dagegen erlaubt.
Das Kloster wirtschaftete zunächst auf einer schmalen Basis: Nach einem Stadtbrand 1325 dauerte es zehn Jahre, bis an der Stelle des abgebrannten Klosters ein Neubau errichtet werden konnte. Ein Aufschwung setzte erst im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts ein, der an der Wende zum 16. Jahrhundert seinen Höhepunkt erreichte eine Folge der zunehmenden Frömmigkeit der Zeit, die für geistliche Institutionen nicht ohne finanziell positive Folgen blieb. Abzulesen ist dies an den stetig zunehmenden Grundstückserwerbungen, die das Kloster in diesem Zeitraum tätigte, an den zahlreichen Stiftungen, in deren Genuss die Schwestern gelangten, sowie an der Tatsache, dass sich die Kaufbeurer Franziskanerinnen zu Beginn der frühen Neuzeit an neunter Stelle der zehn meistgenannten Geldgeber in der Stadt befanden.
Die wirtschaftliche Blüte nutzte das Kloster 1471/72 zur Errichtung eines Neubaus und der dem hl. Franziskus geweihten Kapelle. Im Jahre 1478 wurde das Gotteshaus mit einer eigenen Kaplanstelle ausgestattet, deren Dotation aus dem Besitz des Klosters erfolgte. Die Frömmigkeit und der stetig steigende Wohlstand der Gemeinschaft bleiben auf die innere Entwicklung des Konvents nicht ohne Folgen. Abzulesen ist dies an der Zahl der Klosterbewohnerinnen: Während die älteste Quelle hierzu aus dem Jahr 1462 zwölf Schwestern nennt, waren es 1518 bereits 26.
Im Zuge des Ausbaus der kommunalen Autonomie versuchte der reichsstädtische Rat, das Kloster unter seine weltliche Aufsicht zu stellen, was ihm auch weitgehend gelang. In einem Vertrag zwischen beiden Seiten wurde 1490 vereinbart, dass das Kloster wie bisher in der Stadt Schutz und Schirm bleiben solle. Im Jahre 1526 konnte der damals noch nicht reformatorisch gesonnene Rat gegenüber den Franziskanerinnen sogar Steuererhebungen wie von allen anderen Bürgern durchsetzen.
1545 verbot der nun überwiegend evangelische Rat der Reichsstadt dem Konvent die Feier der Messe und die Aufnahme von Novizinnen. Versuche, die Nonnen zum Austritt aus dem Kloster und zur Konversion zum Protestantismus zu bewegen, scheiterten. Da sich in Kaufbeuren jedoch auf Dauer eine katholische Minderheit in der Bevölkerung halten konnte, war hinfort der Bestand des Klosters nicht mehr bedroht.
Der Dreißigjährige Krieg brachte mit den Schwedeneinfällen zwischen 1632 und 1634 für das Kloster große Not. In dieser Situation baten Bürger beider Konfessionen die schwedischen Offiziere um Schonung für den Konvent, da die Klosterräume auch für evangelische Frauen eine Zufluchtsstätte vor der marodierenden Soldateska boten. Nach dem Westfälischen Frieden konnte sich das Kloster in geistlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht langsam wieder konsolidieren.
Überregionale Bekanntheit erfuhr das Kloster durch die Schwester Maria Crescentia Höß, die 1704 ihre Gelübde ablegte und 1741 zur Oberin gewählt wurde. Trotz ihrer kurzen Amtszeit sie starb im Frühjahr 1744 löste sie einen inneren wie äußeren Aufschwung des Konvents aus, so dass sie heute als zweite Stifterin des Klosters gilt. Wegen ihrer Visionen und Intuitionen geriet Crescentia Höß zu Beginn ihrer Klosterzeit unter den Verdacht der Hexerei, jedoch kamen die Ordensoberen nach langen und belastenden Befragungen zu dem Ergebnis, dass an ihr nichts Böses zu finden sei. Bald darauf begannen Ratsuchende aus allen Schichten im persönlichen Gespräch oder in Briefen Schwester Crescentia in ihren Nöten zu konsultieren. Zu ihren prominentesten Korrespondenzpartnern gehörten Kaiserin Maria Theresia, die bayerische Kurfürstin Maria Amalia, König August von Sachsen und Kurfürst Clemens August von Köln. Zeugnis von ihrer Tätigkeit als Ratgeberin legen die vielen erhaltenen Antwortschreiben ab. Jedoch stammen sie nicht aus der Feder Crescentias selbst, sondern zumeist von der Klosterschreiberin Anna Neth, die viele Briefe nicht nach Diktat, sondern nach Geist und Intention Crescentias verfasst haben dürfte. Nach Crescentias Tod am Ostersonntag des Jahres 1744 bildete sich an ihrem Grab in der Klosterkirche eine bedeutende Wallfahrt heraus. Im Jahr 1900 wurde Crescentia selig und 2001 schließlich heilig gesprochen.
Im Zuge der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts fiel das Kloster 1803 an den Deutschen Orden. 1806 erfolgte die Aufhebung. Zur Neugründung kam es 1831 unter der Bedingung, dass die Schwestern in der Erziehung und Ausbildung der katholischen Mädchen in Kaufbeuren und Umgebung tätig würden. 1858 übernahmen die Schwestern die Betreuung des ersten Fabrikarbeiterinnenwohnheims in Deutschland. Es folgten die Errichtung von Kindergärten, weiterführenden Mädchenschulen und einer Lehrerinnenbildungsanstalt. Im 20. Jahrhundert ging der Dienst der Schwestern in Kindergärten und Schulen stark zurück, dagegen haben sich neue Wirkungsbereiche eröffnet: Der Dienst an Schwerstkranken in einer Hospizstation, die Krankenhausseelsorge und spirituelle Angebote orientieren sich an den Herausforderungen der Gesellschaft im 21. Jahrhundert.
(Stefan Dieter)