Englische Fräulein in der Reichsstadt
Das Augsburger Institut der Englischen Fräulein, heute auch
Maria-Ward-Schwestern genannt, ist nach München die zweitälteste Niederlassung
dieses Frauenordens im heutigen Bayern. 1662 errichtete die englische Adlige
Mary Points of Acton Ireton (1604-1667), eine der ersten Gefährtinnen der
Ordensgründerin Mary Ward (1585-1645), in der überwiegend protestantischen
Reichsstadt eine kostenlose Elementarschule für katholische Mädchen.
Die kleine Gemeinschaft fand zunächst Unterkunft in verschiedenen Miethäusern.
Erst 1687 konnte ein Grundstück in der Kautzengasse (heute: Frauentorstraße)
erworben werden, das den Grundstock des heutigen Areals bildet. Das Bistum
betrachtete das Wirken der nicht in Klausur lebenden Frauen mit Misstrauen und
gewährte ihnen erst im Jahr 1680 die Privilegien einer religiösen
Gemeinschaft. Seit 1690 besaßen die Englischen Fräulein auf Betreiben Kaiser
Leopolds I. das Augsburger Bürgerrecht.
Die Institutskapelle, in der die Schwestern Andachten zum Heiligsten Herz Jesu
hielten, erfreute sich auch bei der Bevölkerung großer Beliebtheit. So wurde
eine Kirche mit dem Patrozinium Herz Jesu errichtet und 1706 geweiht.
Augsburg wurde zum Ausgangspunkt der Institutsgründungen in Bamberg (1716) und
Günzburg (1758). Im Konflikt zwischen dem Münchner Hauptsitz der Kongregation
und der Diözese Augsburg um die geistliche Oberaufsicht über das Institut
siegte 1749 der Ortsbischof.
Bei der 1802/03 vollzogenen Säkularisation in der Reichsstadt blieben die
Englischen Fräulein vorerst unbehelligt. Lediglich die Aufnahme neuer
Kandidatinnen wurde untersagt. Der Übergang von Augsburg an das Königreich
Bayern 1806 änderte an den Verhältnissen nichts. Bereits 1811 erhielt der vom
Staat als "nützlich" angesehene Orden sogar den Auftrag zusätzlich
zur Elementarschule eine "Königlich Bayerische Höhere Töchterschule"
(ab 1927 Gymnasium) mit Pensionat zur Vorbildung künftiger Lehrerinnen
einzurichten. Bereits 1816 wurde auch die Neuaufnahme junger Frauen wieder
erlaubt und somit die de iure noch schwebende Säkularisation komplett zurückgenommen.
1828 bzw. 1853 erfolgten ein Neubau bzw. die bauliche Erweiterung der Schulen
und des Mädchenpensionats. Ab 1832 betrieb das Augsburger Institut in
staatlichem Auftrag ein Seminar zur Ausbildung von Lehrerinnen. Es stellte zudem
Personal zur Neugründung von München-Nymphenburg (1835), Neuburg a.d. Donau
(1847), Schrobenhausen (1856), Lindau (1857) und Kempten (1861).
Ab 1936 wurde die Lehr- und Ausbildungstätigkeit des Ordens durch den NS-Staat
drastisch eingeschränkt. Bei einem Luftangriff im Februar 1944 wurden die
barocke Kirche und große Teile des Instituts zerstört. Sie wurden in der
Nachkriegszeit durch moderne Gebäude ersetzt. Die Maria-Ward-Schwestern
unterhalten heute ein Mädchen-Gymnasium, eine Realschule mit Internat und
Tagesheim, sowie ein Exerzitienhaus.
( Christian Lankes/ Sylvia Stegmüller )