Biografien
Menschen aus Bayern

Jakob (Koppel) Herz Mediziner (Chirurgie und Anatomie), Erster jüdischer Professor in Bayern

geboren: 02.02.1816, Bayreuth
gestorben: 27.09.1871, Erlangen

Wirkungsort: Erlangen

Koppel Herz besuchte das städtische Gymnasium in Bayreuth und studierte ab 1835 Medizin an der Universität Erlangen. 1839 schloss er mit seiner Promotion ab, und hier wird zum ersten Mal der Name "Jakob" aktenkundig. Herz selbst benutzte den Namen ab 1841, als er Assistent an der dortigen Chirurgischen und Poliklinik wurde. 1847 folgte seine Berufung zum Prosektor der Anatomie; bereits als solcher begann er eine umfassende Lehrtätigkeit. Bis 1869 wurde er ordentlicher Professor der Anatomie und damit der erste jüdische Inhaber eines Lehrstuhls in Bayern. Prof. Herz meldete sich zum Felddienst in den Kriegen von 1866 und 1870/71 und wurde mehrfach ausgezeichnet (Ritterkreuz I. Klasse des bayerischen Michaelsordens). Prof. Herz publizierte zahlreiche Arbeiten v.a. auf den Gebieten der Chirurgischen und Speziellen Anatomie, engagierte sich in der Armenfürsorge, im Gemeindeparlament und in der Deutschen Fortschrittspartei.

Koppel Herz wurde am 2. Februar 1816 als ältester Sohn von elf Kindern des Samson Herz und dessen Ehefrau Rosalia geb. Rindskopf in Bayreuth geboren. Ursprünglich aus Wien stammend, hatten sich seine Vorfahren nach der dort im Jahr 1670 erfolgten Ausweisung der Juden zunächst in Fürth angesiedelt und waren im 18. Jahrhundert unter markgräflich-bayreuthischen Schutz als Hofjuden in Baiersdorf zu Ansehen und Einfluss gekommen.

Samson Herz, ein wohl habender Kaufmann, der unter anderem mit dem Dichter Jean Paul (1763-1825) befreundet war, erzog seine Kinder zu strenger Religiosität und bot ihnen eine umfassende Bildung. Selbst unter den schwierigen Bedingungen, die sich nach dem plötzlichen Verlust des Familienvermögens ergaben, konnte Koppel Herz das Gymnasium in Bayreuth besuchen. 1835 absolvierte er das Abitur als Klassenprimus. Er immatrikulierte sich am 2. November des Jahres in Erlangen und studierte Medizin. Den allgemeinen Teil schloss er bereits am 31. Oktober 1836 mit der Übertrittsprüfung zum Spezialstudium ab. Es gab zwar schon jüdische Einwohner und jüdische Studenten in Erlangen, jedoch ist Herz' weiterer Lebensweg durchaus ungewöhnlich.

Herz erhielt von allen seinen Professoren im Laufe des vierjährigen Studiums ausgezeichnete Beurteilungen. Die Studienzeit war von Entbehrungen und Schwierigkeiten geprägt, zumal Koppel Herz bestrebt war, die jüdischen Speisegesetze (Kaschrut) streng einzuhalten und sein Essen von Bruck oder Fürth kommen ließ. Einer seiner Dozenten, der Zoologe Prof. Rudolph Wagner, half der Notlage etwas ab, indem er ihm eine Freistelle im Konvikt für Studenten der evangelischen Theorie verschaffte, eine einzigartige Ausnahme. Herz' besonderes Interesse galt der Anatomie (Prof. Gottfried Fleischmann) und der Chirurgie (Prof. Michael Jäger und Georg F. L. Stromeyer). Nach Abschluss des Studiums gab man im August 1839 seinem Antrag auf Zulassung zur Doktorprüfung statt, sofern das noch ausstehende Sittenzeugnis "ebenso vorteilhaft ausfällt, als die übrigen Zeugnisse". Am 16. November 1839 wurde ihm die Doktorwürde für Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe verliehen. Der Titel seiner Dissertation lautete: "Beiträge zur Lehre von den Verkrümmungen des Fusses" und deutet bereits sein zukünftiges Spezialgebiet an. In der operativen Orthopädie, die Herz 1839-40 zunächst als Privatassistent von Stromeyer, von 1841-47 als Assistent am "Chirurgischen und Augenkranken-Clinicum" praktizierte. Die Änderung von Herz' Vornamens in Jakob erscheint erstmals im Zusammenhang mit seiner Promotion im Jahr 1839; von Herz selbst wird sie erst nach 1841 gebraucht.

Als Stromeyer einen Ruf nach München folgte, übernahm Jakob Herz bereits 1841 Unterrichtsaufgaben an der Erlanger Universität. Diese Lehrveranstaltungen, denen sich Herz mit großem Eifer widmete, bewegte ihn wohl dazu seine ursprünglichen Karrierepläne zu ändern: Er wollte eigentlich in seiner Heimatstadt Bayreuth als Arzt praktizieren, entschied sich jetzt aber für eine universitäre Laufbahn.

Bei der ärztlichen Staatsprüfung in Bamberg und erhielt die Bestnote "Eminens". Bei der Vereidigung des jungen Arztes wurde – wohl aus Rücksicht auf seine jüdische Herkunft – die Schlussformel abgeändert: Statt "so wahr mir Gott helfe, und sein heiliges Evangelium" nun "und sein heiliges Wort". Am 4. Januar 1842 erhielt Jakob Herz die Approbation. Nach der Versetzung von Stromeyers Nachfolger, Prof. Johann Ferdinand Heyfelder, übernahm Jakob Herz 1854 als Interimsleiter die Klinik; Lehrstuhlnachfolger konnte er als Jude (noch) nicht werden. neben seiner chirurgischen Tätigkeit galt Herz' besonderes Interesse der Anatomie. Sein ehemaliger Lehrer Fleischmann bemühte sich daher 1847 ihn als Prosektor (Chef-Sezierer) des Anatomischen Instituts zu gewinnen. Möglichen Einwänden entgegnete er, dass hier die jüdische Religion noch weniger ins Gewicht falle als in der Funktion des chirurgischen Assistenten, die Herz seit Jahren mit Auszeichnung ausübe.

Am 2. November 1847 wurde Herz die Stelle des Prosektors an der anatomischen Anstalt mit einem Jahresgehalt von 300 Gulden übertragen, wodurch er seinem Ziel näherkam, Anatomie und Chirurgie zu vereinen. Die Stationen seiner weiteren akademischen Laufbahn, die durch sein konsequentes Festhalten am jüdischen Glauben beeinträchtigt war, seien nur kurz skizziert: 1854 stellte Dr. Herz einen Antrag auf Habilitation, was aber mit dem Hinweis auf die christliche Religionszugehörigkeit als Voraussetzung abgelehnt wurde. Allerdings konnte er weiterhin Vorlesungen halten und diese im "Lectionskatalog" unter seinem Namen öffentlich ankündigen. Das Kollegium stand auf seiner Seite und beantragte beim Staat eine Ausnahmeregelung. Am 4. Juni 1862 wurde Jakob Herz zum Honorarprofessor ernannt, am 3. März 1863 – unter Beibehaltung seiner Prosektorstelle – zum außerordentlichen Professor, wobei ihm nicht das volle Gehalt, sondern lediglich 600 Gulden im Jahr ausbezahlt wurden. Erst 1869 berief ihn König Ludwig II. von Bayern (reg. 1864-1886) auf Antrag von Friedrich Albert von Zenker zum Ordinarius mit einem Jahresgehalt von 1500 Gulden, mit der Verpflichtung, seine Funktion als Prosektor unentgeltlich fortzuführen. Prof. Jakob Herz ist damit der erste ordentliche Universitätsprofessor jüdischer Religion in Bayern.

Er war ein sehr beliebter Hochschullehrer und gesuchter Arzt, der völlig in seinem Beruf aufging. Er gönnte sich keine Mußestunden und ging nur aus zwingenden Gründen auf reisen, etwa als sein Bruder 1855 in Paris im Sterben lag, oder nach einer schweren Sepsis zur Kur nach Bad Reichenhall 1842. Nach den Strapazen der Verwundetenpflege im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, in dem Prof. Herz als Freiwilliger diente, hielt er sich am Schliersee auf. Die frühzeitig verbrauchten Kräfte erholten sich jedoch nicht mehr: Prof. Jakob Herz Starb am 27. September 1871 und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Baiersdorf bestattet. Die ansonsten auf Hebräisch verfasste Inschrift auf dem Grabmal von Jakob Herz auf dem jüdischen Friedhof in Baiersdorf enthält auch folgende Angaben in deutscher Sprache: JAKOB HERZ / DOKTOR DER MEDICIN / UNIVERSITÄTSPROFESSOR / EHRENBÜRGER VON / ERLANGEN. Bei den Schändungen des Friedhofs während der Zeit des Nationalsozialismus wurden das Gitter der Umfassung sowie ein am Grabstein angebrachter Ehrenkranz aus Metall entfernt. Auf der Informationstafel des Friedhofs wird Herz als eine der bekanntesten der dort begrabenen Persönlichkeiten genannt.

Die Lebensleitung von Prof. Jakob Herz erschöpft sich keineswegs in seinen medizinischen Arbeiten oder seinem Wirken an der Universität. Er engagierte sich für die Armen und Kranken von Erlangen, galt als liebenswürdig, musisch interessiert und humorvoll. Er war fünf Jahre Bibliothekar der "Physikalisch-Medizinischen Sozietät", trat 1864/64 dem patriotischen "Verein für Schleswig-Holstein" bei und wurde ab 1866 aktives Mitglied der liberalen "Deutschen Fortschrittspartei". Von 1869 bis zu seinem Tod gehörte er dem Erlanger Gemeindeparlament an. Für seinen Einsatz im Deutsch-Französischen Krieg erhielt er das Ritterkreuz I. Klasse des bayerischen Michaelsordens. Auch die Feierlichkeiten nach seinem frühen Tod wurden zu einer Demonstration der Beliebtheit und des Ansehens, das der Arzt in seiner Stadt und in ganz Bayern genossen hatte: Für die jüdische Gemeinde, zu der Herz treu gestanden hatte, wurde er zur Symbolgestalt der Hoffnung.

Schon kurz nach seiner Beisetzung sammelte man Spenden für die Errichtung eines Denkmals, mit dessen Gestaltung der Wiener Bildhauer Caspar von Zumbusch beauftragt wurde. Am Erlanger Holzmarkt wurde sie am 5. Mai 1875 feierlich enthüllt. Es war auch das erste öffentliche Denkmal für einen Juden in Deutschland. Familienangehörige und Freunde gründeten eine Stiftung, mit der Medizinstudenten gleich welcher Religion von 1876 bis zur Hyperinflation 1923 durch Stipendien unterstützt wurden. Dem Gedenken an Herz widmete sich auch eine Loge in Nürnberg, die sich 1921 gründete und seinen Namen trug.

In der NS-Diktatur wurde versucht, das Erbe von Jakob Herz auszulöschen. Am 14. September 1933 beschloss die NS-Stadtratsfraktion in Erlangen unter Vorsitz des Oberbürgermeisters Hans Flierl, "eine Kulturschande, die das ganze deutsche Volk als solche empfinden musste, wieder gutzumachen", sprich das Herz-Denkmal auf dem damaligen Luitpoldplatz zu entfernen.

1967 brachte die Stadt eine neue Gedenktafel an Herz' Wohnhaus in der Heuwaagstraße 18 an. Im Jahr 2002 (zum Jubiläum von Herz' Professur) wurde er gleich zwei Mal geehrt: Im März wurde ihm ein Erschließungsweg von der Henke- zur Hartmannstraße gewidmet, und am 15. September enthüllten Stadt und Universität gemeinsam eine Bronzetafel, die in die Pflasterung des Hugenottenplatzes eingelassen ist und an den Sturz des Denkmals 1933 erinnert. Seit dem Jahr 2007 installierte der Künstler Gunter Demnig (*1947) insgesamt 54 Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer der NS-Diktatur. Ab 2009 vergibt die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg jährlich den Jakob-Herz-Preis für Medizinische Forschung, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Zum 200. Todestag von Dr. Herz wurde außerdem eine kubusförmige Infostation am ehemaligen Standort seines Denkmals aufgebaut.


Aus: Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.) / Manfred Treml / Wolf Weigand: Geschichte und Kultur der Juden in Bayern, Bd. 2: Lebensläufe. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 18), S. 143-150.

(Christa Habrich | bearb. Patrick Charell)

Bilder

Literatur

  • Christa Habrich: Koppel (Jakob) Herz (1816-1871), Mediziner und "ordentlicher Universitätsprofessor". In: Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.) / Manfred Treml / Wolf Weigand: Geschichte und Kultur der Juden in Bayern, Bd. 2: Lebensläufe. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 18), S. 143-150.

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