Im hier gezeigten Ausschnitt schildert Karl Eichleiter eine der ganz seltenen Begegnungen als Gestapo-Gefangener mit seiner Mutter. Sie sahen sich nur aus der Ferne über die Straße hinweg. Außerdem schildert er die Angst, die er angesichts der Machtausübung der Nationalsozialisten ab 1933 hatte.
Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:
Thematisches Doppelinterview der Journalistin und Historikerin Dr. Heike Bretschneider mit Karl Eichleiter und Alfred Eckert, aufgenommen im März 1993 in Augsburg, über den Widerstand der "Revolutionären Sozialisten" im "Dritten Reich".
Biogramm
Sozialdemokratisches Elternhaus, älterer Bruder Fritz Eichleiter vor 1933 SPD-Stadtrat in Augsburg, beide Brüder während des "Dritten Reichs" im KZ Dachau interniert. Technischer Angestellter bei der Firma Messerschmitt. Mitglied der Widerstandsgruppe "Revolutionäre Sozialisten" um Bebo Wager und Hermann Frieb. 1942 von der Gestapo verhaftet. Im Herbst 1943 vom Oberlandesgericht München freigesprochen. Nach Kriegsende 1945 Angestellter bei der Augsburger Stadtverwaltung.
Inhalte
tobre Nr. 213:
Alfred Eckert und Karl Eichleiter stammen aus sozialdemokratischen Familien.
Karl Eichleiter:
Karl Eichleiters ältester Bruder Fritz war vor 1933 Stadtrat in Augsburg und wurde gleich nach dem 30. Januar 1933 für kurze Zeit festgenommen, im Krieg wurde er erneut verhaftet und kam für Monate ins Konzentrationslager Dachau. Auch sein zweiter Bruder war in Dachau. Er hat über seine schrecklichen Erlebnisse erst nach 1945 gesprochen.
Karl Eichleiter spricht über seine Mutter, die eine einfache und sehr tapfere Frau war.
Als er sich zum Widerstand entschloss, wusste er worauf er sich einließ. Er betont: „die Angst war mein stetiger Begleiter.“
Er spricht über seine Enttäuschung, dass seine Widerstandstätigkeit nach 1945 nicht genug gewürdigt wurde.
Alfred Eckert:
Nach dem theoretischen Konzept der „Revolutionären Sozialisten“ befragt, antwortet er, der Name hätte ihn schon immer gestört, „demokratische Sozialisten“ hätte er für richtiger gefunden.
Alfred Eckert hat in den 1980er-Jahren ein Buch über den sozialdemokratischen Widerstand in Augsburg geschrieben und dieses an verschiedene SPD Politikerinnen und Politiker geschickt, aber es gab kaum Resonanz.
tobre Nr. 214:
Karl Eichleiter:
Nach dem 30. Januar 1933 hat sich die Augsburger SAJ-Gruppe um Bebo Wager regelmäßig in Wagers Haus in der Reichensteinstraße 34 getroffen, um die politische Lage zu besprechen und den Kontakt aufrechtzuerhalten.
Es wurden Berichte über die politische Situation und die militärische Aufrüstung gesammelt und von Bebo Wager und Eugen Nerdinger an den Grenzsekretär Waldemar von Knoeringen in Neuern in der Tschechoslowakei geschmuggelt.
Bis 1934 hatten er und seine Freunde die Hoffnung, dass das „Dritte Reich“ bald wieder zusammenbrechen würde.
Alfred Eckert:
Nach 1934 schrumpfte der Kreis um Bebo Wager und Eugen Nerdinger auf ungefähr acht Genossen. Aus Vorsicht ging man dann zu einer anderen Taktik über, nur je zwei oder drei Personen hielten untereinander die Kontakte im Widerstand.
Ungefähr 1936/37 nahm Alfred Eckert auf Anraten Bebo Wagers Kontakt zu Hermann Frieb in München auf. Sie trafen sich zu einem ersten Gespräch im Botanischen Garten in München.
Frieb stand damals schon in Verbindung mit den österreichischen Revolutionären Sozialisten in Wörgl und Salzburg. Zwei weitere Male traf Alfred Eckert Hermann Frieb am Hauptbahnhof.
1938 übernahm Alfred Eckert die Aufgabe, die Lageberichte für Waldemar von Knoeringen zu fotografieren. Er war damals Abteilungsleiter bei Messerschmitt und konnte so die Reproverkleinerungen im Werk herstellen. Alfred Eckert betont, Werkspionage aber hätte er nie betrieben.
Eckert wurde im Krieg eingezogen und kam nach Frankreich zu einer Alarmeinheit der Flak.
Dort erreichte ihn die verschlüsselte Nachricht seiner Mutter von der Verhaftung der Revolutionären Sozialisten in Südbayern und Österreich. Eckert wurde an der Front verhaftet und in das Gestapogefängnis nach Paris gebracht. Die Luftwaffe hatte damals noch eigene Gerichtshoheit. Eckerts Kommandeur, der kein Nationalsozialist war, schaffte es, dass ihn der Gerichtsoffizier nach vier bis sechs Wochen aus dem Gestapogefängnis abholen konnte. Er bekam dann ein Kurzverfahren wegen Nichtanzeige einer staatsfeindlichen Gruppe und das Verfahren wurde bis zum Kriegsende eingestellt. Bei den Vernehmungen der Gestapo in Paris hatte er aber gespürt, dass keiner seiner Freunde im Widerstand Namen verraten hatte.
Karl Eichleiter:
Als einer der Letzten aus der Gruppe wurde Karl Eichleiter 1942 verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis Augsburg eingeliefert. Bei den Vernehmungen hat er keinen seiner Genossen verraten. Aber auch Hermann Frieb und Bebo Wager schwiegen und so wurde Karl Eichleiter im Herbst 1943 vom Oberlandesgericht München freigesprochen.
Daten
Interview: Dr. Heike Bretschneider
Technik: Dr. Heike Bretschneider