Zeitzeugen berichten

Karl Rotter Landwirt, Verbandsfunktionär

Signatur
zz-0587.02
Copyright
Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg (Georg Schmidbauer M.A.)
Referenzjahr
2000

Karl Rotter berichtet im hier gezeigten Ausschnitt über das Problem der Landwirte, eine auf dem Hof mitarbeitende Frau zu finden, die nicht zuletzt aufgrund der starken Agrarimporte fallenden Erzeugerpreise, die sinkende Rentabilität der Höfe und den daraus resultierenden Kampf der Landwirte ums Überleben. 

Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:

Lebensgeschichtliches Zeitzeugeninterview mit Karl Rotter, geführt am 15.05.2000.

Biogramm

Karl Rotter musste bereits mit 18 Jahren den elterlichen Bauernhof im Kreis Mährisch-Schönberg (heute Šumperk/Tschechien) übernehmen. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen 1938 erlebte er die Verschlechterung des deutsch-tschechischen Verhältnisses in seiner Heimat. 1941 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und kam kurz vor Kriegsende in russische Kriegsgefangenschaft. Nach fünf Jahren in sowjetischen NKWD-Lagern konnte Rotter nach Bayern übersiedeln, wo er einen Bauernhof in der Nähe von Schwabmünchen erwarb. Er erlebte die Schwierigkeiten, die sich mit dem Aufbau eines „Vertriebenen-Betriebs“ ergaben. Durch seine Mitarbeit beim Bayerischen Bauernverband lernte er auch die Existenzschwierigkeiten anderer vertriebener Bauern kennen. Als Stellvertretender Landesobmann der vertriebenen Bauern in Bayern konnte Rotter andere Vertriebene beraten.

Inhalte

Herkunft: Gemeinde Weikersdorf im Kreis Mährisch Schönberg (heute Šumperk/Tschechien), Staatsrealgymnasium, Mittlere Reife, Hof vom kranken Vater übernommen, 18 Jahre alt, Christlich-Deutscher Turnverein, Katholischer Volksverein, Bindung der Deutschen untereinander, politischer Druck der Tschechen, rein deutsche Gemeinde, tschechische Schulen, Schließung deutscher Schulen, Abwehrreaktionen, Orientierung auf Österreich, Bund der Landwirte, Runciman, von Österreich war keine Hilfe zu erwarten, Blick nach Deutschland, Anlehnung der sudetendeutschen Politiker an Hitler, begeisterter Empfang der deutschen Truppen 1938, Tschechen, Slowaken, Ernüchterung: Bevormundung durch Preußen, Besetzung der Resttschechei von den Sudetendeutschen nicht gebilligt, gutes Verhältnis zwischen Tschechen und Deutschen in früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten, gemischte Ehen, Vater war zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben, Mutter politisch wenig interessiert, wachsende Spannungen zwischen Sudetendeutschen und Tschechen, Hofbewirtschaftung zusammen mit Mutter und einem Angestellten, Weizen, Getreide, Kartoffeln, Rüben, Gemüse, Tomaten und Kürbisse, erst 1941 zur Wehrmacht eingezogen, im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront, vorher noch geheiratet, Frau bewirtschaftete den Hof, zugeteilte Arbeitskräfte, 2 Polen, 1 Russin, gutes Verhältnis, Polen durften auf Urlaub nach Hause fahren, Gespräch mit ehemaligem tschechischen Zwangsarbeiter auf Pan-Europa-Tagung in Andechs, Bund der Landwirte wurde nach dem deutschen Einmarsch aufgelöst, auch die anderen Vereine, Ablösung durch NS-Formationen, 1941 Bauerntochter geheiratet, Bäckerei, Parteivorsitzender beschwerte sich, dass die Polen und Russen mit am Tisch essen, Einsatz an der Ostfront, 2 Mal verwundet, Reservelazarett in Andernach am Rhein, Rückkehr zur Truppe 15 km vor Moskau, zweite Verwundung, erneut im Lazarett, aufgrund des Verwundungsgrades für die Landwirtschaft zurückgestellt, vor Weihnachten 1944 nochmals eingezogen, Einsatz in der Slowakei, erneut verwundet, Heimatlazarett in Mährisch-Schönberg, befreundeter Arzt schiebt die Genesungsfeststellung hinaus, Kriegsende, Anschluss an Schörner-Armee, Versuch sich Richtung Amerikaner durchzuschlagen, schweres Gefecht bei Olmütz (Olomouc), Zivilkleidung besorgt, Rückkehr auf den elterlichen Hof, Einmarsch der Russen, Verhaftung durch die Tschechen, schlechte Behandlung, Prügel, russischer Offizier übernahm R. in Gefangenschaft nach Russland, Lager in Olmütz, Verhöre, Schikanen, Graudenz (Grudziądz), Gefängnis, furchtbare Zustände, keine Betten, in Einzelzellen auf dem Boden geschlafen, Hinrichtungen, Weitertransport nach Russland, Wälder von Smolensk, NKWD-Lager, Verurteilung zu 25 Jahren Zwangsarbeit aufgrund des letzten Gefechts, kein Kontakt zur Heimat, Arbeitskommandos, nur vereinzelt, einzelne Leute wurden entlassen, Freunde starben, Schrumpfung des Lagers, im Februar 1951 Transport zurück nach Deutschland, ehemaliges KZ Sachsenhausen bei Berlin, 2 Monate in Quarantäne, Entlassung aus der Gefangenschaft, über das Rote Kreuz Wohnort der Frau ermittelt, Schwabmünchen in Bayern, Hoffnung die Familie wiederzusehen, Versuch in den Westen zu kommen, Freifahrtschein, Versuch bei Gutenfürst über die Grenze zu kommen, Kontrolle durch Russen und Volkspolizei, im Wartesaal 2 Männer aus Stuttgart, empfahlen ihm, Bauern aufzusuchen, der Leute über die Grenze schleuste, gaben ihm ihr letztes Geld, Hilfsbereitschaft, Bauer brachte R. in die Nähe der Grenze, Nebel, westdeutsche Grenzer, Erlösung, Landratsamt, Quarantäne, Freifahrtschein nach Schwabmünchen, mit dem Zug nach Bayern, sehr unterschiedliche Menschen, schlechte Kleidung, in Schwabmünchen Postbeamten nach dem Weg gefragt, zu spät um weiterzureisen, am Pfarrhof geläutet, Pfarrer wollte ihm 2 Mark geben, weitergegangen, Polizisten boten ihm an, in der Zelle zu übernachten, telefonierte mit Busunternehmen Stuhler, dieser nahm R. am Morgen umsonst mit, Todtenschläule, Begegnung mit dem Pfarrer, Familie in einer Dachkammer gefunden, Suche nach Pachtobjekten, Frau treibende Kraft, Vermittlung durch Makler, nach kurzer Zeit Kreis-Obmann im Bayerischen Bauernverband für vertriebene Landwirte, Kontakte zu Maklern, Angebot des Anwesens in Ebersried, vorher Pachthof in Graben bei Schwabmünchen, nach dem Kauf 2 Höfe bewirtschaftet, 40 km auseinander, Finanzierungsprobleme, Hilfe durch Verwandte, ein Teil wurde schwarz finanziert, Kontrolle der Kredite durch die Bayerische Landessiedlung, halbjährliche Kontrollen, Mittel aus den ERP-European Recovery Program, niedrige Zinsen, Rentabilitätsprüfung, Pacht im Lechfeld konnte wegen hoher Ablösesumme nicht gekündigt werden, so gezwungenermaßen beide Betriebe bewirtschaftet, zusätzliche Einnahmen, gute Böden, Zuckerrüben, Weizen, Gemüse, als Kreisobmann Hilfe für vertriebene Landwirte, Hilfe bei der Existenzgründung, über 20 Betriebe an Vertriebene vermittelt, Erfahrung mit Behörden in München, noch heute stellvertretender Landesobmann der vertriebenen Bauern in Bayern, Bereitschaft der Frauen und Familien zur Mitarbeit notwendig, Rentabilität anfangs noch recht gut, viele Betriebe innerhalb einer Generation finanziert, dies war nur Dank der Kredite der Bayerischen Staatsregierung möglich, Problem der heutigen jungen Bauern mitarbeitende Bäuerinnen zu finden, Kampf ums Überleben, Preissteuerung über Importe und Exporte, EU-Richtlinien, Importe drücken die Preise, Ziel möglichst niedrige Nahrungsmittelpreise für die Verbraucher anbieten zu können, Problem der Existenzsicherung, Garantie der Qualität, BSE, Rinderbestände, Herkunftsnachweis beim Fleisch möglich, in der Wurst nicht, negative Auswirkungen der EU-Osterweiterung befürchtet, finanzielle Probleme erwartet, Minister Kiechle, Reprivatisierung im Osten angezweifelt, statt dessen Umwandlung in Genossenschaften, Vorteil wenn man einheiraten konnte, Finanzierung des Hofkaufs, Funktionieren der Einheiratungen - 1957 in Ebersried den Hof gekauft, Veränderungen, Schicksalsschläge, Enkel, der den Hof übernehmen sollte, hatte tödlichen Autounfall, Enkel: Landwirtschaftsmeister, Schwiegersohn: Agraringenieur am Landwirtschaftsamt in Friedberg/Aichach, Sonderkulturen: Erdbeeren, Spargel, Blumen, konkurrenzfrei in der Gegend, Enkel wird Hof übernehmen, intensive Ausbildung, gute Ausbildung im Vergleich zu Altbürgern, Befruchtung durch Konkurrenz, Selbstständigkeit mit Risiko verbunden, gutes Verhältnis zwischen Vertriebenen und Altbürgern, Frau kam mit Aussiedlungstransport 1946 nach Bayern, in Dachkammer in Todtenschläule untergekommen, Opfer der Altbürger, Hilfsbereitschaft bei Existenzgründung, gutes Verhältnis zu Makler, kaufmännische Ader Voraussetzung, Genossenschaften, Probleme der Hofübergabe, Nebenerwerbs- und Feierabendlandwirte, Verpachtung, Vergrößerung der Betriebe nicht aufzuhalten, Größe steigert Rentabilität bei heutiger Technisierung der Bewirtschaftung, amerikanische Verhältnisse, Zuschüsse notwendig für Naturschutz und Erhaltung der Landschaft, Heimatverbundenheit, Veränderung der Landschaft und Mentalität, Adenauer, Heimat und Freiheit, Grund und Boden als ein Stück Heimat, BHE, Interessenvertretung der Vertriebenen, Allparteienregierung, Minister Stein, Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), Abwanderung zur SPD, CSU oder CDU, FDP - Kosovo, Rückkehr, ethnische Säuberung durch die Tschechen, Benesch, Druck Stalins auf die Westmächte, Benesch-Dekrete, Kampf um Auslöschung der Benesch-Dekrete, Franz Neubauer, vernünftige Tschechen: Prof. Kutschera, Ludek Bachmann, Äußerungen der Radikalen im tschechischen Parlament, Verfassungsgericht in Brünn (Brno), Anerkennung der Vertreibung als Unrecht, Eigentum, Vaclav Havel: Versuch einer Entschuldigung von Radikalen torpediert, gespendete Glocke in Südmähren musste umgegossen werden, keine Entschädigungen, alles geraubt, Existenzgründer werden nicht zugelassen in Tschechien, kommunistische Ideologie, Kontakte zu Tschechen aus Prag, Zusammenwachsen Europas, Wertegemeinschaft, Mentalitäten, deutsch-tschechischer Vertrag, "Versöhnungsabkommen", Fehler der Regierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl, EU-Beitritt Tschechiens aus wirtschaftlichen Interessen, Wiedergutmachung, Vertreibung schon bei Gründung der Tschechoslowakei geplant, Aufzeichnungen von Gesprächen von Masaryk und Beneš, Rückkehrwillige, Pioniergeist, Brückenfunktion der Sudetendeutschen, Pan-Europa-Bewegung, Prof. Kutschera, Prof. Mandler, Vermeidung von Konflikten, wirtschaftliche Entwicklung, de Gaulle: Europa der Vaterländer, Entschädigungen für Zwangsarbeiter, ungleiche Behandlung, offene Vermögensfragen, Hans Kudlich: Bauernbefreier im habsburgischen Österreich, Restauration eines Denkmals bei Jägerndorf (Krnov), Bayern gezwungenermaßen als Heimat akzeptiert.

Daten

Art:
Lebensgeschichtliches Interview
Dauer:
1:30 h
Aufnahmedatum:
15.05.2000
Sprache:
deutsch
Aufnahmeteam:

Interview: Dr. Ludwig Eiber

Kamera: Georg Schmidbauer M.A.