Im hier gezeigten Ausschnitt beschreibt Ernst Grube, wie er 1943 durch seine Eltern das erste Mal von der Situation im KZ Dachau und vom Schicksal seiner deportierten Verwandten erfuhr. Zudem erklärt er, weshalb nicht-jüdische Deutsche von den Deportationen gewusst haben müssen, obwohl sie das im Nachhinein häufig abstritten.
Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:
Lebensgeschichtliches Zeitzeugeninterview mit Ernst Grube, geführt am 10.12.2022 in Regensburg, über seine Kindheit und Jugend als „Geltungsjude“ im München der NS-Zeit, sein Leben in den Gettos Milbertshofen und Berg am Laim, die Deportation seiner Familie im Februar 1945 in das KZ Theresienstadt, das Überleben in Theresienstadt und die endgültige Befreiung im Juni 1945, die misslungene Entnazifizierung in Deutschland, seinen linken Aktivismus in der Bundesrepublik sowie über die Überwachung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) durch das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz.
Biogramm
Ernst Grube kam 1932 in München-Laim als Sohn des kommunistischen Malers Franz Grube und dessen jüdischer Ehefrau Clementine Sarah Grube, geborene Meyer, zur Welt. In der NS-Sprache seiner Kindheit war Ernst Grube ein „Halbjude“ oder „Geltungsjude“, was ihn zunächst vor der Deportation, eventuell auch vor der Ermordung in einem Konzentrationslager bewahrte. Nachdem er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern Werner und Ruth aus dem KZ Theresienstadt befreit worden war, holte er im München der Trümmerjahre Schule und Abitur nach. Später wurde er Lehrer, begleitet von politischen Prozessen und Berufsverbot. Grubes Widerstand gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, seine Mitarbeit in FDJ, KPD und DKP, selbst seine bis ins hohe Alter leidenschaftlich betriebene Aufklärung in Sachen Nationalsozialismus brachte ihn immer wieder mit Polizei und Verfassungsschutz in Konflikt. Als Mitglied in der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) sowie als Präsident der Lagergemeinschaft Dachau suchte Ernst Grube unermüdlich den Kontakt zu jungen Menschen, um sie über Antisemitismus und Totalitarismus, vor allem aber über die Freiheit des Denkens aufzuklären. 2022 wurde er als Ehrenbürger seiner Heimatstadt München ausgezeichnet.
Inhalte
Geboren 1932 – Ehrenbürger Münchens – Entsetzen über den Wiederaufbau des Militärs in der Bundesrepublik – Verurteilung der Aufrüstungsinvestitionen unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – Aufwachsen in der Herzog-Max-Straße in München – Antisemitische Anfeindungen durch Jugendliche während seiner Zeit im Kinderheim – Erinnerung an den Abriss der Münchner Hauptsynagoge 1938 und Kindheit in der jüdischen Gemeinde der Herzog-Max-Straße – Gesellschaftliche Integration der Juden in Deutschland in den 1920er-Jahren und heute – Vertreibung der Familie aus der Herzog-Max-Straße im Rahmen der „Arisierung“ von Wohnungen durch den Münchner Stadtrat – Erinnerungen an die Gemeinschaft des jüdischen Kinderheims – Lebenssituation der Eltern nach der Trennung der Familie – Erinnerung an die Kriegszeit in der eigenen Familie – Schicksal als „Geltungsjude“ im NS-Regime – Militärdienst und Zwangsarbeit seines nicht-jüdischen Vaters – Leben in den Gettos Milbertshofen und Berg am Laim ab 1942 – Informationen zu Konzentrationslagern und deportierten Verwandten – Überzeugung von der Kenntnis der Vernichtungslager bei nicht-jüdischen Deutschen – Politisch-bürokratische Elitenkontinuitäten in der Nachkriegszeit – Deutschsprachiges „Radio Moskau“ als wichtigste Informationsquelle während des Krieges – Lebenssituation der Juden in den Gettos – Münchner Gettos Milbertshofen und Berg am Laim als Vororte von Vernichtungslagern und Lohhof als Ort der Zwangsarbeit – Leben in den Gettos – Erinnerung an den Bombenangriff auf München 1943 – Emotionen bei Fliegerangriffen – Deportation der Familie im Februar 1945 ins KZ Theresienstadt – Leben in Theresienstadt zwischen beschränkter Freiheit und Angst vor dem Weitertransport in ein Vernichtungslager – Erinnerung an Überlebende von Todesmärschen nach Theresienstadt – Spätere Befreiung aus Theresienstadt am 26. Juni 1945 aufgrund einer Typhus-Quarantäne – Eigene Erfahrungen, Alltag und Zusammenleben mit anderen Gefangenen in Theresienstadt – „Bank Terezín“ als Währung innerhalb Theresienstadts – Solidarität und Konkurrenz in Theresienstadt – Befreiung Theresienstadts durch die Rote Armee und spätere Rückkehr nach München – Übernahme Theresienstadts durch das Schweizer Rote Kreuz ab April 1945 – Rückkehr nach München – Kontakt mit den US-amerikanischen Besatzern – Desinteresse an den Erfahrungen der Befreiten – Betreuung der Displaced Persons durch die amerikanische Hilfsorganisation UNRRA – Einsatz Philipp Auerbachs für die überlebenden deutschen Juden – Misslungene Entnazifizierung durch die amerikanischen Besatzer – Ehemalige Täter des NS-Regimes auf bedeutenden Posten in der Bundesrepublik – Kein ähnliches Verfahren in der DDR – Verfolgung und Inhaftierung als linker Aktivist in der Bundesrepublik unter Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) – Unterstützung von linkem Aktivismus in der DDR – Friedenswille als Grund für die Proteste gegen die Wiederbewaffnung der Bundeswehr Mitte der 1950er-Jahre – Widerstand gegen den Vietnam-Krieg und die Notstandgesetze von 1968, Einstellung zur 68er-Bewegung – Überwachung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) durch das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz – Diffamierung der Sichtweisen der Überlebenden durch den Verfassungsschutz – Ziele, Mitglieder, Organisation und Benachteiligung der VVN – Hoffnungen und Ziele für die Zukunft.
Daten
Interview: Dr. Michael Bauer
Kamera: Thomas Rothneiger