Im hier gezeigten Ausschnitt schildert Max Mannheimer, wie er 1943 mit seiner Familie über Theresienstadt nach Auschwitz deportiert wurde. Er beschreibt die Ankunft im Lager und erinnert sich mit Schrecken an die Selektionen der arbeitsfähigen und der nicht mehr arbeitsfähigen Häftlinge, denen auch sein an Lungenentzündung erkrankter jüngerer Bruder Ernst zum Opfer fiel.
Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:
Lebensgeschichtliches Zeitzeugeninterview mit Max Mannheimer, geführt am 03.12.1998, über seine Jugend und das Leben in den 1920er und 1930er Jahren in der Tschechoslowakei, den Einmarsch der deutschen Truppen ins Sudetenland, seine Internierung in den Konzentrationslagern Theresienstadt, Auschwitz und Dachau sowie im Warschauer Getto, die unmittelbare Nachkriegszeit, seine Rückkehr nach Deutschland 1946, seine traumatischen Erinnerungen an die Zeit im KZ und den Tod von Familienangehörigen.
Biogramm
1920 in Neutitschein (Tschechoslowakei/Nordmähren) geboren, 1934-1936 Handelsschule, danach Kaufhaus-Angestellter, 1943 Häftling in den Konzentrationslagern Theresienstadt und Auschwitz, Ende 1943 bis Anfang 1944 Häftling im ehem. Warschauer Ghetto, 1944 Häftling im KZ Dachau (Außenstelle Karlsfeld), Anfang 1945 Verlegung ins Außenkommando Mühldorf, 28.04.1945 Evakuierung, 30.04.1945 Befreiung durch US-Truppen, die Eltern, drei seiner Geschwister und seine erste Frau überlebten den Holocaust nicht, nach seiner Entlassung aus dem Lazarett verließ Mannheimer Deutschland, bereits 1946 Rückkehr nach Deutschland, 1947-1962 Tätigkeit in jüdischen Wohlfahrtsorganisationen und bei einer Zeitung, seit 1954 Maler abstrakter Bilder (Pseudonym "ben jakov"), 1962-1983 Tätigkeit in der Verwaltung einer Strickwarenfabrik und der Hausverwaltung eines Bekleidungshauses, seit 1986 als Zeitzeuge in verschiedenen Einrichtungen und Institutionen, v.a. in Schulen und in der KZ-Gedenkstätte Dachau aktiv, seit 1988 Vorsitzender der "Lagergemeinschaft Dachau", 2000 Autor des Buches "Spätes Tagebuch: Theresienstadt - Auschwitz - Warschau - Dachau", 2009 Bayerische Verfassungsmedaille in Gold, 2009 Dokumentarfilm "Der weiße Rabe" von Carolin Otto. 2016 verstarb Max Mannheimer in München.
Inhalte
1920 in Neutitschein geboren, Vater Jakob Soldat im Ersten Weltkrieg, Mutter Margarete, Volksschule, 2 1/2 Jahre Gymnasium, Wechsel auf Handelsschule, 1934-1936, dann kaufmännisches Praktikum in der Nähe von Znain, Münchner Abkommen 1938, Mitschülerin mit Hitlerbild, Sudetendeutsche Partei, Jungen, der M. "Saujud" gerufen hat, zusammen mit Bruder Pferdeapfel in den Mund gestopft, 1938 Anschluss Österreichs, jüdische Flüchtlinge, Oberkantor von München Schlomo Reis, Eltern politisch naiv, deutsche und tschechische Kunden des Vaters, Großhandel, Besetzung des Sudetenlandes, Geschäft liquidiert, Josef Hübner treuer Kunde, Geld auf Sperrkonto, Begeisterung beim Einmarsch der Deutschen am 10.10.1938, Ostrauer Morgenzeitung, Auto des Vaters von NSV beschlagnahmt, Chauffeur Albert Grosser, politische Einstellung der Bevölkerung, Herr Demel, Marienbild gegen Hitlerbild getauscht, Friseur Alfred Kunz, Karikatur im "Stürmer", zerstörte und geplünderte jüdische Geschäfte, Synagoge verschont wegen Gaskessel in der Nähe, „Reichskristallnacht“ (Reichspogromnacht) am 09./10.11.1938, Vater in Schutzhaft, Umzug in 2-Zimmer-Wohnung nach Ungarisch-Brod, Autos, Motorrad und Möbel mitgenommen, 27.01.1939 Neutitschein verlassen, Kontrolle an der Grenze, Gamaschen, nackt ausziehen, Autos verkauft, deutscher Einmarsch in die "Resttschechei", immer mehr Einschränkungen für die Juden, Arbeit bei Verbreiterung einer Straße, Firma, Ingenieur Renner, Akkord, Einschränkungen beim Einkauf, Ausgangssperren für Juden, Ausschluss vom öffentlichen Leben, J im Ausweis, Arbeit in Schreinerei, Sägewerk, mit Roma zusammen gearbeitet, Schilder im Kurpark abgerissen, "für Juden nicht zugänglich", keine Gedanken an Auswanderung, erste Freundin Viola, mit Eltern 1940 nach Palästina emigriert, Büro Eichmann in Prag, Registrierung für Auswanderung nach Shanghai, Heirat 1942, Gerüchte über Schicksal der Juden, Arbeitseinsatz im Osten vermutet, Januar 1943 Aufforderung, sich im Comenius-Gymnasium einzufinden, Transport nach Theresienstadt, Bahnhof Bauschowitz (Bousowicze), Bruder Erich 1942 bereits verhaftet, Familie zusammen, Bruder Ernst, Edgar, Schwester Käthe, Eltern, Schwägerin, Dresden, unterwegs Häftlinge mit Judenstern, Zug bleibt im Dunkeln stehen, Scheinwerfer, SS, Kommando alles aussteigen, Frauen mit Kindern auf Lastwagen, SS-Arzt, Selektion nach Alter und Beruf, SS-Mann Zigaretten gegeben, nach Frauen und Kindern gefragt, ausziehen, Wertgegenstände abgeben, Registrierung, Haare geschoren, Desinfektion, Sauna, älterer Häftling sagte, Frauen und Kinder "gehen durch den Kamin", in eiskalte Dusche getrieben, Prügel, Zivilkleidung mit rotem Ölfarbstreifen, Pferdestallbaracken, Holzpritschen, Gebet, Morgenappell, Quarantänelager Birkenau, schlammiger Untergrund, 2 mal täglich Zählappell, Stacheldrahtzaun, Gedanken an Selbstmord, Nummer auf Unterarm tätowiert, Krematorien und Gaskammern in der Nähe, 6 Wochen Quarantäne, Selektionen mindestens einmal pro Woche, entblößter Oberkörper, Häftlingsschreiber, Bruder Ernst wurde selektiert wegen Krankheit, zum Deckenholen in Birkenau, der versteckte Bruder wurde in der Baracke entdeckt, Blockschreiber Wertheimer, Strafkommando Kiesgrube, Stacheldraht, Kies im Jacket, Kapos erschlugen Häftlinge, Kies versank im Schlamm, sinnlose Arbeit, Läuseappell, Stammlager Auschwitz 1, ehemalige Kaserne, Duschen, gestreifte Häftlingskleidung, Block 17, Ohrfeige von Kapo, Kommando "Huta", Ausmarsch bei Marschmusik durch Orchester, Häftling aus Bruschana konnte nicht richtig marschieren, Kapo Helmut erschlug ihn hinter dem Geräteschuppen, Werkzeugausgabe, Erdbewegungen, Zusammenarbeit mit 2 tschechischen ehemaligen Gendarmen, Lore auf Schmalspurschiene, Zementtransport, Hungerödem, Schmerzen in der Leiste, 1964 im Krankenhaus, Erinnerungen aufgeschrieben für Tochter, in Geräteschuppen am Ofen gesessen, Brandblase am Schienbein, die beiden Tschechen halfen M. ins Lager zurückzukommen, Block 28, Duschen, polnischer Häftlingsarzt, SS Arzt, Mann an der Pforte Jan Weiss, Selektion, Operation, Papierverband, Schmerzen nach der Narkose, SS Arzt, Laufen, Selektion, Decken erhalten, 04.04.1941, Arbeit als Schuster Werner Krumme, Kommando Bekleidungswerkstätte, Bruder, Block 14A, Meister Lippschak, merkte, dass M. kein Schuster war, fünf Schläge mit der Leiste, Holzstifte geschnitten, täglich Schläge, Phlegmone, Portion Brot des Bruders bekommen, Arbeit als Tapezierer, Wolle gezupft, Gerberei, von Mithäftling Russisch gelernt, Schikane durch Polen, Boden geschrubbt, Hofkommando, Holz sägen, Rudi Müller, fand Familienfotos in Koffer, in Gürtel versteckt, Kapo warf Rudi Müller und M. in Gerberbassin, mehrmals untergetaucht, wieder aus dem Becken gekommen, Bronchitis, Staub wischen in Block 14A, griechische Juden aus Saloniki, Abszess an der Brust, ambulant aufgeschnitten, Pflaster, Selektion, bei Appell immer neben dem hageren Leopold Gelbkopf um gesünder zu wirken, SS-Arzt Dr. Friedrich Entress, Blockschreiber Heinz, Entress überzeugt, um auf gleichen Transport wie Bruder zu gelangen, 07.10.1943 auf Transport geschickt, am 08.10.1943 Ankunft im Warschauer Getto, offene Holzschuhe, Lager in der Genscher-Straße, daneben kleines Gefängnis, Pawiak, Walter Wawsecziniak, Block 1, neue Nummer, Kommando "Merke", Abbruchkommando, Oberscharführer Franz Mielenz, Wäschereikommando, Nachtschicht, Firma Winter, tagsüber arbeiteten polnische Zivilisten, nachts Häftlinge, Waschmaschine, Zentrifuge, Heißmangel, Martin Wellner, versteckte Jüdin, Zescha, Tagebuch eines jungen Mädchens, Arbeit in der Schreibstube bis zur Deportation am 27.07.1944, Registrierung ungarischer Juden, Kommandant von Plaszow Leopold Amon Göth suchte Fachleute, Evakuierung am 27.07.1944, 120 km Fußmarsch, Fleischkonserven als Marschverpflegung, Durst, auf Wiese nach Wasser gegraben, Sochaczew, Kutno, wegen Typhus Verbot Wasser aus dem Fluss zu trinken, Warten auf Zug, Regen, Wassergräben, in Zug verladen, SS-Wachen, Eimer für die Notdurft, 06.08.1944 Ankunft im KZ Dachau, Duschen, Häftlingskleidung, Block 17, Arbeit in der Schreibstube, Kartothekkarten, Schüssel Gries, besser als andere Lager, Brot von Leichensezierer bekommen, offener Kiefer, Lager Karlsfeld, Allach, Kommando Sager und Woerner, Münchner Baufirma, Arbeitsplatz BMW-Flugmotorenwerke, Holzbrücke über die Straße, Kommandoführer Jensch, Schäferhund auf Häftlinge gehetzt, Baumaterial geschleppt, Erdbewegungen, Produktionsbunker gebaut, Luftangriffe, Organisation Todt, Verpflegungslager im Hotel Hörhammer in Dachau am Marktplatz, leichte Arbeit, slowakischer SS-Mann aß Heringe, beim Öldiebstahl erwischt, Oberscharführer Busch, Tote im Lager eingesammelt, kleiner Bauernwagen, Albert Kerner, Leichenkammer, Bruder mit Kommando von Kapo Christoph Knoll nach Mühldorf-Mettenheim geschickt, versuchte über Busch im Transport dorthin zu kommen, Mettenheim bei Ampfing, Großbaustelle für eine Messerschmitt-Fabrik, 22.02.1945, Arbeit in der Kleiderkammer, Erkrankung an Flecktyphus, das Lager sollte nach Kaufering evakuiert werden, Kommandant Sebastian Eberl, Unteroffizier der SS, Transportwaggons, Häftlingsstruktur in Mühldorf, Juden aus Ungarn, Tschechoslowakei, russische Häftlinge, grausame Behandlung, Oberscharführer Zink, Seifensiederei Stransky, Informationen über den Frontverlauf, "Völkischer Beobachter", Bahnhof in Poing, Tieffliegerangriff, Zug verlassen, Wehrmachtsoffizier in Kübelwagen schickte M. zurück, Fahrt nach Seeshaupt, 30.04.1945 bei Tutzing von Amerikanern befreit, geweint, Napola-Schule in Feldafing, Duschen, Entlausung mit DDT, Pyjamas, Bett mit Laken, keine Angst mehr, Dr. Rossipal, Brief an Mutter und Schwester, Rückkehr nach Neutitschein, Frau aus sozialdemokratischer Familie kennengelernt, 07.11.1946 mit ihr nach Deutschland gegangen, gemeinsame Tochter, Segnitz am Main/Unterfranken, Antifa-Transport, Kontakte mit Sozialdemokraten, jüdischen Kreisen, Arbeit in jüdischen Organisationen, Wohlfahrtsorganisationen, Zeitung, Freund Herbert Scherzer, Theater, DP-Lager, Stadttheater Weilheim, Angstträume, psychische Langzeitwirkungen, 1981 Leonhard Morse Mental Hospital, Auslöser: Hakenkreuz, Rückerinnerung an den Tod des Bruders, Depressionen, Besuch eines Freundes, Psychiater aus Boston bot Hilfe an, Insel Kuttihunk, Hakenkreuz an Pfeiler, Versuch das Hakenkreuz zu entfernen, gelang nicht, Zusammenbruch 1981, New Bedford/Massachusetts, Leonhard Morse Mental Hospital, Tabletten, Gruppentherapie, Dr. Shwarz, eine Woche in Concord/Massachusetts, Max-Planck-Institut für Psychiatrie, Prof. Wilhelm Feuerlein, Arbeit als Maler, Vergangenheit in den Hintergrund gedrängt, Vorträge in Schulen anfangs nur mit Tabletten geschafft, nach 3 Jahren ohne Tabletten, Probleme bei Dachau-Führungen, Krematorien nur von außen erklärt, Möglichkeit mit nahestehenden Menschen zu sprechen, Zescha in Australien, Erinnerung an Hinrichtung, Erinnerungen im Krankenhaus geschrieben, angenommene Krebserkrankung, Tochter lebte lange im Ausland, Frankreich, Schweiz, Amerika, Sohn hatte die Erinnerungen gelesen, aber nie mit ihm darüber gesprochen, Enkel.
Daten
Interview: Georg Schmidbauer M.A.
Kamera: Georg Schmidbauer M.A.