Zeitzeugen berichten

Martin Löwenberg KZ-Überlebender, Zwangsarbeiter; Pazifist

Signatur
zz-1129.01
Copyright
Haus der Bayerischen Geschichte (Georg Schmidbauer M.A.)
Referenzjahr
1943

Im hier gezeigten Ausschnitt berichtet Martin Löwenberg, wie sein Bruder ein 'arisches Mädel' schwängerte und deshalb im Mai 1943 aufgrund der 'Nürnberger Gesetze' wegen 'Rassenschande' erst ins Gestapogefängnis Breslau und dann ins KZ Buchenwald eingeliefert wurde.  

Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:

Lebensgeschichtliches Zeitzeugeninterview mit Herrn Martin Löwenberg, geführt am 06.06.2005 in München, über sein Leben in Breslau während des Zweiten Weltkriegs, Widerstand und Deportation, die Zeit als Zwangsarbeiter in den KZ-Außenlagern Lonwy-Villerupt/Natzweiler und Leitmeritz/Flossenbürg und seine Zeit als politischer Aktivist in linken Parteien und Gewerkschaften nach 1945.

Biogramm

1925 in Breslau geboren, Mitglied der "Roten Falken", nach 1933 als so genannter „Halbjude“ (sein Vater war Jude) Repressalien ausgesetzt, wegen illegaler Tätigkeit 1943 von der Gestapo verhaftet, im Außenlager Longwy-Villerupt des Konzentrationslagers Natzweiler interniert, Zwangsarbeit in unterirdischen Rüstungsbetrieben, 1944 ins Außenlager Leitmeritz des KZ Flossenbürg überstellt, 1945 Befreiung, Rückkehr nach Breslau, Übersiedlung nach Weißenfels a.d.Saale in Sachsen-Anhalt, 1947 nach München zu seiner Mutter, am Aufbau der Gewerkschaften und der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) beteiligt, überzeugter Pazifist, Mitglied der "Sozialdemokratischen Aktion“ (SDA), später der illegalen KPD, mehrmals verhaftet, Betriebsratsvorsitzender, in der Friedens- und Anti-Atomkraft-Bewegung engagiert, Gründungsmitglied im Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus. 2018 in München gestorben.

GND: 1035751437

Inhalte

1925 in Breslau geboren, Kindheit in Breslau, Provinzhauptstadt Niederschlesiens, Mutter: Verkäuferin, Vater: Postbeamter, Sozialdemokraten, Gewerkschaft, Jugendorganisation: "Rote Falken", Bücher, Wanderungen, 1932 Gruppenabend von HJ (Hitlerjugend) und jungen SA-Männern gestürmt, Betreuer verprügelt, Grundschule mit sechs Jahren, Vater säkularer Jude, bekennender Atheist, Freidenker-Schule - Diskriminierungen nach 1933, Schule aufgelöst, evangelische Knabenschule, Ausschluss von der Flaggenhissung in der 5. Klasse, Klassenkameraden respektierten Martin Löwenberg wegen sportlicher Leistungen, verletzender "Rassenkundeunterricht", Schulwechsel, nach der Schule Problem eine Lehrstelle zu finden, landwirtschaftliche Lehre am 01.04.1939 begonnen, im September 1939 Lehrvertrag gekündigt, dann im Oktober eine Lehre als Sattler und Polsterer begonnen, Chef war Mitglied der NSDAP, Soldat, mit Chefin den Betrieb aufrecht erhalten, Uniformteile, Revolvertaschen, Riemen, Gürtel - Mietskaserne, Kinder abhängig von der politischen Einstellung der Eltern, nationalsozialistische Familienpolitik, Fußballspielen auf der Straße, NS-Eltern Kynast verboten ihren Söhnen das Spiel mit den "Juden", Hitlerjugend (HJ) machte Werbung, viele Angebote: Motorrad-HJ, Reiter-HJ, Marine-HJ, nach dem Tod des Vaters die Mutter gebeten, in die HJ eintreten zu dürfen, Halbwaisenrente, Mutter ersparte Lederball, einige Jungs schwänzten beim Jungvolk - Mitglied im Boxsportverein mit 16, "Post Stefan", Rechtsausleger, Meisterschaften über HJ organisiert, daher keine Teilnahme möglich - Kino, Probleme mit den Sperrzeiten für Jugendliche, Auseinandersetzungen mit der Hitlerjugend, Prügelei, dafür 3 Wochen "Jugendkarzer" (Mischung aus Erziehungsanstalt und Wehrertüchtigung), November 1941 jüdische Verwandtschaft des Vaters deportiert, polnische "Ostarbeiter" (Zwangsarbeiter) in Breslau beim Straßenbau, 1942 zusammen mit dem Bruder Lebensmittelmarken an Ostarbeiter verteilt bis Mai 1943, Bruder schwängerte "arisches" Mädchen, dafür ins Gestapogefängnis und dann ins Konzentrationslager Buchenwald gekommen wegen "Rassenschande", L. übernahm die Arbeit des Bruders bei der Markenverteilung bis Mai 1944, illegale Tätigkeit, Herr Kotürer, besorgte Brotmarken über Brotfabrik, Pax-Christi-Bewegung, Zeitungsausschnitte mit den Marken verteilt, Mai 1944 von Feldjägern kontrolliert worden, Brotmarken gefunden, Verhör auf dem Polizeipräsidium, Herr Kluske, Gestapohaft, ins Konzentrationslager Flossenbürg deportiert, Auffangbaracke - nach 5 Tagen Deportation ins KZ-Außenlager Longwy-Villerupt des KZ Natzweiler in Lothringen, Zwangsarbeit in der Erzgruppe, unterirdische Produktion, Zwangsarbeit bei Polensky & Zöllner, Ausbau der Stollen zu Werkshallen, Organisation Todt, Bergwerksarbeit, Schikanen im Lager, Zeugen Jehovas, Appell, dort bis September 1944, Zustand im Bergwerk, ungarische Juden mussten sogar im Bergwerk schlafen, Decken, Fußlappen und leere Zementsäcke zu den Juden geschmuggelt, die Frühschicht musste morgens die Toten aus dem Stollen bringen, Schwellenlegen, Zementsäcke schleppen - Etappenweise Evakuierung, Anfang September 1944 15 Tage im Waggon, Tote beim Transport, kaum zu Trinken und zu Essen, Zwangsarbeit im KZ-Außenlager Leitmeritz, 50-60 km von Prag entfernt, Unterkunft in einer Pferdebaracke, 5 Stock hohe Betten, gleiche Firma wie in Longwy: Polensky & Zöllner, Auto-Union, Osram, Bauarbeiten, Arbeiten ähnlich wie in Frankreich, viele deutsche Dienstverpflichtete, gute Kontakte, tschechische Zivilarbeiter, erzwangen Untersuchung der Häftlinge, Lungentuberkulose bei jedem Zweiten, stark wechselnde Belegschaften, Lager völlig überfüllt, zu dritt auf einer Pritsche, wenig Solidarität, Muselmänner, Goebbels-Rede, Außendienst, Panzergräben anlegen, Gerüchte, Angst, im Stollen gesprengt zu werden - Lebensbedingungen im Lager, am 05.05.1945 nicht mehr zur Arbeit ausgerückt, Zerstörung der Loren, SS-Männer verschwanden, besorgten sich Zivilkleidung, waren plötzlich freundlich, Häftlinge als Hilfs-SS, Slowenen, Polen und Ungarn erhielten Entlassungspapiere, Teilnahmslosigkeit, Lagerorganisation, Typhusepidemie, Juden nach Theresienstadt ziehen gelassen - Befreiung, Panzer, Russen, tschechische Polizisten, Lebensmittel, Abtransport der Kranken und Verwundeten, Quarantäne, durch die Elbe geschwommen, Tote durch zu viel Nahrung, Einzelgespräche mit Russen, Rot-Kreuz-Transport - Flüchtlinge entgegengekommen, Rückkehr nach Breslau, Mutter in der Höschstraße 75, Bruder hatte KZ Neuengamme überlebt, Papiere, Antifaschistisches Komitee, deutsch-russisches Fußballspiel, mit Rucksack aufgebrochen, in Liegnitz Rucksack gestohlen - Neubeginn in Weißenfels/Sachsen-Anhalt, am 11.06.1945 Mitglied des FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund) und der SPD geworden, Arbeit in Schuhfabrik - Politisches Engagement im FDGB, freigestellt für "gesellschaftliche Arbeit", Jugendausschuss, Aktionskomitee SPD/KPD, Mutter hatte während des Zweiten Weltkriegs das Prager Manifest der SPD (1934) verbreitet, Vereinigung mit KPD zur SED 1946, KZ-Betreuungsstellen, Verhältnis mit älterer Frau, Bruder politisch aktiv in Breslau, Bezirksbürgermeister, wurde von anderem ehemaligen KZ-Häftling im Streit als SS-Mann ausgegeben, politische Verfolgung des Bruders in Breslau, Haft, Suche nach Entlastungszeugen, fünfeinviertel Jahre bis zur Verhandlung, Mutter nach Bayern (Harbach) gekommen, Kratzelmühle, März/April 1947 Ausreise in die amerikanische Besatzungszone, Auffanglager Moschendorf bei Hof, dann nach Harbach zur Mutter, Arbeit bei der Post in München - Umzug nach München, Aberlestraße, Arbeit bei Jopa, Eishersteller, Mitglied der SPD in Penzberg geworden, SPD in München, Jungsozialisten, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), Oberbürgermeister Thomas Wimmer - Politisches Engagement - Konflikt mit der SPD, Nichtvereinbarkeit der Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Aktion (SDA), Probleme der Wiederbewaffnung in den 1950er Jahren, Arbeit bei Fotokunst Kroh in Großhadern, Hauptamtliche Tätigkeit für die SDA, August Cooper, Kalter Krieg, wegen Tätigkeit in der SDA 1958 zu 12 Monaten Haft verurteilt, VVN, Mitglied in der KPD, Arbeit bei Pfaff-Maschinen, illegale Arbeit für KPD, erneut verurteilt 1961, 12 Monate, Ortsverwaltungsvorstand der HWV in München, Tarifkommission HDV, Friedensarbeit, Ostermärsche, Mitglied im Deutschen Freidenkerverband und im Archiv der Münchner Arbeiterbewegung, Carl-von-Ossietzky-Medaille, andere Auszeichnungen, Hans-Böckler-Medaille.

Daten

Art:
Lebensgeschichtliches Interview
Dauer:
3:00 h
Aufnahmedatum:
06.06.2005
Sprache:
deutsch
Aufnahmeteam:

Interview: Dr. Ludwig Eiber

Kamera: Georg Schmidbauer M.A.