Zeitzeugen berichten

Prof. Dr. Meir Schwarz Emigrant, Botaniker

Signatur
zz-0510.01
Copyright
Haus der Bayerischen Geschichte (Georg Schmidbauer M.A.)
Referenzjahr
1934

Im hier gezeigten Ausschnitt berichtet Prof. Dr. Meir Schwarz von seiner Kindheit im "Dritten Reich". Dabei erzählt er, dass die anderen Kinder tatsächlich glaubten, er hätte einen Affenschwanz, wie es in den nationalsozialistischen Schulbüchern stand.

Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:

Lebensgeschichtliches Zeitzeugeninterview mit Prof. Dr. Meir Schwarz, geführt am 06.09.1998, über die Jugendzeit in Nürnberg, die Reichspogromnacht, die Enteignung und Emigration, das neue Leben in Palästina und den Antisemitismus.

Biogramm

Prof. Dr. Meier-Schwarz wurde 1926 in Nürnberg geboren und erlebte die verschiedenen Stufen der Judenverfolgung in der Stadt der Reichsparteitage. Nach der Ermordung seines Vaters 1937 und der Reichspogromnacht 1938 gelang es ihm als einzigem Familienmitglied, Deutschland in Richtung Palästina zu verlassen. Dort war er 20 Jahre lang in einem Kibbuz tätig und erlebte als Mitglied der Untergrundorganisation Haganah die Irrfahrt des Auswandererschiffes „Exodus“ . Später arbeitete er als Naturwissenschaftler im Bereich Hydrokultur in Israel.

GND: 12156360X

Inhalte

"Machtergreifung" (Machtübernahme) durch die Nationalsozialisten am 30.01.1933, ungewöhnlicherweise Abendblatt gekauft, Eltern verbrannten Papiere im Kamin, Wahlen im Januar, junge Burschen grölen antisemitische Parolen, Haus in Nürnberg, Lerchenplatz 1, Vater war Kaufmann, Familien des Vaters und der Mutter beide über 300 Jahre nachgewiesen in Deutschland, Vater Vorstand der jüdischen Gemeinde in Nürnberg, Veränderungen, mit nicht jüdischen Kinder gespielt, Schulbücher mit antijüdischen Abbildungen, Lehrer mussten sich anpassen oder sie wurden entlassen, Anfeindungen, Garten in der Vorstadt, Einkaufsverbote in vielen Geschäften, von anderen Buben verschlagen worden, geschwiegen, zur Tante nach Schwäbisch Hall gefahren, aufs Land, Maul- und Klauenseuche, Braunsbach, Rückkehr nach Hause, Blutflecken an der Wand, zerbrochenes Fenster, während der Abwesenheit wurden Juden die Mitglieder der Loge waren auf eine Wiese an der Pegnitz getrieben, Hetzrede, mussten Gras fressen, Vater sollte auch abgeholt werden, Männer schlagen Scheibe ein, einer verletzt sich an der Hand, daher Blutspritzer, Vater Offizier im Ersten Weltkrieg, 2 Tage später kommen Männer und wollen seinen Degen abholen, Vater zerbricht diesen, einmal im Monat Geld von Mietern kassiert, veränderte Stimmung, Bekannte wechseln die Straßenseite, Vater bekommt immer weniger Aufträge, Jugend sofort begeistert von NS-Ideologie, Hoffnung dass das alles vorübergeht, nach der Schule keine Lehrstellen, Jugend hat den Wunsch zur Auswanderung, große Familie, Vater hatte 11 Geschwister, Vater als Gemeindevorsteher verantwortlich für Soziales, Friedhof, vieles wurde verschwiegen, Versuche Geld ins Ausland zu bringen, 02.09.1937 Vater hat Schlaganfall, verplombter Sarg durfte nicht geöffnet werden, Onkel aus Frankfurt führte rituelle Waschungen durch, -1991 Anruf von Cousine aus England, Tochter des Onkels aus Frankfurt, Treffen, berichtet dass der Vater ermordet worden ist, Nachforschungen in Rottendorf, Gespräche mit alten Männern, einer erzählt von der Tat, Tochter wirft S. raus, der Befragte war damals in der SA, Problem des Schweigens, -Reichspogromnacht (Reichskristallnacht), 1938, Einmarsch in Österreich, Großdeutschland, Münchner Abkommen: Daladier, Chamberlain, Mussolini, Hitler, Entscheidung über Tschechoslowakei, Saar, Sudetenland, Friedensrede Hitlers, Glaube an den Frieden, viele lassen sich täuschen, Ermordung von Raths, Pogromnacht, Zusammentreiben polnischer Juden, diese nach Polen ausgewiesen, Hebräisch-Lehrer, ebenfalls ausgewiesen, als Kind war es wunderbar, plötzlich Ferien, aber dennoch verstanden es steckt etwas schlimmes dahinter, Einbruch in die Synagoge, Silver- und Thorarollen gestohlen, Herschel Grynszpan, 09.11.1938 Aufmarsch der SA, mit Äxten, Brecheisen und Hämmern, Tür eingeschlagen, Bruder geschlagen, Wohnung zerstört, Ausgangsverbot, Geld und Eisernes Kreuz des Vaters gestohlen, am nächsten Morgen zerstörte jüdische Wohnungen, Synagoge in der Essenweinstraße brennt, Menschenmenge, Feuerwehr steht daneben und tut nichts, zur Tante gegangen, Onkel hat sich gewehrt, wurde deswegen nicht verhaftet, Kranke aus jüdischem Krankenhaus in Höhern rausgeworfen, Mutter auch dort, Geschäfte zerstört, mit den Nerven runter, in Kleidung geschlafen, alle Männer zwischen 18 und 50 Jahren wurden verhaftet, einige wurden bereits ermordet, einige Rückkehrer aus Dachau, durften nicht darüber sprechen, einige anständige Deutsche, Brötchen vor der Tür, Friseur mit Schild "Juden Zutritt verboten!", dieser kommt sonntags zum Haare schneiden, einzelne Anständige, Haushälter der Mietshäuser Herr Zeuner hilft beim Aufräumen der Wohnung, nur noch wenige Möbel, Wohnung leer, Bruder in Ausbildungslager bei Berlin zur Vorbereitung auf die Ausreise nach Palästina, 1943 unter den letzten Gruppen die nach Auschwitz deportiert wurden, Mutter stirbt 1940 an "Medikamentenmangel", Juden erhielten keine Medikamente mehr, Bruder gibt Zeuner Mappe mit Unterlagen um diese aufzubewahren, nach dem Krieg Dokumente erhalten, darunter auch Fotos, Briefwechsel, Zeuner verzog nach Lauf, dessen Frau später ausfindig gemacht, bereits 104 Jahre alt, erzählt dass der Mann die Papiere vergraben hat, -nach der Pogromnacht keine Schule mehr, jüdische Schule in Nürnberg, Mutter wurde gezwungen Häuser und Vermögen der NSDAP zu überschreiben, Geld auf Sperrkonto, über 16jährige durften nicht mehr ausreisen, Frage wie man raus kommt, kaum noch Gemeindeleben, Bar Mitzwa, Mutter für einen Tag aus dem Krankenhaus entlassen, wenig zu essen, keine Chance auf Kindertransport nach England weil zweite Fremdsprache Französisch nicht Englisch, auf Erholung nach Bad Dürrheim geschickt, Kindertransport nach Palästina ermöglicht, noch einmal nach Nürnberg gefahren, Unbedenklichkeitsbescheinigung besorgt, Abgaben bezahlt, Pass mit J-Stempel, 2 Koffer, soviel mitgenommen wie S. tragen konnte, Nürnberger Bahnhof, 10 Mark, München Hauptbahnhof, Übernachtung bei Freund des Bruders, Zug nach Triest, das letzte Mal die Mutter gesehen, Agfa Fotoapparat mitgenommen, Schiff nach Palästina, -jüdische Jugendorganisation Esra in Deutschland, Ausflüge, jüdische Erziehung, hebräisch gelernt, in Nürnberg kleine zionistische Organisation, Assimilation, Orthodoxe, zwei Gruppen unter den Juden, liberale Synagogen, Wunsch aus Deutschland raus zu kommen, nach Palästina, nach Amerika, Problem eine Bürgschaft zu bekommen, Verbundenheit unter den Juden, Hoffnung der Eltern: Es wird vorbei gehen, Existenzsorgen, Jugend viel eher bereit auszuwandern, 1935 während des NSDAP-Parteitages nach Karlsruhe zum Onkel geschickt, Nürnberger Gesetze, Dienstmädchen musste gehen, Bruch für Assimilierte schlimmer als für Religiöse, Kinder wurden von allgemeinen Schulen ausgeschlossen, jüdische Schulen wurden voller, 1934 mit Freund und Bruder Reichsparteitagsgelände angeschaut, von Jungs verprügelt worden, Umweg nach Hause genommen, Hitler im offenen Wagen vor dem Hotel Deutscher Hof gesehen, Hitlergruß, Wilhelm Gustloff, "zukünftiger Gauleiter für die deutschsprachige Schweiz", Gustloff wurde in Davos von jüdischem Studenten David Frankfurter erschossen, meldet sich auf der Gendarmerie, in Kur inhaftiert, wütende deutsche Zeitungen, Frankfurter wird zum Kriegsende 08.05.1945 frei gelassen, Frankfurter wandert nach Palästina aus, Ermordung Gustloffs kurz vor den Olympischen Spielen, deswegen nicht von den Nazis für Pogrom genutzt, Angst der Deutschen, Schweigen, Frauen viel hilfsbereiter, -Fahrt nach Palästina, 12 Kinder, Fleisch zu essen, keine Aufsicht, Ankunft im Hafen von Tel Aviv, ehemaliger Deutscher empfängt die Kinder, verantwortlich für diese, Fahrt nach Jerusalem, Internat, Chores-Schule, alles sehr arm, genügend Brot zu essen, kein Interesse für Schule, Briefkontakt zu Mutter bricht ab, Nachricht von deren Tod durch Cousin, Vollwaise, Schule abgeschlossen, Arbeit im Kibbuz, Brief von Deportation des Bruders, keine Familie mehr da, neue Siedlung gegründet, Chafez Chaim, nach dem Krieg wieder in Deutschland gewesen um Juden nach Israel zu bringen, Untergrundarmee Haganah, Exilschiff "Exodus", in Italien erste „Displaced Persons“ (DP) getroffen, Schock, nach Familien gesucht, versucht Menschen von Deutschland über Frankreich auf illegalen Schiffen nach Palästina zu bringen, Papiere und Pässe gefälscht, Holocaust, Flüchtlingsschiffe wurden von Engländern abgefangen, nach Zypern gebracht, Einwanderungsquote für Palästina 1.500 pro Jahr, illegale Einwanderung organisiert, Druck der Araber, großes Schiff von den USA gekauft, 4.500 Menschen, Leute über Frankreich Sete bei Marseille geschmuggelt, Engländer rammen Schiff, schleppen es nach Haifa, Leute wurden auf 3 Liberty-Schiffe verladen, zurück nach Frankreich gebracht, Porte de Buc, sich auf Schiff Ocean Vigour geschmuggelt, 1.500 Menschen an Bord, furchtbare Bedingungen, Kommando über Flüchtlinge übernommen, Franzosen schicken die Schiffe weg, Gibraltar, die Briten fahren nach Hamburg 09.09., mit Gewalt von den Schiffen getrieben, Anweisung keine Information über persönliche Daten zu geben, nur das man aus Palästina komme, Lager in Lübeck, die 4.500 fast alle auf illegalem Weg zurück nach Palästina gebracht, Engländer geben das Mandat über Palästina an die Vereinten Nationen zurück, 29.11.1948 Gründung des Staates Israel, dann wieder einige Jahre im Kibbuz, Arbeit als Lehrer, Aufnahme an der Universität, Identität, aschkenasisches Judentum, jüdische Gemeinden in Bayern, hunderte von Gemeinden, Synagogen, jüdische Friedhöfe, Franken, fast überall jüdische Spuren, Kongress an der Münchner Universität, Besuch am Grab der Eltern in Nürnberg, an der Stelle der Synagoge steht heute eine Tankstelle, keine Gedenktafel, Unwissenheit der Leute, Nachforschungen, über 100seitiges Buch "die Synagoge die nicht existierte", an Nürnberger Bürgermeister geschickt, Zahl der zerstörten Synagogen, Zahl der Getöteten in der Pogromnacht, Arbeit an Synagogengedenkbüchern, mehrere Bände, viel Material, Antisemitismus, Schläger SA, SS, Obrigkeitsdenken, Nationalismus, heutiges jüdisches Leben in Deutschland, Juden aus Ländern, Tradition zerstört, Verpflichtung der heutigen Generation aus der Geschichte zu lernen, Kultur, Religionsverfolgungen, Frau war in Ghetto Lodz, Auschwitz, Bergen-Belsen, Universität von Jerusalem, 7 Kinder, Enkel, kaum Gespräche über die Vergangenheit in der Familie, Enkel fragen eher als die Kinder, es wird darüber gesprochen und nicht mehr weggedrückt.

Daten

Art:
Lebensgeschichtliches Interview
Dauer:
2:00 h
Aufnahmedatum:
06.09.1998
Sprache:
deutsch
Aufnahmeteam:

Interview: Georg Schmidbauer M.A.

Kamera: Georg Schmidbauer M.A.