Im hier gezeigten Ausschnitt schildert Lola Sinz-Kronheimer, wie die vom NS-Regime getroffenen Maßnahmen zur Judenverfolgung auch ihre Liebesbeziehung zum Komponisten Wolfgang von Bartels belasteten. Hinzu kamen anonyme Drohanrufe, die sie ängstigten. Bartels' Tod 1938 bedeutete für Lola Sinz-Kronheimer einen schweren Schlag. Die Aufgabe, sich um ihre kranke Mutter kümmern zu müssen und die Hilfe der Pianistin Rosl Schmid, die sie als Korrepetitorin engagierte, halfen ihr dabei, mit diesem Verlust leben zu lernen.
Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:
Lebensgeschichtliches Interview der Journalistin und Historikerin Dr. Heike Bretschneider mit Lola Sinz (geb. Kronheimer), geführt 1989, über ihre Verfolgung als jüdische Künstlerin im Nationalsozialismus und den schwierigen Neubeginn nach 1945 (nur Ton).
Biogramm
Lola Sinz wurde 1910 als Lola Kronheimer in München geboren und stammte mütterlicherseits aus einer Musikerfamilie. Ihr Vater war ein angesehener jüdischer Kaufmann. Abbruch des Gymnasiums nach sechs Jahren, um sich ganz der musikalischen Ausbildung widmen zu können. 1928 Aufnahme in die Staatliche Akademie der Tonkunst / Hochschule für Musik in München, 1931 Meisterklassen-Examen beim Pianisten August Schmid-Lindner (1870-1959), anschließend erste Erfolge u.a. gemeinsam mit Erna Forster mit einer Uraufführung eines Werks von Karl Höller (1907-1987) für zwei Klaviere.
1933 Ausschluss aus der Reichsmusikkammer, in der Folge Auftritte im Rahmen des Jüdischen Kulturbunds in München, Nürnberg, Augsburg und Würzburg. Ihren Lebensunterhalt bestritt Lola Kronheimer in dieser Zeit mit Klavierunterricht. 1935 gemäß der Nürnberger "Rassengesetze" als "Geltungsjüdin" eingestuft und vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Auflösung des Jüdischen Kulturbunds. Nachdem ihr Lebenspartner Wolfgang von Bartels 1938 verstorben war, lebte Lola Kronheimer bei ihrer kranken Mutter. Tätigkeiten als Korrepetitorin für die Pianistin Rosl Schmid (1911-1978), Rechnungsschreiberin für eine Münchner Arztpraxis und ständige Mitarbeiterin des Cellisten Rudolf Metzmacher (1906-2004). Nach dem Erlass der Verordnung zum Tragen des "Judensterns" Zwangsarbeiterin in der Hutfabrik von Otto Brettschneider in München. Mit der Hilfe Brettschneiders konnte sie kurz vor ihrer Deportation im Februar 1945 mit gefälschten Papieren als "Lina Bockmeier" auf einem Bauernhof in Beilenberg im Allgäu untertauchen.
Nach dem Kriegsende Heirat mit dem Landwirt Andreas Sinz und Annahme dreier Adoptivkinder. Arbeit als Landwirtin und Betrieb eines Lebensmittelladens und einer Gastwirtschaft. Erst nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemanns 1987 war es Lola Sinz möglich, sich von ihren vielfältigen Verpflichtungen frei zu machen, wieder Musik zu hören und zu genießen und die Kontakte aus der Vorkriegszeit in München wieder aufzunehmen. Nach dem Umzug von Beilenberg nach Sonthofen 1991 ist Lola Sinz dort 1993 verstorben.
Lola Sinz' Leben, Denken und Wirken nach 1945 war geprägt vom unbedingten Willen zur Versöhnung. Deshalb half sie auch vielen NS-Belasteten, die ihr im "Dritten Reich" geholfen hatten, später bei der Entnazifizierung. Im Interview sagt sie: "Ich habe mich gewehrt mit Händen und Füßen, zu glauben, dass der Nationalsozialismus der Ausdruck der deutschen Mentalität oder der deutschen Seele ist. Die Nationalsozialisten haben aus Deutschland etwas gemacht, was nicht sein wahres Gesicht war. Sein wahres Gesicht musste es verstecken. Und das, was dazugehörte zu dem wahren Gesicht, nämlich die Hilfsbereitschaft von manchen Leuten, die unter der Oberfläche und mit großem Risikoeinsatz geholfen haben, Gefährdete zu schützen – das waren für mich die Deutschen."
Inhalte
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Lola Kronheimer wurde am 25.03.1910 in München geboren, ihre Mutter war Christin, sie stammte aus einer alten Münchner Musikerfamilie. Ihrem Vater zuliebe konvertierte die Mutter zum jüdischen Glauben. Jüdische und christliche Feste wurden gleichermaßen gefeiert und die Familie gehörte der liberalen jüdischen Gemeinde an. Lola Kronheimer studierte seit 1928 Klavier an der Akademie für Tonkunst, ihr Lehrer war Professor August Schmid-Lindner. Sie absolvierte 1931 ihre Prüfung für die Meisterklasse. Mit der Pianistin Erna Forster brachte sie 1932 im Odeon das Werk für zwei Klaviere von Karl Höller zur Uraufführung. Dadurch lernte sie den Münchner Kritiker, Musikschriftsteller und Komponisten, den 27 Jahre älteren Wolfgang von Bartels kennen und sie wurden bald ein Paar. Am 19.03.1933 spielte Lola Kronheimer noch in einem Konzert mit dem Cellisten Rudolf Metzmacher die Cellosonate von Bartels. Kurz danach wurde sie aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen. Durch den neu gegründeten Jüdischen Kulturbund war es noch möglich, Konzerte zu geben. Lola Kronheimer spielte in München, Würzburg, Augsburg. Mit den Nürnberger Gesetzen 1935 wurde der Jüdische Kulturbund aufgelöst. „Halbjuden“ wurden von nun an, wenn sie jüdischen Glaubens waren, als Volljuden eingestuft. Ihre Beziehung zu Wolfgang von Bartels galt offiziell als "Rassenschande" und sie konnten sich nur noch heimlich treffen. 1938 starb Wolfgang von Bartels an einer Nierenkrankheit.
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Eine ehemalige Studienkollegin, die Pianistin Rosl Schmid, bat Lola Kronheimer, sie bei der Vorbereitung ihrer Konzerte zu unterstützen. Zu einer engen musikalischen Zusammenarbeit kam es auch mit dem Solocellisten der Hamburger Philharmoniker, Rudolf Metzmacher. Er war seit 1940 an der Frankfurter Musikschule und seit dieser Zeit probte sie und bereitete mit ihm alle seine öffentlichen Auftritte vor. Er war inzwischen auch Mitglied des Stross Quartetts. Seit 1941 musste Lola Kronheimer den Judenstern tragen und erhielt den Vornamen Sara. 1944 wurde sie dienstverpflichtet in einer Hutfabrik. Der Besitzer der Fabrik holte sie nach einiger Zeit für Arbeiten in sein Büro. Im Februar 1945 bekam sie den Befehl zur Deportation. Vergeblich versuchte ihr Chef, dass der Befehl aufgehoben würde. Daraufhin riet er ihr, sich bis zum Kriegsende auf dem Land zu verstecken und sagte, sie solle sich mit seinem Firmenstempel falsche Papiere zu einer Fahrt ins Allgäu anfertigen. Sie fuhr nach Immenstadt und ging zu Fuß weiter. In der Nähe von Sonthofen hatte sie vor Jahren auf einem Hof bei der Familie Hartmann Urlaub gemacht. Obwohl das Haus voller Flüchtlinge war, nahmen Hartmanns Lola Kronheimer auf und gaben ihr als Versteck ein kleines Dachzimmer.
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Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auf dem Hof marokkanische, später amerikanische Soldaten einquartiert. Lola Kronheimer begann, der Familie Hartmann in der Landwirtschaft zu helfen, vor allem die Kühe zu hüten. Das Leben auf dem Land half ihr, die schreckliche Vergangenheit zu verarbeiten und langsam die seelischen Wunden zu heilen. Sie spricht kurz über die Entnazifizierung auf dem Land. Lola Kronheimer wollte nur ein ganz normales Leben, heiratete den Bauern Andreas Sinz und führte mit ihm bis zu dessen plötzlichem Tod 40 Jahre eine gute Ehe. Da sie keine eigenen Kinder bekommen konnten, adoptierten sie zwei Mädchen und einen Buben. Sie bauten neben der Landwirtschaft einen kleinen Lebensmittelladen und eine Gastwirtschaft auf.
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Lola Sinz spricht davon, dass sie Jahrzehnte lang nicht einmal mehr Musik hören, geschweige denn selber spielen konnte. Ihr fehlte die innere Freiheit. Erst nach dem Tod ihres Mannes und nachdem viele ihrer Pflichten als Bäuerin und Chefin fortgefallen waren, fand sie wieder Zugang zur Musik.
Daten
Dr. Heike Bretschneider (Interview und Technik)