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Dieser Clip ist Teil des folgenden Interviews:
Gruppeninterview der Journalistin und Historikerin Dr. Heike Bretschneider mit Sigrid Prein Fischer, Cornelia Blomeyer, Mona Summers, Regina Metz über die Gründung der Initiative "Mütter gegen Atomkraft", aufgenommen 1996 in München (nur Ton).
Inhalte
tobre 154:
Sigrid Prein Fischer: Am 26.04.1986 ereignete sich der Reaktorunfall in Tschernobyl, am 29.04.1986 habe sie das erste Mal die Nachricht in den deutschen Nachrichten gehört. Die Bevölkerung sei nicht vor den Gefahren gewarnt worden. Sie erinnere sich genau daran, da sechs Tage vorher ihr Sohn geboren worden war. Cornelia Blomeyer: Auch ihr Mann, der Ingenieur war, habe die Gefahren nicht richtig eingeschätzt. So sei die Familie am 1. Mai an der Isar gewesen und habe im verstrahlten Sand gelegen. Viele hätten die Gefahr nicht wahr haben wollen: Tschernobyl sei doch so weit entfernt. Sigrid Prein Fischer: Sie habe sich immer wieder die Frage gestellt, welche Hypothek ihr neugeborenes Kind und ihre zwei Jahre alte Tochter mitbekommen hätten. Tagelang hätten sie bei strahlendem Sonnenschein bei verschlossenen Türen und Fenstern in der Wohnung gesessen. Cornelia Blomeyer: Sie erzählt, dass sie und vier andere Mütter, die ihre Kinder in derselben Schule hatten, beschlossen, nicht mit ihren Sorgen und Ängsten allein zu Hause zu sitzen, sondern zu handeln und vor allem zu informieren. Am Muttertag hätten sie vor dem Rathaus in München ihre verstrahlten Sträuße niedergelegt und ein großes Strahlenzeichen auf das Pflaster gemalt. Sie wandten sich an die Presse und machten Mundpropaganda. Es kamen tausend Menschen. Auf Unterschriftslisten forderten sie den Ausstieg aus der Atomenergie (60.000 Unterschriften). Da ihre Telefonnummer in der Zeitung gestanden habe, hätten in der nächsten Zeit unzählige besorgte Mütter angerufen und Informationen über die Ernährung gewollt. Mona Summers: Das Interesse vor allem von Müttern mit kleinen Kindern nach Information und die vielen Anfragen hätten die fünf Initiatorinnen vor die Frage gestellt, was der nächste Schritt sein müsste? Cornelia Blomeyer: Sie hätten nach Fachleuten gesucht, die Ernährungstipps geben konnten, der Arbeits- und auch finanzielle Aufwand sei so umfangreich geworden, dass sie beschlossen, einen Verein zu gründen. Zehn Jahre später hatten sie 2.000 Mitglieder und circa 60 Stadtteilgruppen in der Bundesrepublik – die meisten davon in Bayern. Sie und die anderen Frauen erzählen, dass sie bis zum Frühjahr 1986 politisch nicht aktiv gewesen seien und es auch nicht so leicht gewesen sei, sich fachkundig zu machen und ihre Meinung in der Öffentlichkeit zu vertreten. Sie hätten aber Schritt für Schritt mehr gelernt, seien immer mutiger geworden.
tobre 155:
Einige Ehemänner und zum Teil auch die älteren Kinder seien über das neue politische Engagement der Mütter nicht begeistert gewesen. Sie erklären, warum sie sich nach langen Diskussionen „Mütter gegen Atomkraft“ genannt hätten: Das Wort „Mutter“ als Symbol, die Mütter von Plaza de Mayo, die sizilianischen Mütter gegen die Mafia usw. dienten als Vorbilder. Im Lauf der Jahre seien sie auf mehr Akzeptanz in der Bevölkerung und auch bei einzelnen Politikern gestoßen. Mona Summers berichtet über die Übergabe von 60000 Unterschriften am 21.10.1986 in Bonn. Cornelia Blomeyer: In der Gruppe habe es auch Frust gegeben, sie hätten sich schnellere Erfolge gewünscht und gesehen, dass sie sich auf den mühsamen Weg der Überzeugungsarbeit einstellen mussten: Informationsblätter verteilen, Stadtteilgruppen aufbauen, Mahnwachen organisieren.
tobre 156:
Sie sprechen über ihre Teilnahme und auch über ihre Ängste und Bedenken bei Demonstrationen gegen die Wiederaufarbeitungsanlage WAA in Wackersdorf. Im Kampf gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf hätten sie sich mit anderen Umwelt- und Friedensgruppen verbündet. 881.000 Einwendungen gegen die zweite atomrechtliche Teilgenehmigung seien aus der Bundesrepublik und Österreich eingegangen. Im Juli 1988 fand an drei Nachmittagen das Anhörungsverfahren in Neunburg vorm Wald statt. Am dritten Nachmittag stellten die „Mütter gegen Atomkraft“ ihre Argumente vor. Sie wiesen u.a. darauf hin, dass für die radioaktive Belastung immer der ausgewachsenen Mann als statistische Größe galt, aber nicht die Frauen, die Kinder, die Embryonen oder die Kranken. Die „Mütter gegen Atomkraft“ gründeten eine Energiearbeitsgruppe, um auf die Nutzung alternativer Energien hinzuweisen, Blockheizkraftwerke, Dezentralisierung der Energieversorgung usw.
tobre 157:
Die Gruppe gab eine Reihe von Arbeitsblättern zum Energiesparen heraus. Mit Vertretern der Polizei und der Polizeigewerkschaft hätten sie Gespräche über die Deeskalation von Gewalt geführt. Sie versuchten, mit Überzeugungsarbeit ihre Basis zu erweitern.
Daten
Dr. Heike Bretschneider (Interview und Technik)