Atlas zum Wiederaufbau

Zwiesel

Im April 1945 wurden vor allem Zwiesels Bahnanlagen bombardiert. Am 26.04.1945 zogen die deutschen Einheiten ab, drei Tage später konnten US-Truppen in die Stadt einziehen. Vorübergehend stieg die Einwohnerzahl stark an (Anfang 1945: 6.000, 1946 9.072), da  Flüchtlinge und Heimatvertriebene kurzfristig untergebracht werden mussten. 1952 waren noch 1.121 von 8.195 Einwohnern Heimatvertriebene. Der Wohnungsnot begegnete man durch Einrichtung einer Baugenossenschaft.

Angriffe

• 20. April 1945: US-Luftangriff
 - Angriff von 56 Flugzeugen der US Air Force
 - Angriffsziel: Bahnanlagen im Gleisdreieck Plattling-Zwiesel, Zwiesel-Bodenmais und Zwiesel-Grafenau (heute im Bahnjargon „Zwieseler Spinne“ genannt)
 - in 2 Angriffswellen Abwurf von u.a. 207 Sprengbomben
• April 1945: mehrere Tieffliegerangriffe auf Zwiesel und die nähere Umgebung in den letzten Kriegstagen, u.a. am 24. April auf Rabenstein

Tote und Verletzte

• durch Luftangriff vom 20. April 1945:
 - 18 Tote
 - mehrere Verletzte
• durch Luftangriff auf Rabenstein vom 24. April 1945:
 - 2 Tote
 - mehrere Verletzte

Schäden

• durch Luftangriff vom 20. April 1945:
 - geringe Schäden an den Bahnanlagen halten
 - keine Schäden im Stadtkern
 - durch Fehlwürfe und Detonationsdruckwellen zahlreiche Häuserschäden in der Nähe der Bahnlinie
 - Schäden insbesondere in der Langdorfstraße und der Schlachthofstraße
 - 2 Häuser mit Totalschaden, ca. 10 mit schweren Beschädigungen und mehrere mit leichten Schäden
 - Schäden am Krankenhaus infolge des Luftdrucks der Detonationen
• durch Luftangriff auf Rabenstein vom 24. April 1945: Schäden an Schule, Gemeindehaus, in Rotkot, auf dem Gelände des Sägewerks Rümmelein und im Bahnhofsbereich

Kriegsende

• 26. April 1945: Abzug der deutschen Verteidigungseinheiten unter Oberst Bigemer
• 27. April 1945:
 - Abwurf von Flugblättern über der Stadt durch die US-Armee
 - Inhalt der Flugblätter: „Übergabe und Schonung ihrer Ortschaft oder Widerstand und Vernichtung“ (vgl. Photo)
 - Zwiesel wird zur Lazarettstadt erklärt
 - erfolgreiche Verhandlungen mit den US-Truppen durch Egon von Poschinger, Glashüttenbesitzer von Theresienthal und dadurch Bewahrung Zwiesels vor weiterer Zerstörung
• 29. April 1945:
 - Einmarsch der US-Armee ohne deutschen Widerstand
 - Übergabe der Stadt durch Bürgermeister Alfons-Maria Daiminger

Ausgangslage

Einwohnerzahlen:
1939: 5.885
1946: 9.102
1955: 8.032
1961: 8.068
1968: 8.447
Flüchtlinge und Heimatvertriebene:

• Sommer 1943: nach Luftangriffen auf Hamburg kommen die ersten 820 Luftkriegsevakuierten nach Zwiesel
• seit Ende 1944: Eintreffen von Flüchtlingen aus Schlesien, Ostpreußen und Pommern
• zweite Jahreshälfte 1945 und 1946: Eintreffen vieler Heimatvertriebener v.a. aus dem Sudetenland und insbesondere dem nahe gelegenen Böhmerwald
• bis 23. Oktober 1946:
 - massiver Bevölkerungsanstieg von ca. 6.000 Einwohnern Anfang 1945, über 7.082 Ende 1945 auf 9.072 Einwohner
 - Bevölkerungsanstieg jedoch auch bedingt durch die vorübergehende Eingemeindung der Gemeinden Bärnzell und Klautzenbach (01. Januar 1946 bis 01. Januar 1948)
• 31. Dezember 1947: 9.493 Einwohner, davon 7.094 Einheimische, 2.148 Vertriebene oder Flüchtlinge, 203 Evakuierte und 48 Ausländer bzw. DPs
• bis Ende Juli 1948:
 - Eintreffen weiterer 1.034 sudetendeutscher Flüchtlinge, die allerdings nur übergangsweise bzw. befristet in Zwiesel untergebracht werden
 - Unterbringung u.a. im Gasthof „Deutscher Rhein“, in der Turnhalle der Knabenschule und in Auffanglagern
• Anfang 1949:
 - 8.551 Einwohner, davon 6.209 Einheimische und 2.342 Flüchtlinge (27,4%)
 - Unterbringung v.a. privat sowie in öffentlichen Gebäuden aller Art (Turnhalle, Jankasaal, Kino, Pfeffersaal, Baracken)
• 13. September 1950: 1.958 Heimatvertriebene (8.347 Einwohner insgesamt)
• 31. Dezember 1952: 8.195 Einwohner, davon 6.266 „Zwieseler“ und 1.121 Vertriebene

Wiederaufbau

Pläne und Ideen:

• aufgrund der geringen Zerstörungen war kein Wiederaufbau im eigentlichen Sinne erfolgt
• nach Kriegsende 1945: vordringlichste Aufgabe die Bekämpfung der Wohnungsnot
• 28. März 1947: Gründung der Baugenossenschaft Zwiesel
• seit 1947:
 - Hauptproblem ist die Bereitstellung entsprechender Baugründe
 - bereits im Oktober 1948 gehen mit der Parzellierung des Baugeländes am Rotkot und in der Zwieselbergsiedlung die verfügbaren Baugründe zur Neige
• seit 1948: Baugrund von der Kirche zur Verfügung gestellt, später auch von der Stadt

Umsetzung:

• nach Kriegsende 1945: Entstehung neuer Wirtschaftszweige, v.a. durch die Gründung zahlreicher Flüchtlingsbetriebe
• 1945: Ansiedlung des Glasveredelungsbetriebs „Rimpler“ an der Fachschulstraße
• 01. Januar 1946 - 01. Januar 1948: vorübergehende Eingemeindung der Gemeinden Bärnzell und Klautzenbach
• 1946: Bau der Marienkapelle an der Langdorfer Straße von Georg Tröppl, zur Erinnerung an den Bombenangriff vom 20. April 1945
• 1948: Gründung des überregionalen Unternehmens „Bayerwaldkunst“ als einem der bedeutendsten Wirtschaftsimpulse für Zwiesel
• bis 1949: 83 Flüchtlingsunternehmen mit den Schwerpunkten Textilindustrie, Nahrungsmittelgewerbe und Glasveredelung registriert
• 1949:
 - Gründung des Kunst- und Kulturvereins „Zwieseler Fink“
 - Anschluss an das Wassernetz
 - Beginn mit der Bebauung der durch die Kirche 1948 zur Verfügung gestellten Pfarrgründe zwischen Lüssenberg und Waldesruhweg
• Ende 1940er Jahre: Entstehung eines neuen Stadtviertels zwischen Frauenauerstraße und Böhmerwaldstraße in Richtung Oberzwießelauer Straße, nach Erwerb des Baugrundes durch die Stadt
• bis 1951: Bau von 15 Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 90 Wohnungen durch die Baugenossenschaft Zwiesel
• 1951: Errichtung von 5 Doppelhäusern mit 20 Wohnungen für Heimatvertriebene an der Rachelstraße durch die Stadt
• seit 1951:
 - erhebliche Erweiterung u.a. des Baugebietes an der Rachelstraße
 - parallel Durchführung eines Siedlungsprogramms am Sonnenhügel
 - Schwerpunkt der Bautätigkeit der Baugenossenschaft unter städtischer Bezuschussung am Waldesruhweg, der Frauenauer Straße, der Böhmerwaldstraße, dem Osserweg, der Pfarrer-Fürst-Straße, der Oberzwieselauer Straße, der Adalbert-Stifter- und der Hans-Watzlik-Straße
• bis 1951/1952:
 - Errichtung von 15 Häusern mit 90 Wohnungen durch die Baugenossenschaft
 - Bautätigkeit durch die Farbenglaswerke: z.B. Bauprogramm mit Hochbauten für Facharbeiter an der Franz-Betz-Straße, der Oberzwieselauer Straße und im Bereich zwischen Bergkirche und Hochstraße
• 1952:
 - Bau des Gymnasiums an der Bahnhofstraße
 - Wiederaufnahme der regulären Glasherstellung
 - Gründung der Freien Orchestervereinigung Zwiesel (bis heute bestehende kulturelle Einrichtung)
• 1954: Errichtung eines Sägewerks für die Tonholzverarbeitung durch Walter Fuchs
• 1957: Bau der Versuchsglashütte der Glasfachschule
• 1959: Ansiedlung der Bekleidungsfirma Fuchs und Erdmann am Waldesruhweg
• Ende der 1950er Jahre: verstärktes Einsetzen der privaten Eigenheimbautätigkeit
• 1962: Schulhausneubau für die Grundschule
• 1963:
 - Bau des Tiefbrunnens
 - Bau des neuen Wasserversorgungsnetzes
• 1964:
 - Ansiedlung der Glasfabrik Klokotschnik (heute: „Ambiente“)
 - Ansiedlung der Schulmöbelfabrik an der Röckkellerstraße
• 1966: Erweiterung und Umbau des Städtischen Museums zum Waldmuseum auf Initiativen des Wald-Vereins Zwiesel
• 1971: Eingemeindung der Dörfer Innenried und Klautzenbach
• 1972: Bayerwaldtag in Zwiesel
• 1974: Umbau des Stadtplatzes

Literatur

PONGRATZ, Adalbert: 100 Jahre Stadt Zwiesel, Zwiesel 2004.
STATISTISCHES JAHRBUCH FÜR BAYERN 1952. Hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1952, S. 492.
STATISTISCHES JAHRBUCH FÜR BAYERN 1955. Hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1955, S. 20.
STATISTISCHES JAHRBUCH FÜR BAYERN 1969. Hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1969, S. 19.
WEBER, Thomas: Aus der Chronik der Stadt Zwiesel, in: Der Bayerwald, Nr. 86 (1994), 2, S. 42-45.

DANK
Für weitere Auskünfte danken wir dem STADTARCHIV Zwiesel.

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