Atlas zum Wiederaufbau

Waldkraiburg

Die 1937 errichtete Pulverfabrik wurde seit Februar 1945 bombardiert. Am 02.05.1945 marschierten US-Truppen in Kraiburg ein. Es kam zu einem Gefecht mit einer SS-Einheit. Nach Kriegsende wurde das Werksgelände zunächst als Lager für Displaced Persons genutzt, seit April 1946 zogen Flüchtlinge und Heimatvertriebene zu. 1950 erfolgte die offizielle Gründung Waldkraiburgs als eine von fünf bayerischen Flüchtlingsstädten. 1955 hatte der Ort 4.741 und 1968 15.304 Einwohner. Auf Grundlage eines Wirtschafts-, Siedlungs- und Gemeindeentwicklungsplans entstand eine völlig neue Stadt.

Neugründung

Waldkraiburg ist einer der nach dem Krieg gegründeten Flüchtlingsorte. Auf dem ehemaligen Gelände der seit 1937 aufgebauten Pulverfabrik der Deutschen Sprengchemie (DSC) entstand durch Ansiedlung von Flüchtlingen bis 1950 die Gemeinde Waldkraiburg.

Angriffe

• ab Februar 1945: mehrere Tieffliegerangriffe auf das Pulverwerk Kraiburg
• 11. März 1945: Tieffliegerangriff auf den Bahnhof
• 11. April 1945:
 - Bombardement durch 133 US-Bomber
 - Abwurf von 1.524 Bomben

Tote und Verletzte

• während der Bombardierung Mühldorfs am 19. März 1945: erste Todesopfer unter den Beschäftigten der Pulverfabrik (Deutsche Sprengchemie (DSC)-Wohnblocks in der Martin-Greif-Straße)
• durch Luftangriff am 11. April 1945: 43 Tote und 70 Verletzte

Schäden

• durch Luftangriff am 11. April 1945:
 - 10% der Werksgebäude zerstört
 - Werkswohnsiedlungen nicht von Zerstörungen betroffen
 - trotz Explosion des Glycerinlagers die wesentlichen Teile des Rüstungswerks unversehrt
 - durch Wucht der Explosionen Gebäudebeschädigungen auch noch in Pürten (Kirchenfenster), Kraiburg, Aschau und Ampfing (Wandrisse und gelöste Tür- wie Fensterstöcke)

Kriegsende

• 02. Mai 1945:
 - Sprengung der Inn- und Innkanalbrücken durch die Waffen-SS
 - Einmarsch der US-Armee in Kraiburg
 - Gefecht mit einer SS-Einheit

Spuren des Krieges

• Bombentrichter im Wald
• Bunkerruine
• 1995: letztes Auffinden eines Bombenblindgängers im Wald

Ausgangslage

Einwohnerzahlen:
1954: 4.048
1955: 4.741
1961: 8.716
1968: 15.304
Flüchtlinge und Heimatvertriebene:

• seit 1940/1942: Einsatz von Kriegsgefangenen in der Pulverfabrik sowie „Werbeaktionen“ für Arbeitskräfte in den besetzten Gebieten
• nach Kriegsende: Displaced Persons-Lager der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration; Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der VN; ab 1946: IRO = International Refugee Organisation; 1952 aufgelöst)
 - ca. 14.000 Displaced Persons im Landkreis Mühldorf
 - Unterbringung zwischen Juli 1945 und Mai 1950
• ab Sommer 1945: Nutzung des stillgelegten Pulverwerks als Siedlung für Heimatlose und ab April 1946 für Flüchtlinge und Heimatvertriebene
• ab April 1946: Ankunft der ersten Flüchtlingstransporte
• zwischen April und September 1946: durchschnittliche Unterbringung von 1.200 - 1.700 Flüchtlingen in den Unterkünften des ehemaligen Werksgeländes
• September 1946: Verhängung eines Einweisungsstopps durch die US-Militärverwaltung
• 1946/1947: Ansiedlung erster Flüchtlingsindustrie auf dem Werksgelände und Wohnungsbau
• nach Kriegsende: langfristige und dauerhafte Unterbringung und Integration von ca. 1.900 Kriegsflüchtlingen und Heimatvertriebenen in den ehemaligen Werkslagern

Wiederaufbau

Pläne und Ideen:

• ab 1947/1952: Wirtschafts-, Siedlungs- und Gemeindeentwicklungsplan:
 - Wohngebiet 1: im Westen der Stadt, westlich der Aussigerstraße für ca. 4.800 Einwohner
 - Wohngebiet 2: am Stifter- und Grünenweg für 2.800 Einwohner
 - Wohngebiet 3: das östliche Gebiet um die Porschestraße für ca. 3.300 Einwohner
 - Wohngebiet 4: südlich der Bahnlinie (später Waldkraiburg Süd) für ca. 5.000 Einwohner
 - Wohngebiet 5: Frauenlager (später Föhrenwinkel) für ca. 1.000 Einwohner
• 1948: Gründung der „Gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft eGmbH“ als Träger des Wohnungsbaus
• 1965: Generalverkehrsplan mit Analysen zum bestehenden Verkehrsnetz

Umsetzung:

• 1947: Beginn des Umbaus der Massenquartiere in Einzelwohnungen und Häuser am Vorbild sog. „Musterhäuser“ (Freigabe des Geländes für die Ansiedlung durch die US-Militärregierung am 13. August 1946)
• 1949: Fertigstellung des ersten Wohnhauses an der Haidaer Straße mit 10 Wohnungen
• ab 1949: Ausbau des Stromnetzes
• bis 1949/1950: Entstehung von einer Volksschule, einer Kirche, zwei Lebensmittelgeschäften, einer Milchhalle, einer Tischlerei, einer Lagerfeuerwehr und einem Dachdeckerbetrieb
• Ansiedlung von Flüchtlingsbetrieben und deutscher Industrie zwischen 1946 und 1950, u.a.:
 - Graslitzer Musikinstrumentenhersteller
 - Gablonzer und Haidaer Glasindustrie
 - Pumpenfabrik Dickow
 - Gelenkscheibenfabrik Zeidler
 - Feingerätefabrik Baczkiewicz
 - Firmengruppe Elaston
• 20. April 1949: Übergang der Vermögenskontrolle über den gesamten Montanbesitz in bayerische Zuständigkeit
• 01. April 1950: Gründung der Gemeinde Waldkraiburg
• weitere Stationen der Gemeindeentwicklung ab 1950:
 - ab Mai 1950: erste Überlegungen zur Errichtung eines (Grundversorgungs-) Krankenhauses
 - ab 1950/1953: Ausbau des Telefonnetzes
 - 1951: Evangelische Bunkerkirche an der Karlsbader Straße, Katholische Bunkerkirche an der Kirchenstraße
 - 1952: Intensivierung des Straßenausbaus
 - 1953: Erwerb des gesamten Werksgeländes durch die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (Ziel: Verkauf der einzelnen Grundstücke)
 - 1953: Bauhof
 - 01. September 1954: Einweihung der ersten Volksschule „Joseph von Eichendorff“ an der Dieselstraße
 - 1955: Stadtwerke
 - 1957: neues Mittelschulgebäude an der Dieselstraße
 - 1959: Jugendbildungsstätte Haus Sudetenland und Inbetriebnahme der Erdgasversorgung
• 1960: Erhebung zur Stadt

Literatur

BRAND, Walter: Die Entwicklung von 1950 - 1970, in: Aus Trümmern entstand die lebendige in die Zukunft drängende Stadt Waldkraiburg. Zusammengestellt von Theo Keil, Karl Keller und Werner Tusche. Hrsg. von der Stadt Waldkraiburg, München 1970, S. 27 - 42.
KERN, Konrad (Hrsg.): Waldkraiburg erzählt. Geschichte einer jungen Stadt. Hrsg. von der Stadt Waldkraiburg, Waldkaiburg 1999.
KERN, Konrad: Waldkraiburg schaut zurück. Geschichte einer jungen Stadt, Waldkraiburg 2009.
KERN, Konrad: Das Werk Kraiburg. 1945 - 1950, in: Konrad Kern (Hrsg.): Waldkraiburg erzählt. Geschichte einer jungen Stadt. Hrsg. von der Stadt Waldkraiburg, Waldkraiburg 1999, S.125 - 130.
NERDINGER, Winfried (Hrsg.): Architektur der Wunderkinder. Aufbruch und Verdrängung in Bayern 1945-1960, Salzburg / München 2005, S. 128.
PLATSCH, Edmund: Die Gemeide Waldkraiburg (Gemeindegründung, Bodenpolitik, Stadtrat, Ehrenbürger, Finanzen), in: Konrad Kern (Hrsg.) Waldkraiburg erzählt. Geschichte einer jungen Stadt. Hrsg. von der Stadt Waldkraiburg, Waldkraiburg 1999, S. 139 - 178.
PREUß, Johannes / EITELBERG, Frank: Das Werk der Deutschen Sprengchemie GmbH 1938 - 1945, in: Konrad Kern (Hrsg.): Waldkraiburg erzählt. Geschichte einer jungen Stadt. Hrsg. von der Stadt Waldkraiburg, Waldkraiburg 1999, S. 77 - 98.
RÖSLER, Herbert: Der Anfang, in: Aus Trümmern entstand die lebendige in die Zukunft drängende Stadt Waldkraiburg. Zusammengestellt von Theo Keil, Karl Keller und Werner Tusche. Hrsg. von der Stadt Waldkraiburg, München 1970, S.21 - 26.
STATISTISCHES JAHRBUCH FÜR BAYERN 1969. Hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1969, S. 19.

DANK
Für weitere Auskünfte danken wir dem STADTARCHIV Waldkraiburg und dem BAYERISCHEN LANDESAMT FÜR STATISTIK und Datenverarbeitung.

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