Atlas zum Wiederaufbau

Neustadt b. Coburg

1945 gab es mehrere Tieffliegerangriffe auf Neustadt, insbesondere auf die Bahnanlagen. Am 10.04.1945 wurde der „Volkssturm“ aufgelöst, zwei Tage später marschierten die US-Truppen ein. Flüchtlinge wurden in mehreren Lagern untergebracht, 1950 lebten in Neustadt 2.351 Heimatvertriebene (12.813 Einwohner gesamt, gegenüber 9.605 im Jahr 1939 ). Die Siedlungen am Stadtrand wurden vergrößert, traditionelle Wirtschaftszweige gestärkt.

Angriffe

• seit Februar 1945 zunehmend Tieffliegerangriffe
• 21. Februar 1945: Tieffliegerangriff auf den Bahnhofs des heutigen Stadtteils Fürth am Berg
• 08. April 1945:
 - US-Tieffliegerangriff mit Bordwaffen und Bomben auf das Kabelwerk, den Gaskessel und den Bahnhof
 - US-Tieffliegerangriff auf Fürth am Berg
• 09. April 1945: US-Tieffliegerangriff mit Bomben und Bordwaffen auf das Kabelwerk und den Gaskessel
• 10. April 1945:
 - US-Tieffliegerangriff auf die Bahnanlagen
 - Artilleriebeschuss der Gemeinde Boderndorf
• 11. April 1945:
 - US-Tieffliegerangriff
 - Artillerie- und Panzerfeuer auf die Stadt in den Nachmittagstunden
 - Luftangriff mit Bombenabwurf auf Weidach, Markt und die Bahnhofsumgebung
 - Beschuss der Kellerstraße mit Bordkanonen
 - Angriffe auf die Schützen-, Tal- und Weinbergstraße
 - Ziel des Luftangriffs und des Panzerbeschusses war außer dem Bahnhof und dem Kabelwerk die Schule Heubischer Straße

Tote und Verletzte

• durch Luftangriff vom 14. Februar 1945: 1 Toter (das erste Todesopfer) durch Jagdbomberbeschuss während des Angriffs auf einen Güterwaggon
• durch Tieffliegerangriff vom 09. April 1945: 1 toter Soldat
• durch Angriffe vom 11. April 1945: 16 tote Bürger

Schäden

• durch Angriffe vom 11. April 1945:
 - völlige Zerstörung von 3 Wohnhäusern
 - Beschädigung mehrerer weiterer Wohnhäuser
• Gesamtschäden durch Luft- und Tieffliegerangriffe sowie Beschuss:
 - leichte Schäden an über 200 Gebäuden
 - mittlere Schäden an 75 Gebäuden
 - Zerstörung von 19 Gebäuden
 - starke Beschädigung des Kabel- und Leitungswerkes und des Ferngaswerkes

Kriegsende

• 10. April 1945: am Abend Entfernung der Panzersperren und Auflösung der 3 Volkssturmkompanien
• 11. April 1945:
 - Zerlegung und anschließendes Vergraben der am Bahnhof stationierten Flakgeschütze
 - bis Mittag Aufziehen von weißen Fahnen an Häusern und am Kirchturm
 - während des Tages Beschuss der Stadt durch die US-Truppen
 - Vorrücken von US-Panzern der 11. Panzerdivision in die Stadt ohne auf Widerstand zu stoßen
 - beim Einmarsch in Wildenheim wird ein 11-jähriger Bub erschossen
• 12. April 1945: Einmarsch der US-Armee in Fürth am Berg, Mittelwasungen und Ketschenbach

Ausgangslage

Einwohnerzahlen:
1939: 9.605
1946: 11.933
1955: 13.136
1961: 12.569
1968: 12.393
Flüchtlinge und Heimatvertriebene:

• ab Juni 1946: Einquartierung von Flüchtlingen im Lager „Sudeten“ (ehemaliges Lager des Reisarbeitsdienstes, später von den US-Armee als „Camp Robinson“ genutzt) (1951 Auflösung)
• 1946: 1.057 Flüchtlinge in Neustadt verteilt auf drei Lager („Schützenhaus“, „Salzburg“, „Sudeten“)
• Oktober 1949: Umbau des aus 11 Baracken der Siemens AG bestehenden Flüchtlingslagers „Salzburg“ zum Wohnlager (1954 Auflösung)
• 13. September 1950: 2.351 Heimatvertriebene (12.813 Einwohner insgesamt), die meisten mit Privateinquartierungen

Wiederaufbau

Pläne und Ideen:

• nach Kriegsende:
 - im Vergleich mit anderen Städten relativ geringe Zerstörung der Bausubstanz
 - vordringliches Problem ist daher die Schaffung von Wohnraum für die große Zahl an Flüchtlingen
• seit 1950:
 - Ausbau der „Stadtrandsiedlung“ und des Gebiets „Am Kalmusrangen“
 - Ausbau nach ortspolizeilichen Vorschriften von 1925 in Verbindung mit dem Fluchtlinienplan und der Verordnung über die Baugestaltung von 1936

Umsetzung:

• nach Kriegsende 1945:
 - Metallindustrie mit besonderer wirtschaftliche Bedeutung, v.a. das Kabel- und Leitungswerks der Siemens-Schuckert AG (1945 - 1950: Anstieg der Beschäftigten von 107 auf 1.672 Personen)
 - Spielwarenindustrie als weiterer wichtiger Neustädter Industriezweig (1950/1951: Verdoppelung der Beschäftigtenzahlen von ca. 1.100 auf knapp 2.200)
 - Christbaumschmuck-Herstellung entsteht als neuer städtisch bedeutenden Industriezweig
 - Ferngaswerk, Brauereien und Landwirtschaft weitere bedeutende Arbeits- und Wirtschaftszweige
• 1945: Wiederaufnahme des Bahnverkehrs:
 - ab Herbst allmählicher Beginn des regulären Personenverkehrs der Bahn
 - ab November Rückkehr zum normalen Güterverkehr der Bahn
 - ab Dezember Rückkehr zum alltäglichen Postverkehr der Bahn
• 1946: Wiedereröffnung der Real- und Mittelschule
• 1947:
 - (Wieder-)Eröffnungen von Gesangverein, Gesellschaft der Musikfreunde, Handharmonika-Vereinigung, Volkshochschule und Heimat- und Museumsverein
 - Unterrichtsbeginn in der Berufsschule und der Volksschule
• 1948 - 1951: Neubau von 302 Wohnungen
• 1954: Wiederaufnahme des beschränkten Güterverkehrs
• 1955 - 1964: Erweiterung des Bebauungsgebietes „Am Moos“ (Zweiter Teil)
 - Bau von 138 Ein- und Mehrfamilienhäusern sowie 1 Gewerbegebiet
 - zum Gebiet gehören auch die Glasbläsersiedlung in der Prof.-Derra- und der Reißmannstraße sowie die Heimkehrersiedlung
• 1956: Bau der Glasbläsersiedlung
• 1958:
 - Eröffnung des Trachtenpuppenmuseums
 - Eröffnung des Studentenforums
• 1959: Erstellung eines Plans für das Baugebiet „Am Dehlersrangen“, eine Bebauung erfolgte jedoch nicht

Literatur

SCHEURICH, Helmut: Geschichte der Stadt Neustadt bei Coburg im zwanzigsten Jahrhundert, Bd. 1, Neustadt b. Coburg 1989, S. 138 – 247.
STATISTISCHES JAHRBUCH FÜR BAYERN 1952. Hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1952, S. 494.
STATISTISCHES JAHRBUCH FÜR BAYERN 1955. Hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1955, S. 18.
STATISTISCHES JAHRBUCH FÜR BAYERN 1969. Hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1969, S. 19.
WERNER, Rolf: Neustadt bei Coburg in der Zeit von 1945 bis 1949. Zulassungsarbeit zur ersten Prüfung für das Lehramt an Volksschulen an der Pädagogischen Hochschule Bayreuth der Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen-Nürnberg 1967.

DANK
Für weitere Auskünfte danken wir dem STADTARCHIV Neustadt b. Coburg.