Atlas zum Wiederaufbau

Bruckmühl

Aufgrund der Nähe zum Fliegerhorst Bad Aibling kam es zu mehreren Luftangriffen. Hauptlehrer Georg Hangl und Pfarrer Josef Grimm wurden wegen des Versuchs, eine kampflose Übergabe Bruckmühls zu erreichen, von SS-Soldaten erschossen. Am 01.05.1945 rückte die US-Armee kampflos ein. Ab 1946 entstand die Vertriebenensiedlung „Hinrichssegen“. 1950 lag die Zahl der Heimatvertriebenen bei 1.533 (Einwohnerzahl insgesamt: 6.792).

Neugründung

Der heutige Bruckmühler Ortsteil Heufeld lag in unmittelbarer Nachbarschadft zum Fliegerhorst Bad Aibling.

Angriffe

• bis Kriegsende: mehrere Bombentreffer in Heufeld bei Tiefflieger- und Luftangriffen auf den Fliegerhorst Bad Aibling
• 20. Oktober 1944: schwerster Luftangriff auf Heufeld
 - Angriff mit ca. 10 bis 12 Flugzeugen
 - Abwurf von ca. 100 3 kg-Bomben und von ca. 200 50 kg-Bomben

Tote und Verletzte

• durch Luftangriff vom 20. Oktober 1944:
 - 7 Tote
 - 6 Verletzte
• 27. April 1945: 2 Tote (Pfarrer und Hauptlehrer) durch Erschießung

Schäden

• durch Luftangriff vom 20. Oktober 1944:
 - Schäden an den werkseigenen „Apostelhäusern“ der „Süd-Chemie“ in Heufeld
 - Schäden an mehreren Wohnhäusern an der damaligen Hauptstraße in Heufeld (heute Justus-von-Liebig-Str.)
 - Schäden am Schulhaus in Heufeld
 - Schäden an einem kurz vor der Vollendung stehenden Kindergartenbau in Heufeld
 - Ausbrennen eines Tankwagens der deutschen Luftwaffe
 - Ausfall der Strom- und Fernsprechleitungen in Heufeld

Kriegsende

• 27. April 1945:
 - Abzug der letzten SS-Einheiten (seit Mitte April in Götting stationiert)
 - Verbleib eines SS-Nachkommandos (ca. 4 bis 5 Mann)
• 28. April 1945:
 - Entfernung der Hakenkreuzfahne vom Göttinger Kirchturm durch den kath. Ortspfarrer Josef Grimm und den Hauptlehrer Georg Hangl, dem Aufruf der von München aus über Radio verbreiteten „Freiheitsaktion Bayern“ folgend
 - Hissen der weiß-blauen Rautenfahne Bayerns auf der Südseite des Göttinger Kirchturms durch Hangl und Grimm
 - Plan von Hangl das Dorf kampflos an die US-Einheiten zu übergeben
 - Heranrücken von US-Einheiten
 - Aufforderung eines Wehrmacht-Offiziers an den Pfarrer die Bayernfahne wieder abzuhängen
 - Abnahme der Bayernfahne nach der Morgenmesse durch den Messner
 - Festsetzung und Abtransport des Pfarrers durch 4 SS-Soldaten
 - Erschießung des Pfarrers in einem nahen Waldstück durch 4 SS-Soldaten
 - Verhör der Hauplehrers durch die SS
 - Erschießung des Hauptlehrers durch SS-Männer (bei einem Fluchtversuch während des Verhörs)
• 01. Mai 1945: kampfloser Einmarsch der US-Armee
• 03. Mai 1945: Beerdigung von Pfarrer Josef Grimm und Hauptleher Georg Hangl unter großer Anteilnahme der Bevölkerung

Spuren des Krieges

• 1945:
 - Errichtung eines Holzkreuzes mit Texttafel in Unterleiten zur Erinnerung an den dort ermordeten Göttinger Pfarrer Josef Grimm
 - Errichtung eines Gedenksteins zwischen der Kirche und dem damaligen Anger-Wirt an eines Linde zur Erinnerung an Hauptlehrer Georg Hangl
• 1947: Umbenennung einer Straße im Münchner Stadtteil Untermenzing in „Pfarrer-Grimm-Straße“ (Grimm war vor dem Zweiten Weltkrieg Pfarrkurat der damals selbstständigen Gemeinde Untermezing gewesen)
• 1970: Fällung der Linde und Entfernung des Hangl-Gedenksteins
• 1979: Aufstellung eines neuen Gedenksteins für Grimm und Hangl nahe dem Holzkreuz an der Kreisstraße nach Irschenberg
• 1982: Umbenennung der Bruckmühler Rathausstraße in „Pfarrer-Grimm-Straße“
• 1986: Umbenennung eines Teils des ehemaligen Bruckmühler Kirchplatzes in „Lehrer-Hangl-Straße“
• 2005: Einweihung einer Gedenkstehle für Pfarrer Josef Grimm beim Pfarrhaus in der Untermezinger Pfarrer-Grimm-Straße
• 2009: Aufstellung einer Skulptur des Göttinger Künstlers Rudolf Wenger im Friedhof der Pfarrkriche zur Erinnerung an Pfarrer Grimm und Hauptlehrer Hangl

Ausgangslage

Einwohnerzahlen:
1939: 4.754
1946: 6.430
1955: 6.745
1961: 7.031
1968: 7.972
Flüchtlinge und Heimatvertriebene:

• nach Kriegsende 1945:
 - Zustrom von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen, v.a. aus Berlin, dem Sudetenland und weiteren nunmehr polnischen und russischen Gebieten
 - Errichtung eines der 3 großen bayerischen Flüchtlings- und Sammellager auf dem ehem. Flugplatz von Bad Aibling
 - Einrichtung von Notwohnungen in freien Gebäuden der BWB (Bayerische Wolldeckenfabrik Bruckmühl)
 - Bau von Behelfsheimen und einer großen Baracke durch die BWB zur Unterbringung der Flüchtlinge
• 1946: 1.221 Evakuierte, Flüchtlinge und Heimatvertriebene im Ort (27% der 6.394 Bürger)
• seit 1946:
 - Bau der Vertriebenensiedlung „Hinrichssegen“ in der Madau (Mangfall-Au) zwischen Bad Aibling und Bruckmühl, als eine Art „Kibutz“
 - Gesamtplanung durch den Landschaftsarchitekten Hermann Mattern
 - Idee von Hinrich Pferdmenges (daher der Name „Hinrichssegen“), der als Vorläuferprojekt bereits 1935 in Ostpreußen eine Art Gemeinwesen das sich durch Eigenversorgung tragen sollte, realisiert hatte (Ende des Projekts durch die Abtrennung Ostpreußens mit Kriegsende 1945)
 - Forstgrund zur Verfügung gestellt von der Bayerischen Landessiedlung
• seit 1949: Bau von „Hinrichssegen II“ mit einer Tuchfabrik und den Siedlungshäusern für rund 400 Menschen
• 13. September 1950: 1.533 Heimatvertriebene (6.792 Einwohner insgesamt)

Wiederaufbau

Pläne und Ideen:

• nach Kriegsende 1945: Wohnraummangel das vordinglichste Problem der Gemeinde, v.a. durch den Flüchtlingszustrom
• 1949 - 1952: Verhandlungen über das Siedlungsprojekt Madau
• seit 1950: zahlreiche öffentliche Bauvorhaben

Umsetzung:

• nach Kriegsende 1945:
 - Einrichtung von Notwohnungen in freien Gebäuden der BWB (Bayerische Wolldeckenfabrik Bruckmühl)
 - Bau von Behelfsheimen und einer großen Baracke durch die BWB zur Unterbringung der Flüchtlinge
 - Gründung der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Bruckmühl
• November 1946: Freigabe von 15% der Produktion der BWB für den zivilen Sektor (1947 Steigerung auf 40%)
• 1946: Baubeginn in der Vertriebenensiedlung „Hinrichssegen“
• 1947: Einrichtung des ersten Kinos
• 13. März 1948: Umbenennung der „Gemeinde Kirchdorf am Haunpold“ in „Gemeinde Bruckmühl“
• 1949:
 - Gründung des Volksbildungswerks durch Wast Steiner
 - Beginn der Besiedlung des Ortsteils „Hinrichssegen“
• 1949/1950: Gründung der Tuchfabrik Hinrichssegen (heute Firma Fritzmeier)
• 1950:
 - Bau eines Achtfamilienhauses
 - Bau eines Hochbehälters
 - Bau der Wasserleitung in Bruckmühl
rechts der Mangfall
 - Erweiterung der Volksschule Heufeld
• 1950/1951: wirtschaftlicher Boom der Wollbranche und somit der BWB durch den Koreakrieg
• 1950er Jahre:
 - Errichtung von 2 weiteren Kinos
 - Gründung eines ständigen Orchesters durch Wast Steiner
 - Gründung eines Verschönerungsvereins durch Wast Steiner
 - Bau eines neuen Kesselhäuses mit einem 85m hohen Schornstein (1983 gesprengt) durch die BWB
• 1951:
 - erstes Volksfest nach 1945
 - erster Faschingsumzug nach 1945
 - erste Kundstausstellung des Volksbildungswerks „Künstlerisches Laienschaffen in unserer engeren Heimat“
• 1952:
 - Bau eines Jugendhauses in „Hinrichssegen“ als Heim- und Bildungsstätte für jugendliche Heimatvertriebene und als die erste Schule für Textilberufe in Oberbayern
 - Bau eines Ganztagskindergartens mit Hort in „Hinrichssegen“
 - Regulierung des Berghamer Baches
• 1953:
 - Gründung des „Sozialwerk Hinrichssegen e.V.“ als Nachfolger der „Landessiedlergenossenschaft Hinrichssegen eGmbH“
 - Neubau der modernen Färberei durch die BWB
• 1954:
 - Bau der evang. Johanneskirche
 - Bau der kath. Korbinianskirche in Heufeld
 - Bau einer Wasserleitung in Waldheim
 - Brand im Garnlager und der Spulerei der BWB
• 1955: Errichtung des Verwaltungsgebäudes der Gemeinde
• 1956: Eingemeindung der Siedlung „Hinrichssegen“ nach Bruckmühl (bis dahin „ausmärkisch“, also keine Gemeinde angehörig)
• April 1956: Einweihung des neuen Rathauses
• 1957: Bau der ersten Fabrik in Bruckmühl durch die „Süd-Chemie AG“
• 1958: Bau der Brücke über den Hainerbach als erste Maßnahme zur Erschließung der Vagener Au
• 1959:
 - Bau des Kindergartens Heufeld
 - Bau des Sechsfamilienhauses in Weihenlinden
• bis 1960: Bau von 120 Häusern mit 265 Wohnungen, u.a. in der Madau, durch die Gemeinnützige Baugenossenschaft Bruckmühl
• 1960:
 - erster Bauabschnitt der Kanalisation
 - Aufteilung des Madaugeländes
 - Erhebung der Pfarrkuratie St. Korbinian zur eigenständigen Pfarrei Heufeld
• 1961/1962:
 - Bau des Pfarr- und Gemeindezentrums
 - Aufstockung des Krankenhauses
• 1963: Gründung der ersten Reha- und Internatseinrichtung für zuckerkranken Kinder und Jugendliche in Westeuropa im Jugendheim „Hinrichssegen“
• 29. September 1964: Erhebung Bruckmühls zum Markt
• 1968:
 - Ansiedlung der Firma „Salus Naturheilkräuter“ in Bruckmühl
 - Neugestaltung des Geländes an der Brucker Mühle durch die Firma Salus
 - Schließung aller 3 Bruckmühler Kinos
• 1974: freiwillige Eingemeindung von Holzham zum Markt Bruckmühl im Zuge der bayerischen Gebietsreform
• 1978: Eingemeindung von Götting nach Bruckmühl im Zuge der bayerischen Gebietsreform

Literatur

DIEM, Veronika: Die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs in Götting, in: Nicolaus Klöcker / Alois Fuchs (Hrsg.): Götting. Beiträge zur Ortsgeschichte. Im Auftrag des Katholischen Pfarramts St. Michael Götting, S. 295 - 311.
GIESE, Helmut: Bruckmühl und Umgebung. Ein Heimatbuch, Markt Bruckmühl 2006, S. 161 f.
MARKT BRUCKMÜHL (Hrsg.): Markt Bruckmühl. Bilder aus vergangenen Tagen, 3. überarb. Aufl, Norb am Neckar 2005.
MARKT BRUCKMÜHL (Hrsg.): Geschichtliches Bruckmühl. Eine Bilderchronik über die Entstehung des Marktes Bruckmühl. Erschienen Dezember 1997, anläßlich der Ausstellung in der Galerie Markt Bruckmühl zum 50. Jahrestag der Umbenennung der Gemeinde, o.O. 1997, S. 54 - 61.
MARKT BRUCKMÜHL (Hrsg.): Zahlen - Daten - Fakten 2008/09, Rosenheim o.J.
STATISTISCHES JAHRBUCH FÜR BAYERN 1952. Hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1952, S. 490.
STATISTISCHES JAHRBUCH FÜR BAYERN 1955. Hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1955, S. 19.
STATISTISCHES JAHRBUCH FÜR BAYERN 1969. Hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1969, S. 20.

DANK
Für weitere Auskünfte danken wir dem MARKT Bruckmühl und dem SOZIALWERK Hinrichssegen e.V.