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Geschichte, Politik und Alltag auf Schützenscheiben Thema

Das Bildarchiv des Hauses der Bayerischen Geschichte verfügt über etwa 1.700 fotografische Aufnahmen von Schützenscheiben, die größtenteils aus den Beständen von bayerischen Feuerschützengesellschaften stammen.

Es handelt es sich in der Regel um mit Bildern und Texten versehene kreisförmige Holztafeln, die zu besonderen Anlässen von einem Mitglied gespendet wurden. Fast alle Scheiben weisen Einschusslöcher auf, häufig fehlt aber das Schießblatt, weil es vermutlich als störend in Bezug auf das Bildmotiv empfunden wurde. Thematische Auslegung und Bildgestaltung dürften weitgehend den Wünschen wie auch der Auffassung des jeweiligen Spenders entsprechen. Eine Durchsicht des Gesamtbestandes zeigt, dass durchaus mit ironischen Brechungen in den Darstellungen zu rechnen ist, die sich auf den ersten Blick nicht immer zu erkennen geben. Schützenscheiben geben insofern Auskunft darüber, welche Themen zu ihrer Zeit aktuell waren und als bildwürdig befunden wurden. Eine differenzierte Deutung der einzelnen Darstellungen setzt allerdings genaue Kenntnisse der jeweiligen Auftragssituation und des Herstellungsverfahrens voraus, denn ein Besteller hatte zumeist durchaus die Wahl zwischen einer aufwändigen (und damit teuren) Einzelbildanfertigung und dem Griff nach weitgehend vorgefertigten Massenprodukten.

Bezüge zu historischen Ereignissen haben bei Schützenscheiben hohen Stellenwert. Wendepunkte der deutschen Geschichte, der Weltgeschichte und der Ortsgeschichte zählen ebenso dazu wie die sensible Wahrnehmung kleinerer, fernab liegender Ereignisse, die sich heute kaum noch in den geschichtlichen Handbüchern nachweisen lassen. Vielfach erscheinen auch Personenbildnisse, Ortsansichten und Jagdszenen. Nicht zuletzt bilden Erotik, Komik, Eheburlesken und Alltagsleben sowie zahlreiche Hinweise auf Festschießen einen Bilderreigen, der immer wieder in neuen Abwandlungen auftritt.

Die ältesten hier vorgestellten Schützenscheiben stammen aus dem 17. Jahrhundert, die jüngsten aus dem Jahr 2002. Nicht zugänglich sind Objekte aus der Zeit des Nationalsozialismus, da hierzu eine eigene Aufarbeitung erforderlich ist. Selbstverständlich kann der gesamte Schützenscheibenbestand des Bildarchivs für wissenschaftliche Zwecke im Bildarchiv selbst eingesehen werden.

Es ist nicht möglich, hier eine Geschichte der Feuerschützengesellschaften anzufügen. Die folgenden Ausführungen verstehen sich daher als ergänzende Hinweise zu den Schützenscheiben.

Die ersten Vorläufer der heutigen Feuerschützenvereinigungen wurden bereits im Mittelalter gegründet, vermutlich ab dem 12. Jahrhundert als gildenmäßig verfasste Organisationen. Zu ihren Zweckbestimmungen gibt es verschiedene Theorien, aber Heimatverteidigung und gesellschaftliche Funktionen dürften stets eine wesentliche Rolle gespielt haben.

Von der Obrigkeit gefördert, mussten Schützengesellschaften beispielsweise auch gegen nichtsesshafte Arme, Räuberbanden und Diebsgesindel vorgehen. Zuweilen wurden sie bei kriegerischen Auseinandersetzungen eingesetzt. Regelmäßiger Umgang mit Schusswaffen stellte daher wohl bis in das 18. Jahrhundert hinein nicht nur eine sportliche Übung dar, sondern erfolgte durchaus als Vorbereitung für einen ernsthaften Einsatz. Die Mitglieder der Feuerschützengesellschaften gehörten überwiegend den gutsituierten Einwohnerschichten an: Handwerksmeister, Beamte oder Grundbesitzer.

Im Zuge der Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts kam es um 1848 wieder häufiger zu Neugründungen von Schützenvereinigungen. Ab 1933 war das Vereinsleben zunehmend der Gleichschaltung und dem Diktat des nationalsozialistischen Regimes ausgesetzt. Nach dem Zweiten Weltkrieg untersagten die Alliierten bis 1951 den Schießbetrieb. Mitgliederversammlungen und damit das Wiederaufleben von Feuerschützengesellschaften dürften einige Jahre nach dem Krieg verstärkt eingesetzt haben.

Wir danken allen Feuerschützengesellschaften, die für die Fotoaktionen des Bildarchivs des Hauses der Bayerischen Geschichte freundlichen und unkomplizierten Zugang zu ihren Beständen gewährt haben.

Die Abkürzungen K.P. ..., Kgl.Priv. ... oder Kgl.P. ... in den Bildbeschreibungstexten stehen jeweils für ‚Königlich privilegierte Feuerschützengesellschaft'.


[pk frefg-039]
Schützenscheiben--Allegorien--Krieg
Apoll (?) mit der Fahne des Deutschen Reichs auf einem Streitwagen, vorne eine liegende Figur neben Säulenruinen, Schützenscheibe, 17.10.1920, Freising, K.P. Feuerschützengesellschaft.
[pk lasg-030]
Schützenscheiben--Feste/Feiern--Büchsenschießen, größtes
Arndorfer,E.: Landkarte Bayerns nach H.Wertinger (1531; Inschrift:'Zum 500jährigen Jubilaeum des groessten Büchsenschiessens...1493'), Schützenscheibe,1993,Landshut,K.P.Feuerschützengesellschaft
[ph uffgo-005]
Schützenscheiben--Ausstellungsbauten--Weltausstellung, 1.
Arnet, G., Ausstellungshalle der 1. Weltausstellung in London (Inschrift: 'Was Kunst und Geschick der Menschen vermag...'), Schützenscheibe, 1851, Uffenheim, Gollachgaumuseum.
[ph uffgo-001]
Schützenscheiben--Parlamente--DR
Arnet, G., Frankfurter Paulskirche (Sitz der Deutschen Nationalversammlung, die am 18.5.1848 zum ersten Mal tagte), Schützenscheibe (gestiftet von Ludwig Mai), 1848, Uffenheim, Gollachgaumuseum.
[pk merla-017]
Schützenscheiben--Technik/Wissenschaft--Atomzeitalter
Atompilz, Raketen, Satellit und Atomion über der Erde (Text: 'Der Anfang des Atomzeitalters'), Schützenscheibe (gestiftet v. H. Weigelt), 1960, Markt Erlbach, Schützengesellschaft.
[pk ems-072]
Schützenscheiben--Attentate--Bismarck, Otto v., Kzl./DR
Attentat auf Otto von Bismarck in Bad Kissingen am 13.7.1874, Inschrift mit Datierung und Widmung, 15.10.1874, Schützenscheibe, Emskirchen, Schützengesellschaft.
[pk erhsg-010]
Schützenscheiben--Revolutionen/Revolten--Märzrevolution
Barrikadenkampf in Berlin am 18./19.3.1848, links: Konditorei d'Heurese, Mitte: Café de l'Europe, rechts: 'Cöln'sches Rathaus (Neukölln), Schützenscheibe, 1848, Erlangen, K.P. Hauptschützenges.
[pk ems-053]
Schützenscheiben--Grenzen--Berliner Mauer
Bauer, Willi: Darstellung der Berliner Mauer, davor eine Frau und ein Mann mit Gedenkkreuzen. Umschrift: 'DENKT IMMER AN UNSERE BRÜDER...', Schützenscheibe, 15.10.1962, Emskirchen, Schützenges.
[pk mainbs-049]
Schützenscheiben--Uniformen--Bayern
Bayerische Soldaten in damaliger alter und neuer Uniformierung an einer Weggabelung, Schützenscheibe (gestiftet von Franz Augsburger), 1841, Mainbernheim, Kgl. Privil. Schützengesellschaft
[pk miesfg-014]
Schützenscheiben--Krieg--Deutsch/Franz. Krieg
Bayerische Soldaten nach dem Dt.-Franz. Krieg, Offizier mit Fahne des Deutschen Reichs auf einem Felsen (im Hintergrund Festungsanlage), Schützenscheibe, um 1880, Miesbach, K.P. Schützengesells.
[pk frefg-035]
Schützenscheiben--Krieg--Weltkrieg I.
Bayerischer Soldat des 1. Weltkriegs mit frz. Kolonialsoldaten und Zivilisten als Kriegsgefangenen (Inschrift: 'Kirchweihschießen...'), Schützenscheibe, 1927, Freising, K.P.Feuerschützengesell.
[pk strsg-002]
Schützenscheiben--Krieg--Deutsch/Franz. Krieg
Begrüßungsszene beim Einzug siegreicher bayerischer Soldaten in Straubing nach dem Deutsch/Franz. Krieg (1870/71), Schützenscheibe, 07.1871, Straubing, K.P. Schützengilde.
[pk mühg-006]
Schützenscheiben--Ludwig III., Kg./Bay.--Thronbesteigung
Bertle, H.: Allegorie auf die Thronbesteigung König Ludwigs III. im Jahr 1913 mit Münchner Kindl, Bavaria, Löwe und Kindern, Schützenscheibe, 11.1.1914, München, K.P. Hauptschützengesellschaft.
[pk mühg-012]
Schützenscheiben--Coulon, Carl v.--Sport
Bertle, Hans: Bildnis des Gutsbesitzers Carl von Coulon anlässlich seines 50jährigen Schützenjubiläums, Schützenscheibe, 1933, München, K.P. Hauptschützengesellschaft.
[ph uffgo-004]
Schützenscheiben--Kriminalität--Finanzbetrug
Bildnis der Betrügerin Adele Spitzeder (1832-1895) mit Szenen aus ihrem Leben: 'Dachauer Bank', Verhaftung, Selbstmord eines Gläubigers, ..., Schützenscheibe, 1873, Uffenheim, Gollachgaumuseum.
[pk füps-038]
Schützenscheiben--Parl./Ständevslg.--Bayern
Bildnis der ersten Ständeversammlung in München, von König Maximilian IV. Joseph am 4.2.1819 eröffnet. Schützenscheibe/rechteckig, 1820, Fürth, K.P. Schützengesellschaft.
[ph anmg-002]
Schützenscheiben--Handwerk--Fassbinder
Bildnis des Fassbinders A. Westernacher und seiner Gesellen neben einem Weinfass, darüber Bacchus (Inschrift: 'Vivat! edle Schüzen...'), Schützenscheibe, 31.8.1807, Ansbach, Markgrafenmuseum.
[pk forsg-017]
Schützenscheiben--Menotti Garibaldi--Serbien
Bildnis des Freiheitskämpfers Menotti Garibaldi am serbischen Grenzstein als Anspielung auf den türkisch-serbischen Krieg, Schützenscheibe, 1876, Forchheim, K.P. Hauptschützengesellschaft.
[pk forsg-047]
Schützenscheiben--Gambrinus--Handwerk
Bildnis des Gambrinus (der Sage nach Erfinder des Bierbrauens, gest. 1294) mit einem Bierpokal in der rechten Hand, Schützenscheibe, 18.10.1864, Forchheim, K.P. Hauptschützengesellschaft.
[pk ems-001]
Schützenscheiben--Fahrzeuge--Luftschiffe
Bildnis des Grafen Ferdinand von Zeppelin vor einer Stadtansicht von Straßburg (darüber ein Zeppelin-Luftschiff), Schützenscheibe, 15.10.1908, Emskirchen, Schützengesellschaft.
[pk mainbs-055]
Schützenscheiben--Ernst II., Hz./Sach.-CoGo--Staatspräsidenten/Herrscher
Bildnis des Herzogs Ernst von Sachsen-Coburg-Gotha in Jagdbekleidung (Umschrift unten: 'EIN HOCH DEM FREIEN DEUTSCHEN FÜRSTEN...), Schützenscheibe, 1863, Mainbernheim, K.P. Schützenges.
[ph anmg-003]
Schützenscheiben--Handwerk--Schmiede
Bildnis des Hufschmieds Johann C. Schmidt und seiner Gesellen mit einem Pferd. Vorne rechts der Gott Vulkan. Inschrift: 'Wenn Vulcan...', Schützenscheibe, 26.9.1785, Ansbach, Markgrafenmuseum.
[pk ems-038]
Schützenscheiben--Musik--Komponisten
Bildnis des Komponisten Richard Wagner (22.5.1813-13.2.1883; Bildumschrift: '...der allgewaltige Meister der Töne.'), Schützenscheibe, 13.10.1904, Emskirchen, Schützengesellschaft.
[pk füps-027]
Schützenscheiben--Erfindung--Schwarzpulver
Bildnis des Mönchs und Alchimisten Berthold Schwarz (14. Jh.), dem abendländischen Erfinder des Schwarzpulvers, Schützenscheibe, 19. Jh. (1846?), Fürth, K.P. Schützengesellschaft.