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Seine Königswürde hatte der bayerische Kurfürst Max IV. Joseph dem französischen Kaiser Napoleon I. zu verdanken. Um dies nicht allzu deutlich zu offenbaren, suchten und fanden die Juristen und Beamten im Auftrag des Herrschers eine Legitimation aus der Geschichte des bayerischen Herrscherhauses.
Das bayerische Herrscherhaus der Wittelsbacher führte sich, wie viele andere Geschlechter auch, auf Karl den Großen zurück. Man glaubte einen legitimen Anspruch auf die Königswürde zu haben, da Bayern – so behaupteten verschiedene Geschichtsschreiber – bereits unter den Agilolfingern (6.–8. Jahrhundert) und Luitpoldingern (10. Jahrhundert) ein Königreich gewesen sei.
Außerdem hatten es zwei bayerische Herrscher zur Kaiserwürde gebracht: Kaiser Ludwig der Bayer (1281/82–1347, gewählt 1314) und der bayerische Kurfürst Karl Albrecht (1697–1745), der 1742 als Kaiser Karl VII. für drei Jahre an die Spitze des Heiligen Römischen Reichs gelangt war. Darüber hinaus hatte man immer wieder durch Heiraten familiäre Verbindungen zu verschiedensten Königshäusern und auch zum habsburgischen Kaiserhaus geknüpft.
Mehrmals war bayerischen Herrschern sowohl von Seiten Habsburgs als auch von französischer Seite die Königswürde angeboten worden, oder es hatten die wittelsbachischen Herrscher ihrerseits versucht, eine Rangerhöhung zu erreichen. Allerdings hatten sich diese Projekte immer wieder zerschlagen. Beim bayerischen Kurfürsten Max Emanuel (1662–1726) war der als Universalerbe des spanischen Weltreichs vorgesehene Sohn, Kurprinz Joseph Ferdinand, plötzlich 1699 gestorben. Dem Vorgänger Max Josephs, Kurfürst Karl Theodor (1724–1799), schienen die von Österreich an die Königswürde geknüpften Bedingungen nicht annehmbar.
Auch dem nachmaligen bayerischen König Max I. Joseph war im Jahr 1805 sowohl von Österreich als auch von Frankreich die Königswürde angeboten worden. Beide Großmächte versuchten damit den Mittelstaat Bayern, der auch eine wichtige militärische Aufmarschposition darstellte, vollständig auf ihre Seite zu ziehen. Beide erhielten zunächst eine Absage. Erst im August 1805 entschied sich der bayerische Kurfürst nach langem Zögern im Vertrag von Bogenhausen für das Bündnis mit Frankreich.
Die Proklamation des Königreichs Bayern existiert in drei leicht voneinander abweichenden Versionen, die Rücksicht auf die jeweiligen Adressaten nahmen. Einmal war es die offiziell in der Residenz verlesene Version, die dem Protokoll der eigentlichen Zeremonie beigefügt wurde und ausschließlich für die Minister und Inhaber der höchsten Hofämter gedacht war. Sie ist im Wortlaut identisch mit der öffentlich verbreiteten Version in der „Königlich-baierischen Staats-Zeitung von München“.
Zusätzlich gab es eine Anzeige in der ersten Ausgabe des „Königlich-Baierischen Regierungsblatts“, das vornehmlich für die Beamten und Vertreter der Behörden gedacht war. Und schließlich existieren noch verschiedene Fassungen der Proklamation, die den Benachrichtigungen an fremde Höfe beigefügt waren. Nirgendwo taucht ein Hinweis auf Napoleon I., den Kaiser der Franzosen und seine Verantwortung für die bayerische Königswürde auf. Im Gegenteil wird in allen Versionen der historisch begründete Anspruch Bayerns betont.
Unterschiede ergeben sich im Hinblick auf das Staatsverständnis. Sowohl im offiziellen Protokoll als auch in der für die breite Öffentlichkeit gedachten Formulierung, die im Wortlaut identisch sind, wird die „Vorsehung Gottes“ betont, die dem Ansehen und der Würde des Herrschers dazu verholfen habe, „seinen alten Glanz und seine vorige Höhe zur Wohlfahrt des Volkes, und zum Flor des Landes“ wieder zu erreichen. Es wird also ein Gottesgnadentum betont, das eigentlich mit dem aufgeklärten Staatsverständnis der damaligen Zeit nicht mehr in Einklang stand und vermutlich deshalb auch in der Version des Regierungsblattes fehlt.
Außerdem heben beide Versionen „die Würde des Herrschers in Baiern“ hervor, der nunmehr „als König von Baiern“ ausgerufen wird. Dagegen steht im Druck des Regierungsblattes, dass sich „der baierische Staat zu seiner ursprünglichen Würde emporgehoben“ habe. Es wird also die Trennung von Staat und Dynastie betont und gleichzeitig noch einmal auf die Souveränität verwiesen, denn die Königswürde wurde „zur Begründung der Unabhängigkeit der [...] Nation“ angenommen. Nur in dieser Version wird auch auf eine spätere Krönung und Salbung verwiesen, die jedoch niemals stattfand.