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Das bayerische Heer im Ersten Weltkrieg
Das bayerische Heer besaß insgesamt eine Stärke von rund einer halben Million Mann. Der mobile Teil wurde als 6. Armee unter dem Oberbefehl von Ludwigs Sohn, Kronprinz Rupprecht, in Lothringen eingesetzt. Am 20. August 1914 begannen die Kämpfe in Lothringen; in der „Schlacht bei Metz“ siegten die bayerischen Truppen. Anfang September brach Kronprinz Rupprecht die „Schlacht um Nancy“ aufgrund der überlegenen Stärke der Franzosen ab.
Als Folge des modern geführten Krieges wurden schon bald die Großverbände aufgelöst. Die bayerischen Kontingente wurden mit den übrigen deutschen vereinigt und auf alle Kriegsschauplätze, von Skandinavien über den Kaukasus, von Flandern bis zum Nahen Osten verteilt.
Die Stärke der Armee wurde im Lauf der Jahre kontinuierlich erhöht. Das bayerische Feldheer umfasste 1918 bereits 550.000 Mann, die gesamte bayerische Armee etwa 910.000, was gut 13 Prozent der bayerischen Bevölkerung entsprach.
Die Wittelsbacher als Offiziere im Ersten Weltkrieg
Als Generalfeldmarschall der bayerischen Armee war König Ludwig III. nach Kriegsausbruch Befehlshaber des Ersatzheeres in Bayern. 1915 wurde er preußischer Generalfeldmarschall, durfte in dieser Funktion allerdings nur repräsentative Aufgaben, wie Besuche bei den Truppen oder in Rüstungsbetrieben, übernehmen.
Sein Sohn, Kronprinz Rupprecht (1869-1955), war als Oberbefehlshaber der 6. deutschen Armee im Fronteinsatz und errang in Lothringen noch im August 1914 den ersten deutschen Sieg. Im Sommer 1916 gab er den Oberbefehl ab, wurde königlich bayerischer und preußischer Generalfeldmarschall und war bis Kriegsende Chef einer eigenen Heeresgruppe der mehrere Armeen unterstanden.
Ludwigs Bruder Leopold (1846-1930), ein hoher Militär im Ruhestand, wurde 1915 für den Dienst reaktiviert. Er kämpfte zunächst unter Oberbefehl von Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (1847-1934) als Oberbefehlshaber der 9. deutschen Armee im Osten und wurde nach dessen Eintritt in die Oberste Heeresleitung (OHL) ab Sommer 1916 zusätzlich Oberbefehlshaber des Oberkommandos Ost, also aller Truppen an der Ostfront. In dieser Position nahm er auch an den Friedensverhandlungen mit Russland in Brest-Litowsk teil. Leopold stieg bis zum Generalfeldmarschall auf und erhielt zahlreiche militärische Auszeichnungen.
Der Kriegsverlauf an der Ostfront und der Separatfrieden Frieden von Brest-Litowsk 1917/18
Der Frontverlauf im Osten, wo deutsche Truppen mit österreichisch-ungarischen kämpften, zog sich von der Ostsee über die Karpaten bis zum Schwarzen Meer und nach Asien. Der Hauptkriegsgegner Russland schied Ende 1917 infolge des Ausbruchs der Oktoberrevolution im eigenen Land aus dem Krieg aus.
Dem Waffenstillstand zwischen Deutschland und Russland im Dezember folgten, unter Mitwirkung des Oberbefehlshabers Ost, Ludwigs Bruder Leopold (1846-1930), Friedensverhandlungen beider Staaten. Die Verzögerungstaktik der russischen Seite unter ihrem Verhandlungsführer Leo Trotzki (1879-1940) führte im Februar kurzzeitig zur Aufkündigung des Waffenstillstands von deutscher Seite und zu neuerlichen Kampfhandlungen. Erst unter ihrem Eindruck wurde am 3. März 1918 der Sonderfrieden Deutschlands mit Russland im Friedensvertrag von Brest-Litowsk besiegelt und somit der Kampf an der Ostfront beendet. Teile der deutschen Truppen verblieben zur Verwaltung der besetzen Gebiete allerdings weiterhin im Osten.
Der deutschen Strategie an der Westfront verlieh dieser Sonderfrieden von Brest-Litowsk, durch die nun frei werdenden Truppen, nochmals Auftrieb.
Der Kriegsverlauf an der Westfront
An der Westfront gestaltete sich der Kriegsverlauf anders als zunächst von vielen erwartet. Anstatt eines schnellen deutschen Sieges entwickelte sich ein Stellungs- und Grabenkrieg: Ohne größere Gebietsgewinne, wurde um kleine Ortschaften, um einzelne Hügel und Täler verbissen gekämpft. Der Einsatz von modernem technischem Kriegsmaterial und -gerät brachte immense Verluste mit sich. Als Symbol für die Sinnlosigkeit dieser Kriegsführung stehen die Schlachten um Verdun und an der Somme:
In der Schlacht um Verdun, der ersten großen Materialschlacht des Ersten Weltkriegs, die von Februar bis Juli 1916 andauerte, waren etwa 700.000 Franzosen und Deutsche gefallen oder verwundet. In der im Juni 1916 beginnenden Schlacht an der Somme waren es über eine Million Briten, Franzosen und Deutsche, die ihr Leben ließen oder Verwundungen erlitten. Der Frontverlauf war nach Ende der Kämpfe im November 1916 nahezu unverändert.
Aufgrund des wiederaufgenommenen uneingeschränkten U-Boot-Kriegs der Deutschen, also der Beschießung feindlicher Schiffe ohne die vorher übliche Warnung, traten die USA Anfang April 1917 in den Krieg ein. Damit verringerten sich die Erfolgsaussichten für die deutsche Armee im Westen immer weiter. Auch die deutsche Frühjahroffensive von 1918, die den entscheidenden Sieg bringen sollte, blieb letztlich erfolglos.
Die Technisierung und die Totalität des Ersten Weltkriegs
In mehrerlei Hinsicht stellte der Erste Weltkrieg eine Zäsur dar und brachte neue Dimensionen der Kriegsführung hervor. Militärhistorisch war es die erste kriegerische Auseinandersetzung, die eine umfassende Industrialisierung und Technisierung erfuhr. Neue Waffengattungen und -systeme, wie Flugzeug, U-Boot, schwere gepanzerte Kriegsschiffe, Panzer (Tanks) und gepanzerte Wagen, sowie neuartige Maschinengewehre, Granaten, Mörser und Flammenwerfer, bestimmten den Ersten Weltkrieg mit. Im Lauf des Kriegs wurden Pferde – bisher ein kriegsbestimmender Faktor – nur noch als Last- und Zugtiere eingesetzt, die Kavallerie als Truppenteil verlor zugunsten der motorisierten Truppenteile an Bedeutung. Im langwierigen Stellungskrieg im Westen kam mehrfach Giftgas zum Einsatz, eine grausame Erfindung des 20. Jahrhunderts.
Auch die Totalität im Sinne der Bereitstellung der letzten materiellen wie personellen Reserven stellte eine Neuerung dar. Die Bereitstellung von Millionen von Soldaten und der unglaublichen Masse an Kriegsgerät erreichte neue Dimensionen; die Materialschlachten bei Verdun und an der Somme waren hierfür die markantesten Beispiele.
Kriegserwartungen, Annexionspläne und Radikalisierung des Kriegs aus bayerischer Sicht
König Ludwig III. erwartete eine positive Entwicklung des Kriegs für das Deutsche Reich und forderte daher bereits seit Kriegsbeginn bayerische Gebietserweiterungen. Nachdem er die rechtsrheinische Kurpfalz nicht gegen Kompensationsgebiete tauschen wollte, dachte er an Teile des Reichslandes Elsass-Lothringen, die der bayerischen Pfalz zugeschlagen werden sollten. Nach seinem Plan wäre das Unterelsass mit Straßburg bayerisch geworden und Preußen hätte sich im Gegenzug um Belgien vergrößern sollen – aber auch die umgekehrte Aufteilung der Gebiete zog Ludwig in Betracht. 1915 äußerte König Ludwig III. in einer Rede auf der Generalversammlung des Kanalvereins, er wünsche sich für Deutschland einen „direkten Ausgang vom Rhein zum Meer“.
Ab 1916 rückte Ludwig III. zwar vom Plan der Annexion ab, hielt aber weiter an seinem Plan das deutsche Reichsgebiet Elsass-Lothringen für Bayern zu gewinnen fest. Während der Feierlichkeiten seiner Goldenen Hochzeit im Februar 1918 war Ludwig für Friedensüberlegungen seines Sohnes Rupprecht wenig aufgeschlossen. Der König glaubte wohl nach wie vor an einen Sieg Deutschlands. Noch am 28. Juli 1918, nachdem die deutsche Frühjahrsoffensive quasi gescheitert war, ließ er eine Bekanntmachung verbreiten, in der es hieß:
„… Aber nicht an uns liegt es, wenn wir nunmehr in das fünfte Kriegsjahr eintreten. Noch sind die Gegner trotz aller Mißerfolge nicht zum Friedenswillen bereit, noch betrachten sie Deutschlands Zerschmetterung als ihr Ziel.
Kein Deutscher denkt aber an einen schimpflichen Frieden!
Da gilt es dann weiterzukämpfen, alle Mühsale und Entbehrungen auch fernerhin auf uns zu nehmen in der sicheren Zuversicht, daß Gott unsere gerechte Sache zum Siege führen wird…“
(Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Bayern, Nr. 49 vom 31.7.1918, S. 381f.)
Kronprinz Rupprecht (1869-1955) billigte die Elsass-Pläne nur in Hinblick auf den Erhalt der föderalistisch-monarchistischen Ordnung des Deutschen Reichs. Im Falle eines Kriegsgewinns wollte er nicht allein Preußen einen Machtzuwachs durch Gebietsgewinne zubilligen. Hierbei fand er auch Unterstützung durch den bayerischen Ministerpräsident Georg Friedrich von Hertling (1843-1919), der Ende 1917 Reichskanzler wurde. Diesbezügliche Verhandlungen mit der Reichsleitung führten allerdings nie zu einem konkreten Ergebnis. Kronprinz Rupprecht beurteilte die militärische Lage und die Erfolgsaussichten der deutschen Armee realistischer als sein Vater. War er zu Kriegsbeginn noch für weitreichende Annexionen im Westen gewesen, so änderte sich dies ab 1916. Fortan trat Rupprecht für einen „Verständigungsfrieden“ im Westen wie im Osten ein, ohne die Forderung nach Gebietszugewinnen für das Reich. Im ersten Halbjahr 1918 sprach er sich für Friedensverhandlungen mit der Entente und gegen die beschlossene militärische Offensive aus, der er keine Erfolgsaussichten zubilligte, aber hohe Opferzahlen befürchtete – wie sich herausstellte zu Recht.
Gerade unter den Intellektuellen in Bayern gab es sowohl annexionistische Strömungen als auch später Befürworter des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs, die daher den Sturz des gemäßigt agierenden Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg (1856-1921) betrieben. Diese sammelten sich unter anderem im Volksausschuss für die rasche Niederwerfung Englands, dem konservative und liberale Abgeordnete der Zweiten Kammer ebenso angehörten wie Professoren und Ökonomen. Über die Süddeutschen Monatshefte verfügte der Volksausschuss über ein massenwirksames Medium, das auch die Bauern ansprach. Diese „Kanzlersturzbewegung“ versuchte im August 1916 auch den König direkt zu beeinflussen.
Die Bemühungen des Volksausschusses setzte der 1917 gegründete Landesverein Bayern der Deutschen Volkspartei fort, dem auch der Schriftsteller Ludwig Thoma (1867-1921) angehörte. Die Wirkung des Landesvereins war jedoch sehr limitiert.
Friedenbemühungen des Vorsitzenden des Bayerischen Ministerrats
Georg Friedrich Freiherr (ab 1914 Graf) von Hertling (1843-1919), der Vorsitzende des Bayerischen Ministerrats, beurteilte die militärische Lage von Kriegsbeginn an differenziert, die deutschen Siegchancen sah er als eher gering an. Wie Kronprinz Rupprecht vertrat er eine gegen einen „Annexionsfrieden“ gerichtete Politik. Nach anfänglicher Sympathie für einen uneingeschränkten U-Boot-Krieg, wie ihn Großadmiral Alfred von Tirpitz (1849-1930) forcierte, stellte sich Hertling ab 1916 auf die Seite des gemäßigt agierenden Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg, der sich klar von den Annexionisten abgrenzte. Die Bemühungen, einen Friedensschluss durch Verhandlungen zu bewirken, führte Hertling als Nachfolger Bethmann Hollwegs ab 1917 fort. Dennoch bestimmte weiterhin die Oberste Heeresleitung (OHL) auch das politische Geschehen im Deutschen Reich und ließ die Friedensbemühungen im Sande verlaufen.
Anti-annexionistisch gesinnt, arbeitete von Hertling der „Kanzlersturzbewegung“ entgegen und wurde dabei von der SPD und in Teilen auch von Zentrum und Liberalen unterstützt. Neben regierungsnaher Presse setzte er die Zensur als Mittel ein, was in Bayern jede öffentliche Debatte um die Kriegsziele unterband. Geleitet von machtpolitischen und militärstrategischen Überlegungen hatte Hertling bereits kurz nach Kriegsbeginn mehrfach versucht, auf einen Frieden hinzuwirken, der den status quo ante, also einen Frieden ohne Gebietsgewinne, sichern sollte. Um Italien aus dem Krieg herauszuhalten, versuchte er mit der Unterstützung von König Ludwig III. Italien als Gegenleistung das österreichische Trentino anzubieten. Dieser Tausch scheiterte jedoch – Italien trat 1915 auf Seiten der Entente in den Krieg ein.
Um die ganze Schlagkraft der deutschen Armee auf den Hauptgegner Großbritannien konzentrieren zu können, bemühte sich Hertling 1915 um Sonderfriedenschlüsse mit Russland bzw. Belgien. Im Falle von Russland versagte ihm der König die Unterstützung, da dieser dem Zarenreich nicht entgegenkommen wollte.
Als ihm die militärische Lage im Lauf des Jahres 1916 aussichtslos erschien, schlug Hertling Reichskanzler Bethmann Hollweg vor, ein Friedensangebot auszuarbeiten. Außerdem trat er mit Eugenio Pacelli (1876-1958), dem päpstlichen Nuntius in München (ab 1939 Papst Pius XII.), in Verbindung, der für die römische Kurie den „päpstlichen Friedensappell“ vom August 1917 vorbereitete.
All diese bayerischen Friedensbemühungen blieben aber letztlich erfolglos.
Die Macht der Generäle
Ab 1916 drängten die Militärs die Politiker zusehends in den Hintergrund, die Entscheidungen in Berlin trafen eher die Generäle als die Minister. Die OHL unter den Generälen Paul von Hindenburg (1947-1934) und Erich Ludendorff (1965-1937) nahm bald eine Führungsrolle ein, die das Deutsche Reich quasi zu einer Militärdiktatur machte.
Im Reichstag wurde zwar 1917 einerseits Friedenspolitik versucht und die Parlamentarisierung der Reichsregierung verlangt, andererseits gründete sich im selben Jahr als Reaktion darauf die Vaterlandspartei, die sich für Annexionen und gegen einen Friedensschluss aussprach. Der Vaterlandspartei schloss sich kein bayerischer Parlamentarier an.
Ebenfalls 1917 spaltete sich die SPD in die Mehrheitssozialdemokraten (MSPD) und die Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD), wobei die MSPD weiterhin Kriegskrediten zustimmte, während die USPD ein sofortiges Kriegsende erreichen wollte und die Zustimmung zu Kriegskrediten verweigerte.
Trotz der parlamentarischen Bemühungen um Frieden behielten die Militärs die Oberhand, der Krieg wurde weitergeführt. Am 1. Dezember 1917 übernahm Graf von Hertling das Amt des deutschen Reichskanzlers und preußischen Ministerpräsidenten. Sein Nachfolger als neuer Vorsitzender des bayerischen Ministerrats wurde Otto Ritter von Dandl (1868-1942), der Hertlings Friedenskurs unterstützte.
Wie schon seine Vorgänger konnte sich aber auch Hertling nicht entscheidend gegen die Generalität durchsetzen. Auf Druck der OHL und von Kaiser Wilhelm II. (1959-1941) trat er für einen Friedensschluss mit Russland ein, den er im Grunde weiterhin ohne Annexionen (nur mit „Grenzkorrekturen“) erreichen wollte. Der Forderung Preußens nach einer Personalunion mit Kurland, Livland und Estland stimmte Hertling dennoch zu. Dies zog die Gegenforderung nach sich, das Unterelsass an Bayern zu geben, was auch in Aussicht gestellt wurde. Beides wiederum bedeutete, dass sich Sachsen, im Hinblick auf die bundesstaatliche Ausgewogenheit, um Litauen hätte erweitern müssen. Hertling hatte damit seine frühere Überzeugung vom annexionslosen Friedensschluss geopfert. Im Lauf des Jahres 1918 wurden diese Vereinbarungen mehrmals, bedingt durch die sich ändernde Kriegslage, modifiziert, ehe sie gänzlich hinfällig wurden.
In der Belgienfrage im Westen hatte sich Reichskanzler Hertling ebensowenig mit seiner alten Position durchsetzen können, auch wenn er sich vor der großen deutschen Frühjahrsoffensive ab März 1918 noch für einen Verständigungsfrieden ausgesprochen hatte.