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Ludwig II.

 

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Die königliche Familie in der Zeit Ludwigs II.

Der Augsburger Augustusbrunnen: Das Hochzeitsgeschenk der Stadt Augsburg für König Ludwig II. und Herzogin Sophie Charlotte Die letzten Zigaretten König Ludwigs II.
Die regierenden Linien des Hauses Wittelsbach in Bayern 1726–1918 (1996) Liedblatt zu den Feierlichkeiten des 700-jährigen Wittelsbacher Jubiläums am 25. August 1880
Parfumflakon König Ludwigs II. Postkarte mit dem Bildnis König Ottos I. von Bayern
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Ludwigs Kindheit

Ludwig kam am 25. August 1845 auf Schloss Nymphenburg zur Welt. Sein Taufname lautete Otto Friedrich Wilhelm Ludwig. Die Taufe nahm Erzbischof Lothar Anselm Freiherr von Gebsattel (1761–1846) vor, Paten waren König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (1795–1861), Ludwigs Großonkel, und sein Onkel König Otto von Griechenland (1815–1867). Die Eltern, Kronprinz Maximilian und Prinzessin Marie, ließen sich von Ludwig I. dazu bewegen, ihren Sohn „Ludwig“ zu nennen. Er erhielt den Titel eines „Erbprinzen“, den Ludwig I. für den ältesten Sohn eines bayerischen Kronprinzen eingeführt hatte.

 

Ludwig kam in die Obhut einer Amme, deren Name nicht überliefert ist. Vermutlich steckte sich der Säugling bei der an einer Meningitis erkrankten Frau an – seine lebenslangen Kopfschmerzen werden als Indiz dafür gesehen. Im Juli 1846 wurde Ludwig der Erzieherin Sybille Meilhaus (1814–1881) anvertraut. Sie blieb bei ihm bis zu seinem neunten Lebensjahr, anschließend betreute sie Ludwigs Bruder Otto. Der Erbprinz schloss seine liebevoll „Millau“ genannte Erzieherin ins Herz und stand zeit seines Lebens mit ihr in Briefwechsel. auf dem Augsburger Hermann-Friedhof widmete er ihr ein Grabmal, das heute die Augsburger Königstreuen pflegen.

 

Ludwig wohnte mit seinem jüngeren Bruder Otto und den Eltern in den Wintermonaten in der Residenz in München, während man die Sommer auf Schloss Nymphenburg oder auf den ländlichen Familiensitzen verbrachte: Schloss Hohenschwangau, das Schweizerhaus in der Bleckenau bei Füssen, die königliche Villa bei Berchtesgaden am Fuß des Fürstensteins, die Roseninsel im Starnberger See oder das nahegelegene Schloss Berg. Damit verband sich eine unbeschwerte Zeit mit Ausflügen, Bergtouren, Schifffahrten. Ludwig und Otto mussten nur selten an den Repräsentationsverpflichtungen ihrer Eltern teilnehmen. 1851 reiste die Königsfamilie zu einem solchen Anlass nach Bayreuth, 1853 und 1855 nach Nürnberg.

 

Der Vater: König Maximilian II.

Ludwigs Verhältnis zu seinem Vater Maximilian wird von manchen als distanziert und von gegenseitigem Unverständnis geprägt charakterisiert. Dass Repräsentationspflichten Maximilian als Kronprinz und ab 1848 als König von den Kindern fernhielten, war üblich. Hinzu kamen jedoch die oft monatelangen Erholungsaufenthalte des Königs in Italien oder Griechenland. Wenn Vater und Sohn beisammen waren, litt Ludwig eigenen Aussagen nach unter der Strenge und Pedanterie Maximilians, der in seiner Nüchternheit wenig Zugang zum empfindsam-schwärmerischen Sohn fand. Maximilian wiederum beklagte Ludwigs mangelndes Interesse an allem, was er selbst für einen künftigen Herrscher als wichtig erachtete. Inwieweit sich jedoch aus den wenigen und kontextgebundenen Quellen sichere Aussagen zum Verhältnis von Vater und Sohn treffen lassen, muss fraglich bleiben.

 

Während der häufigen Abwesenheiten Maximilians war es der Großvater Ludwig I., der sich des Enkels annahm. Den beiden wird ein nahes und gutes Verhältnis nachgesagt.

 

Die Mutter: Königin Marie

Marie von Preußen gab ihre Söhne Ludwig und Otto in die Obhut von Erzieherinnen, wie es bei Hofe üblich war. In den Sommermonaten verbrachte sie viel Zeit mit den Kindern in der Natur und bei Bergtouren. Marie, eine leidenschaftliche Berggeherin, nahm ihre Söhne auf zahlreiche Ausflüge mit, wenn sie sich in Hohenschwangau, in Elbingenalp oder in der Bleckenau aufhielten. Sie war es, die das Bergsteigen für Damen gesellschaftsfähig gemacht hatte. Sowohl Ludwig wie auch Otto bewahrten zeitlebens ihre Liebe zur Natur, die ihre Mutter ihnen vorgelebt hatte.

 

Ludwigs Erziehung und Persönlichkeit

Auf die Gouvernante Sibylle Meilhaus, die Ludwig als Kind betreut hatte, folgte 1854 die Ausbildung durch Generalmajor Graf Theodor Basselet de la Rosé (1801–1864), Baron Emil von Wulffen und später Major Carl von Orff. Ab 1856 erhielt Ludwig in der Residenz Gymnasialunterricht. Sein Lehrer war Franz Steininger, Gymnasialprofessor am Münchner Maximiliansgymnasium. Mit 17 Jahren besuchte der Erbprinz die Münchner Universität, wo er Vorlesungen bei Johann Philipp von Jolly (1809–1884) in Physik, Justus von Liebig (1803–1873) in Chemie sowie Logik und Geschichte der Philosophie bei Steininger hörte. Geplant war die Fortsetzung des Studiums in Göttingen, womit Ludwig dem Vater und dem Großvater gefolgt wäre. Mit dem Tod seines Vaters im März 1864 musste Ludwig seine Studien beenden. Der Bildungshunger des damals Achtzehnjährigen war indes nicht gestillt. Ludwig erwies sich als leidenschaftlicher Leser, seine Begeisterung für Literatur und Musik ist gut dokumentiert. Doch auch den Entwicklungen auf dem Gebiet der Technik stand er aufgeschlossen gegenüber, nicht zuletzt wenn es darum ging, seine architektonischen und Ausstattungsvorstellungen in die Realität umzusetzen.

 

Der groß gewachsene Kronprinz und spätere König beeindruckte mit seinen feingeschnittenen Gesichtszügen und einem angenehmen Äußeren. Er legte Wert auf ein gepflegtes Aussehen, wie nicht zuletzt eine Fotoserie bezeugt, die der Hoffotograf Joseph Albert von dem jungen Kronprinzen anfertigte. In verschiedenen Posen, wohl frisiert, mit und ohne Zigarette, präsentiert sich Ludwig vor der – damals gerade erfundenen – Kamera gekonnt in verschiedenen Posen. Viel ist über seinen körperlichen Verfall in späteren Jahren geschrieben worden, unter anderem mit Bezug auf ein Zitat Prinzessin Marie Valeries, der jüngsten Tochter von Ludwigs Großkusine Kaiserin Elisabeth von Österreich. Die Tochter der bekanntlich höchst figurbewussten Elisabeth, vermerkte in ihrem Tagebuch: „O, dicker König.“ Ludwig II. war zu diesem Zeitpunkt ein stattlicher Mann von 191 cm Größe und gut 100 kg Gewicht. Dass er schon Mitte zwanzig Zähne verlor und unter oft kaum erträglichen Schmerzen litt, mag zu seiner Menschenscheu und seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit beigetragen haben. Der junge König ging keine Ehe ein. Die Verlobung mit Sophie Charlotte in Bayern löste er nach wenigen Monaten.

 

Der Bruder: Prinz Otto

Ludwigs Bruder Otto wurde am 27. April 1848 geboren. Für seine Mutter war er „eine erste Freude in dieser ernsten Zeit“. Damit meinte sie die Märzrevolution von 1848, als ihr Mann Maximilian nach der Abdankung König Ludwigs I. im Zuge der Lola-Montez-Affäre unerwartet auf den Thron kam.

 

Otto galt als der Heiterste im Kreis seiner Familie. Er erhielt die gleiche Ausbildung wie Ludwig. Wie dieser besuchte er Vorlesungen an der Universität München, in Geschichte, Soziallehre und Ästhetik. Mit Ludwig teilte er auch die Vorliebe für Musik, wenngleich er weniger der Oper als der leichteren Operette zuneigte, lieber Offenbach hörte als Wagner. Otto schwärmte für Theater und Ballett. Dem erwachsenen Prinzen wurde ein liederlicher Lebenswandel nachgesagt.

 

Seine größte Leidenschaft galt der Jagd, vorzugsweise der Gemsenjagd im Gebirge. Auch reiste er gerne. 1865 begleitete er seine Mutter nach Schwerin und Berlin sowie nach Hamburg und Kiel. Im September 1866 bereiste er Oberitalien, um im November seinen Bruder auf dessen Reise durch Franken zu begleiten. Ludwig und Otto besuchten gemeinsam die Wartburg bei Eisenach. Otto unternahm eine Reise in den Orient, von der er gesundheitlich angeschlagen zurückkehrte und Erholung in Italien suchte. 1868 hielt er sich für längere Zeit in Spanien auf.

 

Deutliche Unterschiede bestanden zwischen Ludwigs und Ottos physischer Erscheinung und ihrem Temperament. Otto war blond, kräftig und kleiner als sein Bruder. Ihn zeichnete ein unbeschwert lebhaftes, leutseliges Wesen aus, ganz anders als der schüchterne, zurückhaltende Ludwig. Die beiden Brüder wuchsen in enger Gemeinschaft auf. Stets jedoch ließ Ludwig seinen Bruder wissen, dass er der Erbprinz und Otto nur der Nachgeborene sei.

 

Otto beschritt die militärische Laufbahn. 1861 wurde er Leutnant, 1864 Oberleutnant und 1866 Hauptmann im königlichen Infanterie-Leibregiment. Während des Feldzugs gegen Preußen 1866 diente er im Stab des Armeehauptquartiers unter seinem Großonkel Prinz Carl. Ab 1867 kommandierte er das 5. Chevauleger-Regiment in Speyer. Seit seiner Volljährigkeit 1869 erhielt er eine Apanage von 80000 Gulden jährlich. Otto wurde auch in den Georgsorden, den Hausritterorden der Wittelsbacher, aufgenommen. 1870 kehrte Prinz Otto vorzeitig vom Feldzug in Frankreich zurück. Er litt unter starker nervlicher Anspannung, ein erstes Anzeichen seiner Geisteskrankheit.

 

Ludwig als König

Am 10. März 1864 starb Maximilian II. unerwartet, Kronprinz Ludwig musste mit 18 Jahren den Thron besteigen. Vier Wochen später starb auch Ludwigs Erzieher, Graf de la Rosé. Mit ihm verlor der junge König einen wichtigen Ratgeber. Es war seitdem Ludwigs Großvater Ludwig I., der sich in vielen Briefen an seinen Enkel wandte, teils zur Hilfestellung, teils um sich neuerlich Einfluss auf die Politik zu verschaffen. So warnte er Ludwig II. vor zu großer Nähe zu Preußen und vor einem Verfall der königlichen Prärogative. Ludwig II. verwahrte sich jedoch gegen jede Einmischung durch den Großvater.

 

Ludwig bewältigte den Geschäftsgang, den ihm das Ministerium zuwies, mit großer Beflissenheit. Aus den 22 Jahren seiner Herrschaft resultieren über 100.000 Signate mit Ludwigs Unterschrift.

 

Seinen Repräsentationspflichten kam der König dagegen nur unzureichend nach. Er mied öffentliche Auftritte wie Paraden, Empfänge und Staatsbesuche, wann immer er konnte, und seine Mutter und Prinz Otto mussten ihn oft vertreten. Dies und der Umstand, dass er während der Kriege gegen Preußen und gegen Frankreich sowie im Zuge der Reichsgründung nicht die erwartete Präsenz zeigte, hat seiner Popularität geschadet. Nur einmal machte der König seinem Amt alle Ehre, als er im November 1866 erstmals durch Franken reiste und es gelang, nach dem Krieg gegen Preußen die aufgebrachte Bevölkerung zu beruhigen. Die Rheinpfalz bereiste Ludwig II. dagegen zeitlebens nicht. Er brach auch mit Traditionen: In seiner Zeit gab es deutlich weniger Familienfeste der Wittelsbacher als zuvor. Auf dem Münchner Oktoberfest erschien er nur fünf Mal während seiner Regierungszeit. Zur Fußwaschung am Gründonnerstag in der Allerheiligen-Hofkirche ließ er sich oft vertreten. Auch den Feiern zum 700-jährigen Dynastiejubiläum der Wittelsbacher 1880 blieb der König fern, was für Gesprächsstoff sorgte. Vergleichsweise häufig erschien Ludwig dagegen als Oberhaupt des Georgsritterordens bei den jährlichen Kapitelversammlungen und Ordensfesten.

 

Trotz seines Interesses für Technik besuchte Ludwig II. nur selten Ausstellungen, Messen oder Einweihungen. 1867 fuhr er zur Pariser Weltausstellung, wo er nicht im Mittelpunkt stand, wenngleich ihn Kaiser Napoleon III. persönlich durch die Hauptstadt führte. Den damals geplanten Besuch in Versailles, das später das Vorbild für Schloss Herrenchiemsee werden sollte, holte Ludwig 1874 nach. Dabei waren ihm diplomatische Rücksichten gleichgültig, insofern er als deutscher Fürst nur drei Jahre nach der Niederlage Frankreichs dort erschien – wenngleich inkognito und mit Zustimmung Bismarcks. Ludwig II. feierte in Versailles sogar seinen Geburtstag. 1875 besuchte er die Kathedralen von Reims und Notre-Dâme.

 

Ludwig und Kaiserin Elisabeth

Von Ludwig II. existiert die Vorstellung eines menschenscheuen Sonderlings. Gleichwohl gab es in seinem Leben Freundschaften und Beziehungen. Eine auf dem gemeinsamen Interesse für Kunst, Literatur und Musik basierende „Seelenverwandtschaft“ verband ihn mit seiner Großkusine Elisabeth (1837–1898), seit 1854 als Frau Franz Josephs I. (1830–1916) Kaiserin von Österreich. Eine Liebesbeziehung, wie sie später Filme, insbesondere Viscontis „Ludwig“ darstellen, ist nicht zu belegen.

 

Die Verlobung mit Sophie Charlotte von Bayern

Im Januar 1867 verlobte sich Ludwig II. mit Elisabeths jüngster Schwester Sophie Charlotte (1847–1897), Herzogin in Bayern, die seither bei Hof als „Königsbraut“ auftrat. Das Paar genoss große Popularität, da erstmals ein bayerisches, und noch dazu ein katholisches, Landeskind Königin werden sollte.

 

Ludwig und seine Verlobte hatten viele Gemeinsamkeiten, etwa die Leidenschaft für Musik. Sophie war eine begabte Pianistin und Sängerin. Beide verehrten Richard Wagner und Sophie sang ihrem Verlobten die Arien der Elsa aus „Lohengrin“, der Senta aus dem „Fliegenden Holländer“ und der Elisabeth aus „Tannhäuser“ vor.

 

Im Lauf des Jahres 1867 sahen sich die Brautleute immer seltener. Ein ursprünglicher Hochzeitstermin im August 1867 wurde von Ludwig Monat um Monat verschoben. Sophies Eltern wurden unruhig, Herzog Max stellte Ludwig ein regelrechtes Ultimatum zur Vermählung, andernfalls wäre Sophies Ruf ruiniert. Sophie entband Ludwig im Oktober von seinem Verlobungsversprechen, was der König anfangs nicht akzeptierte. Kurze Zeit später ging er darauf ein und die Verlobung wurde gelöst.

 

Das Regierungsblatt für das Königreich Bayern gab die Trennung des Paars am 11. Oktober 1867 bekannt: „… nachdem man zur Erkenntnis gekommen sei, dass nicht jene wahre Neigung des Herzens bestehe, welche eine glückliche Ehe gewährleiste …“, hieß es. Diese Formulierung entsprach den Tatsachen. Ludwig hat seiner Vertrauten Cosima von Bülow (1837–1930), der späteren Frau Richard Wagners, offen bekannt, er könne Sophie nicht heiraten, da er nicht genug für sie empfinde. Entsprechend erleichtert zeigte er sich er nach der Trennung.

 

Schon Anfang 1867 hatte Ludwig ein beredtes Zeugnis dafür gegeben. Über seine Verlobte schrieb er: „… wir Beide leben in Mitte einer Umgebung[,] die uns nicht begreift und falsch beurtheilt, wir leben wie auf einer Oase im Sandmeer der Wüste.“ Dasselbe hätte Ludwig auch über Sophies Schwester Elisabeth sagen können. Womöglich war ihm nur an einer verständnisvollen Freundin gelegen, nicht an einer Ehefrau. Die Familie Herzog Max’ genoss bei Hof wenig Sympathien und hatte viele Neider. Zudem hatte Ludwig II. zu Sophies Eltern nicht das beste Verhältnis. Aus politischer Sicht wäre die Verbindung unbedeutend gewesen – hier hätte es näher gelegen, sich durch eine Heirat an eine europäische Großmacht anzulehnen (und tatsächlich war die Tochter Zar Alexanders II. im Gespräch).

 

Die Bevölkerung war von der Auflösung der Verlobung enttäuscht. Dem König wurde verübelt, seine Braut ohne deren Verschulden verlassen zu haben. Außenminister Fürst von Hohenlohe sprach intern von einem „Skandal“, da der König sein Ansehen mutwillig beschädigt habe.

 

Ludwig und Lila von Bulyowsky

König Ludwig II. blieb unverheiratet. Bekannt ist seine Beziehung zu der ungarischen Schauspielerin Lila von Bulyowsky (1834–1909), die den König im Hoftheater als Schillers „Maria Stuart“ beeindruckte. Ludwig rief sie oft zu sich nach Schloss Berg oder nach Hohenschwangau. Ob Ludwig eine Liebesbeziehung mit der verheirateten Schauspielerin einging, ist nicht bekannt. Fest steht jedoch, dass die Königinmutter Marie schließlich eingriff und Lila von Bulyowsky aufforderte, Bayern zu verlassen. Diese kam der Bitte nach.

 

Ludwig und die Zarin Maria Alexandrowna

Zu den Vertrauten Ludwigs II. gehörte auch Zarin Maria Alexandrowna (1824–1880), die Tochter Großherzog Ludwigs II. von Hessen und bei Rhein (1777–1848) und der Wilhelmine von Baden (1788–1836). 1841 heiratete sie Zar Alexander II. (1818–1881). Ludwig traf die an Tuberkulose Erkrankte 1864 in Bad Kissingen, wo sie sich zur Kur aufhielt. Ihre Kuren in Franken und Österreich brachten sie des Öfteren mit Ludwig zusammen. Die Zarin nahm an Ludwigs Schicksal als Monarch lebhaften Anteil. Sie ermahnte ihn, den Kontakt zur Bevölkerung zu suchen, um nicht das Ansehen seiner Dynastie zu beschädigen.

 

Ludwig II. und Cosima von Bülow

Eine besondere Rolle im Leben Ludwigs II. spielte Cosima von Bülow (1837–1930), die Tochter des Komponisten Franz Liszt (1811–1886) und der Gräfin Marie Cathérine d’Agoult (1805–1876). Cosima war mit dem Dirigenten Hans von Bülow (1830–1894) verheiratet. Beide waren glühende Verehrer und Freunde Richard Wagners (1813–1883). 1864 folgte sie Wagner nach München, wo der König ihm eine großzügige Anstellung gewährt hatte. Cosima wurde zu Wagners „Sekretärin“ und zu seiner Geliebten. Als Wagner Ende 1865 auf Druck der Regierung Bayern verlassen musste, folgte ihm Cosima in die Schweiz. 1870 heirateten die beiden, 1874 zogen sie nach Bayreuth.

 

Ludwig II. stand in regelmäßigem Briefwechsel mit Cosima und gab ihr Einblick in seine Entscheidungen, seinen persönlichen Umgang und in sein Seelenleben. In der Münchner Öffentlichkeit war Cosima daher als „Brieftaube Madame Hans“ verschrien. Cosima hielt ihre Korrespondenz mit Ludwig II. bis zu dessen Tod aufrecht. Sie konnte ihn auch für die Schirmherrschaft der Bayreuther Festspiele seit 1882 gewinnen.

 

Ludwig und Marie Dahn-Hausmann

In späteren Jahren wurde die Schauspielerin Marie Dahn-Hausmann (1829–1909) zur Vertrauten des Königs. Ludwig hatte sie schon als Kronprinz auf der Bühne erlebt. 1875 war sie zusammen mit ihrem Ehemann zu Gast bei Hof. Ludwig II. und Marie Dahn unterhielten eine Korrespondenz, in der der König seine Verachtung für die ihn umgebende Welt gestand. „Ein ewiges Räthsel will ich bleiben mir und anderen“, bekannte er, Schillers „Braut von Messina“ zitierend, in einem der Briefe, eine Stelle, die heute zu den meist zitierten Aussagen König Ludwigs II. gehört.

 

Ludwigs Freundschaften mit Männern

Zahlreicher als die Beziehungen zu Frauen sind Ludwigs männliche Freundschaften. Richard Wagner ist hierzu zu rechnen, den Ludwig als eine Art Vaterfigur ansah und vor allem als Künstler verehrte. Zu Ludwigs Freunden in der Jugendzeit gehörte Paul Fürst von Thurn und Taxis (1843–1879), zunächst Ordonnanzoffizier, seit 1865 Flügeladjutant des Königs und ebenfalls ein großer Verehrer Wagners. Als zeitweise enge Vertraute Ludwigs tauchen auch der Reitknecht Joseph Völk auf, der Marstallfourier Karl Hesselschwerdt (1840–1902), Ludwigs Privatsekretär Richard Hornig (1841–1911), der Bühnentechniker am Hoftheater, Friedrich Brandt (1844–1895), Ludwigs späterer Flügeladjutant Lambert von Varicourt (1844–1885), sein Kabinettssekretär seit 1876 Friedrich von Ziegler (1839–1897), der Staatsanwaltsgehilfe und Kandidat für das Kabinettssekretariat Anton von Hirschberg (1853–1924), der Schauspieler Josef Kainz (1858–1910), Ludwigs Leibkutscher Fritz Osterholzer sowie etliche Kammerdiener des Königs.

 

König Ludwig zählte Männer aus allen sozialen Schichten zu seinen Freunden und Vertrauten. Sie begegneten ihm im Alltag bei Hof oder im Theater, waren Günstlinge, Berater oder Hofchargen. Ludwig äußerte seine Zuneigung in Briefen und Gedichten, in Beförderungen oder großzügigen Geschenken.

 

Es fällt schwer, diese Freundschaften eindeutig zu bewerten. Viel wurde und wird über den homoerotischen Charakter dieser Beziehungen spekuliert. Ludwig II. hat eine solche Neigung um 1867 selbst angesprochen. Ob er sie freilich auslebte, ist nicht geklärt. Unklar sind auch die Folgen: mögliche Schuldgefühle, die Ludwigs Menschenscheu noch verstärkten, Distanz zum Hof und zur Regierung, Autoritätsverlust und umgekehrt die Furcht der Regierung vor der Beeinflussung des Königs durch seine Gefährten. Homosexualität galt in dieser Zeit zudem als krankhaft, ein Vorbehalt, der auch das psychologische Gutachten beeinflusst haben könnte, das zu Ludwigs Sturz führte.

 

Ludwig und die Religion

Ein zentrales Element in Ludwigs Leben war die Religion. Die katholische Erziehung des Erbprinzen übernahm 1853 der Domdechant Georg Carl von Reindl (1803–1882), später Daniel Haneberg (1816–1876), Abt von St. Bonifaz und späterer Bischof von Speyer sowie Beichtvater Ludwigs und Ottos. Dass auch der Großvater Ludwig I. mit seiner streng katholisch-traditionalistischen Haltung Einfluss ausübte, ist anzunehmen.

 

Der Religionsunterricht vermittelte Ludwig die Lehre vom Gottesgnadentum und der Erwähltheit der eigenen Person. Verstärkt wurde dies durch die neuhumanistische Tugendlehre, die Teil der Prinzenerziehung war: Der Fürst muss sich durch Leistung und persönliche Vorbildhaftigkeit legitimieren.

 

Wenn Ludwig eine solche Haltung verinnerlicht hat, dann trat sie in Konflikt zu seinen sexuellen Neigungen, von denen er in persönlichen Aufzeichnungen sprach. Ludwig erlegte sich Bußübungen auf – keine seltene Praxis in dieser körperfeindlichen Epoche – um seinen körperlichen „Makel“ zu überwinden. Auch die Werke Richard Wagners bezog er ganz auf seine Person, insoweit in ihnen das Motiv der Erlösung durch Sühne und Keuschheit wiederkehrt.

 

In seiner Zeit als König bestimmte auch die Theologie Ignaz von Döllingers (1799–1890) Ludwigs religiöse Anschauung. Der Münchner Kirchenhistoriker und Gegner des Vatikanischen Konzils von 1869/70 war eine der Hauptfiguren des damaligen so genannten Kulturkampfs in Bayern und Deutschland. Döllinger trat für die strenge Trennung von Staat und Kirche ein und lehrte Ludwig II. den Stellenwert der Tradition für den katholischen Glauben. Der König wiederum stärkte Döllinger in der Auseinandersetzung mit Rom den Rücken. Als Döllinger exkommuniziert wurde, beließ ihn der König an der Münchner Universität und ernannte ihn 1872 zum Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.

 

Die Königinmutter Marie

Zu den einschneidenden Erlebnissen Ludwigs II. gehörte die Konversion seiner evangelischen Mutter Marie zum katholischen Glauben. Diesen Schritt vollzog die Königinmutter, wie ihr Titel seit 1864 lautete, im Herbst 1874.

 

Die seit 1864 verwitwete Marie war tief gläubig. Sie litt seit ihrer Ankunft am Münchner Hof unter dem eingeschränkten protestantischen Kirchenleben. Ständig wurde sie von katholisch-konservativen Hofkreisen zum Glaubenswechsel aufgefordert, unter anderem von ihrer Nichte Therese von Bayern (1850–1925), Tochter des Prinzen Luitpold, die im Alter von 14 Jahren ihre Mutter, Erzherzogin Auguste Ferdinande von Österreich (1825–1864), verloren hatte. Marie nahm sie seither wie ihre eigene Tochter an. Auch der Priester in Elbigenalp im Tiroler Lechtal, Georg Lechleitner, bestärkte Marie in ihrer Hinwendung zum Katholizismus. Schließlich redeten ihr Geistliche sogar ein, ihre Konversion könne dazu beitragen, ihren Sohn Otto von seiner Geisteskrankheit genesen zu lassen.

 

Marie wählte als Datum der Konversion den 12. Oktober 1874, ihr Hochzeitstag (ebenso derjenige König Ludwigs I. und Königin Thereses) und der Namenstag ihres verstorbenen Gemahls. Ihr Sohn nahm an der Zeremonie in Elbigenalp nicht teil. Das geschah sicherlich aus Rücksicht auf Berlin, wo sich Kaiser Wilhelm I. über seine Nichte heftig empörte. Wilhelm und Marie haben sich seither nicht mehr wiedergesehen.

 

Die Königinmutter erhielt noch im Oktober vom Augsburger Bischof Pankratius von Dinkel (1811–1894) das Firmsakrament gespendet. Sie trat etlichen Bruderschaften und Gebetsvereinigungen bei. Ludwig II. selbst hieß den Schritt seiner Mutter nicht gut. Die Konversion war nur einer von mehreren Fällen, in denen sich Ludwig mit seiner Mutter überwarf. Sie hatte als gebürtige Preußin die Reichsgründung 1871 freudig begrüßt, ganz anders als Ludwig. Auch ihre Abneigung gegenüber Richard Wagner entzweite sie mit ihrem Sohn. Als Wagner zu Ludwigs 19. Geburtstag 1865 einen Huldigungsmarsch komponierte und in Hohenschwangau aufführen wollte, musste das Konzert wegen heftiger Kopfschmerzen Maries abgesagt werden.

 

Trotzdem gehört es ins Reich der Legende, von einem dauernd getrübten Verhältnis Ludwigs zu seiner Mutter zu sprechen. So wollte sie ihren gesamten Schmuck zu Geld machen, als sie von den dramatischen Schulden Ludwigs II. erfuhr. Seit ihr jüngerer Sohn Otto in Fürstenried unter Aufsicht stand, besuchte Marie ihn, so oft sie konnte. In vielen Briefen unterrichtete sie Ludwig über den Zustand seines Bruders. Ludwigs letzte Begegnung mit seiner Mutter fand an ihrem Geburtstag am 15. Oktober 1885 statt. Ludwig überraschte sie mit einer ersten Besichtigung des beinahe fertig gestellten Schlosses Neuschwanstein. Vom Tod Ludwigs II. in Berg erfuhr Marie in Elbigenalp. Krankheit und Schwächeanfälle hinderten sie, an der Beisetzung teilzunehmen. Marie starb am 18. Mai 1889 auf Schloss Hohenschwangau. Ihrem letzten Willen gemäß wurde sie im Ornat des Dritten Ordens vom Hl. Franziskus und mit einem Rosenkranz bestattet.

 

Das Schicksal Ottos

Auch Ludwigs jüngerer Bruder Otto blieb unverheiratet und kinderlos. 1866 und 1870 war Otto noch mit Rücktrittsgedanken seines Bruders konfrontiert worden. In diesem Fall hätte Otto die Nachfolge auf dem bayerischen Königsthron angetreten. Schon wenig später jedoch zeichnete sich ab, dass Ottos Gesundheit, seine psychische Verfassung, ihn nicht zum König tauglich machte.

 

Otto kehrte, psychisch angeschlagen, 1870 vorzeitig aus dem Feldzug gegen Frankreich zurück. Während die Familie schon 1867 darüber debattiert hatte, ihn von der Thronfolge auszuschließen, wurde er seit 1871 auch in der Öffentlichkeit als nicht sukzessionsfähig angesehen. Zwei Jahre später bekannte Ludwig: „Mein Bruder kann nie regieren.“

 

Der königliche Leibarzt Professor Max von Gietl hatte anfangs nur ein vorübergehendes „Jugendirresein“ an Otto diagnostiziert. Auch wurde vermutet, Otto habe sich bei seinem häufigen Umgang mit Prostituierten die Syphilis zugezogen. Um 1870/71 verschlechterte sich der Zustand des Prinzen dramatisch. Otto verfiel in Depressionen und Angstzustände.

 

1871 hielt er sich zur Kur unter anderem in Schloss Ludwigsthal im Bayerischen Wald auf. Zu Beginn des Jahres 1872 lag ein Gutachten über Otto vor, das ihn für „geistesgestört“ befand. Da Ludwig II. und seine Mutter beschlossen, Otto in keine Anstalt einzuweisen, lebte er zunächst in Schloss Nymphenburg unter der Aufsicht von Hofarzt Dr. Brattler. Anfangs durfte er noch Ausflüge und Jagden unternehmen. Nach einem peinlichen Vorfall während der Fronleichnamsfeier im Münchner Dom 1875 wurden die Auflagen verschärft und Otto isoliert.

 

Die Jahre zwischen 1876 und 1879 brachte Otto in Schloss Schleißheim zu. 1880 begann die völlige Isolierung, ehe Otto im April 1883 nach Schloss Fürstenried überstellt wurde, wo er bis zu seinem Tod unter der Aufsicht der so genannten Prinzenärzte blieb. König Ludwig besuchte ihn noch einige Male, obwohl Otto niemanden mehr erkannte. Ludwig II. ließ sich bis zuletzt die ärztlichen Berichte vorlegen. Prinzregent Luitpold und seine Tochter, Prinzessin Therese von Bayern, besuchten Otto regelmäßig in Fürstenried.

 

Otto als König von Bayern

Mit dem Tod Ludwigs II. am 13. Juni 1886 rückte Otto offiziell als König von Bayern nach. Ein psychologisches Gutachten, das schon einen Tag nach Ludwigs Tod vorlag, erklärte Otto für regierungsunfähig, die Regentschaft übernahm Prinz Luitpold. Im Oktober 1886 unterrichtete die Regierung die Öffentlichkeit von der Regierungsunfähigkeit König Ottos, die mit „Paranoia“ und „Verrücktheit“ begründet wurde.

 

Am 5. November 1913 wurde im Bayerischen Landtag eine Verfassungsänderung verabschiedet, woraufhin König Otto für abgesetzt erklärt werden konnte. Eine solche Möglichkeit hatte es bis dahin nicht gegeben. Prinzregent Ludwig (1845–1921), der Sohn und Nachfolger Prinzregent Luitpolds, regierte nun als König Ludwig III. von Bayern (1913–1918). Otto, dem der Königstitel nicht aberkannt worden war, starb am 11. Oktober 1916 in Fürstenried an einer Blinddarmentzündung. Er wurde am 14. Oktober in der Münchner Michaelskirche beigesetzt. Otto, der keinen Tag regiert hat, ist über 27 Jahre Bayerns alleiniger rechtmäßiger König gewesen, länger als jeder andere; den Königstitel trug er sogar über 30 Jahre lang, bis zu seinem Tod.