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Ludwig I.

 

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Bevölkerung, Wirtschaft und Technik in der Zeit Maximilians II.

Um 1850 war das Königreich Bayern noch überwiegend agrarisch strukturiert. 68 Prozent der Beschäftigten waren in der Land- und Forstwirtschaft tätig, nur 23 Prozent in Industrie, Handel, Gewerbe und Verkehr. Bei einer Gesamtbevölkerung von über viereinhalb Millionen Einwohnern zählte die Statistik des Zollvereins 153 000 Arbeiter, davon 93 000 Fabrikarbeiter, die übrigen 60 000 waren Handweber. Noch Ende der 1850er Jahre betrug der Anteil der Arbeiterschaft an der Gesamtbevölkerung Bayerns nur 0,67 Prozent. Lediglich Augsburg, Nürnberg, Fürth und Hof konnten damals als Fabrikstädte gelten.

Die Soziale Frage

Obgleich es noch keine organisierte Arbeiterschaft gab, brachte die Revolution von 1848/49 die soziale Frage ins Bewusstsein der Zeitgenossen. In den Jahren zuvor waren die Löhne auf ein Rekordtief gesunken, Missernten hatten zu den höchsten Nahrungsmittelpreisen seit 1800 geführt. Die Unruhen unter den Industriearbeitern, die sich mit antimonarchischen Parolen verbanden, ließen Beobachter etwa in Oberfranken von der „drohenden roten Flut“ sprechen. In der Märzrevolution blieb jedoch das Bürgertum die politisch bestimmende Schicht.

Die Industrialisierung in Bayern um 1850

Die 1850er Jahre brachten in Bayern den endgültigen Durchbruch zur Industrialisierung – wenn auch nur in einzelnen Regionen des Landes. Neben dem Maschinenbau war es vor allem die Textilindustrie, mit der das Königreich damals an der Spitze der wirtschaftlichen Entwicklung im Deutschen Bund stand.

Die Baumwollspinnerei am Augsburger Stadtbach war der damals größte Spinnereibetrieb im Zollverein, die Augsburger Kammgarn-Spinnerei sowie die Mechanische Baumwollspinnerei und -Weberei zählten zu den führenden Unternehmen ihrer Branche und machten Augsburg zum Zentrum der deutschen Textilindustrie.

In dieser Zeit wurden auch die wichtigsten Nord-Süd und Ost-West-Achsen der Eisenbahn durch Bayern fertiggestellt. Das liberale Aktienrecht sorgte für die Gründung vieler Aktiengesellschaften. Im Mai 1848 hatte die Regierung auch einen „Allgemeinen Industrieunterstützungsfonds“ mit 1 Mio. Gulden zur Förderung von Industrie und Kapital gegründet.

Seit November 1848 gab es das Ministerium des Handels und der öffentlichen Arbeiten, das der Außenminister von der Pfordten (1811-1880) bis 1859 in Personalunion leitete. Der eigentliche Hauptberater des Königs in Fragen der Wirtschaft und der Industrie war Friedrich Benedikt Wilhelm von Hermann (1795–1868), Professor der Kameralistik, Ministerialrat im Innenministerium, später auch Mitglied des Staatsrats.

Die Industrialisierung in manchen Städten Bayerns hatte unterschiedliche Folgen. Einmal sorgten neue Fabrikbetriebe für Arbeitsplätze, die Zahl der in den Gemeinden verzeichneten Armen nahm daher ab.

Unter den Fabrikarbeitern stieg dagegen die Zahl der unehelichen Geburten und mit ihr die Säuglingssterblichkeit. Sie lag in Bayern ohnehin deutlich höher als im übrigen Deutschland (ca. 30 Prozent Säuglingssterblichkeit, 20–23 Prozent uneheliche Geburten im Zeitraum 1840 bis 1864), während sie bei der Fabrikarbeiterschaft noch einmal je zehn Prozent höher lag. Entsprechend der Ehegesetzgebung aus dem Jahr 1825, die erst unter Ludwig II. 1868 revidiert wurde, waren die Löhne der Arbeiter für eine Heiratserlaubnis zu niedrig. Der geringe Lohn zwang auch die Frauen zur Arbeit, schlechte Ernährung und Verwahrlosung der Familien waren die Folge.

Die Sozialpolitik König Maximilians II.

Mehr noch als sein Vater zeigte sich König Maximilian aufgeschlossen für die sozialen Folgen der Industrialisierung. Bereits als Kronprinz hatte er sich mit Studien über die soziale Frage und Theorien über die Arbeiterschaft auseinandergesetzt. Die Aufhebung bzw. Regulierung der bäuerlichen Grundlasten 1848 war ein erster wichtiger Schritt im Rahmen von Maximilians Sozialpolitik.

In der Folge profilierte sich der König als Stifter und Förderer. 1853 riefen Maximilian und Königin Marie den Zentralverein des St. Johannis-Vereins ins Leben. Die in Bayern schon zuvor weitverbreiteten St. Johannis-Vereine widmeten sich der Sorge für Waisen, Blinde und Taubstumme, der Einrichtung von Kleinkinderbewahranstalten und Armenhäusern, der Stiftung von Krankenvereinen sowie Unterstützungskassen für Fabrikarbeiter und Handwerksgesellen. Die Gründung des Zentralvereins nahm damals eine schon florierende Bewegung auf. Vor 1853 hatte es bereits über hundert Zweigvereine gegeben, danach traten über 500 Neugründungen hinzu, mit Schwerpunkt in Mittelfranken und der Pfalz.

Maximilian entwickelte ein Programm zur Einrichtung von Hilfs-, Distrikts- und Arbeiterkassen, das möglichst ganz Bayern umfassen sollte. Dabei orientierte er sich an Vorbildern aus Privatunternehmen. Die Augsburger Kammgarn-Spinnerei unterhielt damals bereits eine Arbeiterkasse. Ein Arbeiterausschuss verwaltete die Pflichtbeiträge der Beschäftigten und zahlte Kranken- oder Sterbegeld. Andere Betriebe finanzierten ihre Kassen noch über Ordnungsstrafen.

Die Mechanische Baumwoll-Spinnerei und -Weberei in Augsburg folgte einem besonderen Modell. Hier führte der Unternehmer vier Prozent des Lohns an eine Kasse ab. Die Beschäftigten besaßen bereits nach einem Jahr Betriebszugehörigkeit Versorgungsansprüche im Falle von Krankheit oder Invalidität, auch gab es Beihilfen für Frauen und Kinder, ebenso eine Pensionskasse. Die Gelder wurden von einem Ausschuss verwaltet, den Arbeiter und Aktionärsvorstand paritätisch wählten. Auch die Frauen im Betrieb hatten das Wahlrecht.

Insgesamt konnte Friedrich von Hermann in einem Gutachten für den König 1855 feststellen, dass nur etwas weniger als die Hälfte der über 270 Fabrikunternehmen in Bayern Betriebskassen führten. Maximilians Vorhaben, eine Arbeiterspar- und Unterstützungsvereinigung für das ganze Königreich ins Leben zu rufen – eine Initiative, die bereits an Bismarcks Sozialgesetzung der 1880er Jahre erinnert –, wurde im Landtag von der Mehrheit der liberalen Abgeordneten nicht mitgetragen.

Die Ansätze des Königs zu einer umfassenden Sozialpolitik, zur Errichtung regelrechter Sozialsysteme, blieben damit weitgehend Theorie. Dabei war Maximilian kein Visionär einer gerechteren Gesellschaft, eher versuchte er die Versäumnisse seines Vorgängers wettzumachen. Vor allem sah der König darin ein geeignetes Mittel, die Arbeiterschaft im Land von einer befürchteten revolutionären Erhebung abzuhalten.

Maximilians Initiativen konnten allerdings nur punktuell bleiben. Er beteiligte sich an der Finanzierung von Arbeiterwohnungen in Nürnberg und Augsburg sowie der Taubstummenanstalt in München. Der König ordnete Fürsorgemaßnahmen für entlassene Strafgefangene an und suchte die Auswanderung aus Bayern zu fördern. Um 1854 gab es über 23 000 Auswanderer aus Bayern nach Amerika. Um Versorgungsengpässen wie in den Jahren vor 1848 zu entgehen, ordnete der König die Anlage von Getreidemagazinen in ganz Bayern an.

Die 1850er Jahre: Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft

Wirtschaft und Technik dienten Maximilian aber auch als Objekte herrscherlicher Repräsentation. 1851 wurde der Bayerische Kunstgewerbeverein gegründet. Überall in Bayern entstanden Bahnhöfe mit neuartigen Konstruktionen aus Eisen, Stahl und Glas. Die Maximilians-Schrannenhalle in München, errichtet 1851–1853, war Zweckbau und eindrucksvolles Monument zugleich.

1854 fand in München die erste deutschlandweite Ausstellung von Industrie- und Erwerbserzeugnissen statt. Hierzu ließ Maximilian den Glaspalast bauen, in unmittelbarer Nähe zum Neuen Hauptbahnhof und zum Münchner Karlsplatz. Der Bau wurde zu einem Wahrzeichen der Hauptstadt. Er fiel 1931 einem Brand zu Opfer.

Maximilian II. verstand sich selbst als „Bürgerkönig“. Er pflegte rein äußerlich einen zivilen Habitus, trug viel öfter Tracht oder bürgerliche Kleidung anstelle einer Uniform oder dem Ornat des Hausritterordens. Mit diesem Verhalten entsprach er der fortschreitenden „Verbürgerlichung“ Münchens. In der Haupt- und Residenzstadt München umfasste die Hofgesellschaft in den 1850er Jahren nur etwa 300 bis 400 Personen. Die Stadt selbst hatte gegenüber 1800 ihre Einwohnerzahl auf über 100 000 verdoppelt. Die Ausbreitung der Metropole löste die Residenz als eigentliches Zentrum der Stadt auf. München wurde zur Großstadt, in der Hof und Bürgertum bald zwei unabhängige Gesellschaften bildeten.