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Maximilian I. Joseph

 

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„Belehnung Ottos von Wittelsbach mit dem Herzogtum Bayern 1180“ (1828/29)

1828/29

Herzog Otto I., der Große, wird 1180 durch Kaiser Friedrich Barbarossa mit Bayern belehnt

Carl Heinrich Wenng (1787–1850), nach dem Freskogemälde von Clemens Zimmermann (1788–1869) in den Arkaden des Münchner Hofgartens, München, 1828/29

Kupferstich, 23,4 x 29,2 cm 

Die Idee, die Arkaden im Münchner Hofgarten mit Fresken auszugestalten, stammte von Peter Cornelius (1783–1867). Er war seit 1825 endgültig von Düsseldorf nach München übergesiedelt, nachdem ihn König Ludwig zum Präsidenten der Akademie der Bildenden Künste berufen hatte. Im Spätsommer oder Herbst 1826 lag Cornelius’ Empfehlung vor: Der Arkadengang solle durch historische Fresken seiner Schüler ausgeschmückt werden.

Cornelius folgte hier seiner Anschauung von der Freskenmalerei als der öffentlichen Kunst schlechthin. Der König stimmte dem Vorschlag zu. Bis dahin war anstelle des alten Turnierhauses am Odeonsplatz der sogenannte Bazar von Leo von Klenze (1784–1864) errichtet worden. Ebenso wurden die Arkaden an der West- und Nordseite des Hofgartens erneuert. Klenze missbilligte im übrigen den Vorschlag von Cornelius. Er wollte lieber Statuen in den Arkaden aufgestellt sehen, andernfalls sprach er sich für eine einfache Stuckdekoration aus.

Dem Plan von Cornelius folgend, entstanden in den Arkadenbögen insgesamt 16 Fresken (zwölf größere, vier kleinere) mit Szenen aus der bayerischen Geschichte unter dem Haus Wittelsbach. Die Detailarbeit übernahm der Corneliusschüler Ernst Förster (1800–1885), ein Schwiegersohn Jean Pauls, der später auch eine Biografie seines Lehrers verfasste. König Ludwig genehmigte Försters Vorschläge mit geringfügigen Änderungen. Neben Förster wurden insgesamt 14 Schüler von Cornelius mit den Fresken beauftragt.

Das Unternehmen hielt man für einzigartig, wiewohl es andernorts in Deutschland damals ähnliche Projekte gab. 1825 wurde für den Grafen Spee auf Schloss Heltorf bei Düsseldorf ein Historienzyklus angefertigt. Auch der Freiherr vom Stein erteilte den Auftrag für eine Serie von Geschichtsbildern für Schloss Cappenberg. Bereits 1815 hatte der preußische Oberpräsident Theodor von Schön die Restauration der Marienburg in Ostpreußen in Auftrag gegeben, deren neue Verglasung mit Motiven aus der Geschichte des Deutschen Ordens ausgestaltet werden sollten. Dieses Vorhaben fand 1828 statt, die Regierung in München hatte hiervor allem Anschein nach keine Kenntnis.

Die Arkadenfresken im Hofgarten wurden zur Eröffnung des Oktoberfestes 1829 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Ausbesserungen notwendig. Seitdem wurden etliche Restaurierungen vorgenommen, zuletzt in 1950er Jahren.

Der Zyklus der Hofgartenarkaden bestand aus 16 Motiven aus der Geschichte des Hauses Wittelsbach seit Begründung der Dynastie durch Pfalzgraf Otto I. Jeweils eine „Kriegsthat“ und ein „friedliches Ereignis“ aus jedem der acht Jahrhunderte wittelsbachischer Herrschaft in Bayern wurden gezeigt. Dieses Grundkonzept stammte womöglich vom König selbst.

Nach Abschluss der Arbeiten und ihrer Präsentation wurde teils heftige Kritik am künstlerischen Niveau und an der Aussage der Fresken geübt, zumal in der Tagespresse und im Landtag. Auch gab es vereinzelte Anschläge auf die Fresken – wohl v.a. Akte der Opposition gegen die Kunst- und Volksbildungspolitik des Königs im allgemeinen und deren finanzielle Bürden im besonderen. Doch auch sonst befand sich die damalige öffentliche Geschichtsmalerei in einem Zwiespalt. Sie trat mit dem Anspruch auf „Volkstümlichkeit“ auf, ohne in der tatsächlichen Welt der einfachen Leute Platz greifen zu können. Dagegen wurde ein Werk wie der Freskenzyklus in den Kreisen des gebildeten Publikums, die den Gedanken einer Annäherung der sozialen Schichten über Kunst und Öffentlichkeit durchaus begrüßten, kaum ernst genommen.

Die vollständige Motivreihe:

I. (Ernst Förster) „Befreiung des deutschen Heeres im Engpasse von Chiusa durch Otto den Großen von Wittelsbach (1155)“
[Hormayr, Fresken, S. 39–48, Abb. in Büttner, Bildung des Volkes, S. 78 f.; Figur Ottos ähnelt bewusst derjenigen Hagens in Nibelungen-Illustrationen von Cornelius]

II. (Clemens Zimmermann) „Kaiser Friedrich Barbarossa belehnt zu Altenburg Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach mit dem Herzogthum Bayern (1180)“ [Hormayr, Fresken, S. 49–58, Abb. in Büttner, Bildung des Volkes, S. 80; auffallende Analogie zum Fresko Eberles über die Erhebung Maximilians zum Kurfürsten]

III. (Wilhelm Röckel) „Vermählung Otto des Erlauchten mit Agnes Pfalzgräfin bei Rhein (1225)“ [Hormayr, Fresken, S. 59–65]

IV. (Carl Stürmer) „Einsturz der Innbrücke bei Mühldorf mit den darüber fliehenden Böhmen (1258)“ [Hormayr, Fresken, S. 66–76]

„V. (Karl Hermann) „Kaiser Ludwig der Bayer begrüßt freundlich seinen gefangenen Gegenkönig Friedrich den Schönen von Österreich nach der Schlacht bei Ampfing (1322)“ [Hormayr, Fresken, S. 77–97]

VI. (Hermann Stilke) „Ludwig der Bayer wird mit seiner Gemahlin Margarethe in Rom zum Kaiser gekrönt, und zwar von den Bischöfen von Castello und Alexia, da Papst Johann XXII. ihn nicht anerkennen wollte (1328).“ [Hormayr, Fresken, S. 98–112]

VII. (Georg Hiltensperger) „Bayerns Herzog Albrecht III. schlägt die böhmische Krone aus (1440)“ [Hormayr, Fresken, S. 113–125]

VIII. (Wilhelm Lindenschmidt) „Herzog Ludwig des Reichen Sieg bei Giengen (1462)“ [Hormayr, Fresken, S. 126–143]

IX. (Philipp Schilgen) „Herzog Albert IV. gründet das Recht der Erstgeburt in Bayern (1506)“ [Hormayr, Fresken, S. 144–151]

X. (Gottlieb Gassen) „Der Kölnischen Burg Godesberg Erstürmung durch die Bayern (1583)“ [Hormayr, Fresken, S. 152–160]

XI. (Adam Eberle) „Maximilian I. wird zur Belohnung für seine namentlich in der Schlacht am weißen Berge geleisteten Dienste, an der Stelle des abgesetzten Friedrich von der Pfalz, am 23. Februar 1623 von Kaiser Ferdinand II. mit der Churwürde belehnt (1623)“ [Hormayr, Fresken, S. 161–179; Büttner, Bildung des Volkes, S. 81]

XII. (Carl Stürmer) „Churfürst Max Emanuel stürmt Belgrad (1688)“ (letztes großformatiges Fresko) [Hormayr, Fresken, S. 180–209]

XIII. (Dietrich Monten) „Bayern erstürmen, die ersten, eine türkische Verschanzung bei Belgrad (1717)“ [Hormayr, Fresken, S. 210–230]

XIV. (Philipp Foltz) „Maximilian Joseph III. stiftet die Akademie der Wissenschaften (1759)“ [Hormayr, Fresken, S. 231–260]

XV. (Dietrich Monten) „Bayern schlagen die Entscheidungsschlacht bei Arcis sur Aube mit (1814)“ [Hormayr, Fresken, S. 261–298]

XVI. (Dietrich Monten) „König Maximilian Joseph I. gibt seinem Volke die Verfassungsurkunde (1818)“ [Hormayr, Fresken, S. 299–319]

 

Bei aller Kritik an seinen technischen Schwächen verdient der Freskenzyklus der Münchner Hofgartenarkaden Anerkennung als kunstpolitische Pioniertat. Es handelt sich um einen der ersten öffentlichen Gemäldezyklen aus der profanen Geschichte in der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts. Die patriotische Idee, die hinter den Fresken stand, war bei den meisten Zeitgenossen sehr populär.

Damals entstanden Geschichtsdarstellungen in der Kunst auch nicht länger nur auf Geheiß der Obrigkeit. Bürger und Gemeinden trugen ihrerseits dazu bei, dass Geschichte und Kunst in patriotischer Absicht den öffentlichen Raum prägten. Als Beispiel dient das Fresko von Wilhelm Lindenschmidt d.Ä. (1806–1848) zur Sendlinger Mordweihnacht in der Pfarrkirche zu Sendling, entstanden 1829–1831. Lindenschmidt hatte bereits an der Gestaltung der Hofgartenarkaden mitgewirkt, das Fresko in Sendling finanzierte er selbst. Ebenso das Denkmal für das Königshaus auf dem Burgplatz in Oberwittelsbach von Joseph Daniel Ohlmüller (1791–1839), eingeweiht 1834: Es geht auf Spendensammlungen für ein „Nationaldenkmal“ zurück, die der Freiherr von Hallberg-Broich 1821 in Aichach in Gang setzte, ehe sie der König 1829 offiziell genehmigte.

Die damalige Historienmalerei wurde bald allgemein als „wahres Bildungsmittel für das Volk“ erachtet, sie folgte der neuen Idee einer „Nationalerziehung“. Kunst und Geschichtsbewusstsein sollten eine ganz neue Breitenwirkung erhalten. Der Innsbrucker Joseph von Hormayr (1781–1848), Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, fasste 1830 sein Urteil über die Kunstpolitik Ludwigs I. zusammen: „In diesem schönen Werke des Erziehens, Einwirkens und Schaffens wird das ehrwürdige Familiengefühl zwischen dem Herrscher und der Nation immer wärmer, immer wechselseitiger, immer unauflöslicher, und der Fürst setzt sein geliebtes Volk auf die Stelle, zu der seine reichen, kraftvollen, nachhaltigen Anlagen es längst berufen hatten.“ (Hormayr, Fresken, S. 7). Frühere Generationen von Herrschern, etwa Friedrich der Große von Preußen (reg. 1740–1786), hatten eine solche Funktion noch bestritten. Insofern Ludwig I. den Gedanken einer „Nationalerziehung“ zu einem wesentlichen Element seiner Regierung machte, bewies er, dass sein Königtum keineswegs nur auf Restauration angelegt war, wie bei vielen damaligen Potentaten.


 

Beleg:

Wilhelm Röckel, Beschreibung der Frescogemälde aus der Geschichte Bayerns, welche Seine Majestät König Ludwig I. in den Arkaden des Hofgartens, als Eigenthum des Staats, dem öffentlichen Vergnügen weiht, München 1829; Joseph Freiherr von Hormayr, Die geschichtlichen Fresken in den Arkaden des Hofgartens zu München, München 1830; „Vorwärts, vorwärts sollst du schauen ...“. Geschichte, Politik und Kunst unter Ludwig I., hrsg. von Johannes Erichsen und Michael Henker (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, Nr. 8), München 1986, S. 107 f., 112

Künstler, Ersteller / Fotograf: Carl Heinrich Wenng (Kupferstecher), Clemens Zimmermann (Maler)
Lageort: Augsburg, Haus der Bayerischen Geschichte
Copyright: Haus der Bayerischen Geschichte, Augsburg